UNIVERSITÄT DER BUNDESWEHR MÜNCHEN

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176 5.2. Relevante Entwicklungen in Theorie und Praxis Nicht zuletzt durch diesen gesundheitspolitischen Trend zur Durchbrechung sektoraler Grenzen hat sich der Kooperationsgedanke auch im Gesundheitswesen zu einer einflussreichen Strömung entwickelt. Diese schlägt sich auch in der Errichtung von Netzwerken nieder, in denen rechtlich unabhängige Leistungsanbieter über die bisherigen Bruchlinien des idealen Versorgungskontinuums hin kooperieren. Dabei ist es aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive vergleichsweise unbedeutend, ob die Durchbrechung von Grenzen zwischen den Leistungsanbietern den Vertragsformen der ‚Integrierten Versorgung’, der ‚Disease Management Programme’ oder anderen Instituten vorangetrieben wird, da die Idee der übergreifenden Kooperation allen Ansätzen gemeinsam ist. 603 5.2.1. Aspekte der Theorieentwicklung 5.2.1.1. Begründung der folgenden wissenschaftlichen Vorgehensweise Ein Vergleich der Entstehungsgründe von vernetzten Strukturen im Gesundheitswesen zeigt mehr als nur eine Gemeinsamkeit zu den Entwicklungen in anderen Wirtschaftssektoren. So lassen sich wirtschaftliche, politische und technologische Entstehungsgründe auch für das Gesundheitswesen entdecken. Dies sind die erschwerten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Form eines steigenden Leistungsbedarfs, bei eng begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten, Liberalisierung der staatlichen Regulierung und Entwicklungen der Medizin- und IUK-Technologie. Um die Übertragung von für Unternehmensnetzwerke als zweckmäßig erachteten Controllingkonzeptionen auf Netzwerke des deutschen Gesundheitswesens wissenschaftlich zu rechtfertigen, sind weitere Überlegungen anzustellen. Es müsste zumindest plausibel dargelegt werden, dass die vernetzten Strukturen des deutschen Gesundheitswesens vergleichbare Management- und Rationalitätsdefizite aufweisen und von den gleichen Managementproblemen belastet werden, wie die im Abschnitt 3.1 allgemein beschriebenen Unternehmensnetzwerke. Wenn dies gelingt, kann auf die Zweckmäßigkeit eines kennzahlengestützten Controllings in vernetzten Strukturen des deutschen Gesundheitswesens geschlossen werden. Dazu werden im Folgenden wesentliche theoretische Erkenntnisse und ausgewählte praktische Vernetzungserfahrungen aus dem deutschen Sprachraum aufgezeigt und hinsichtlich möglicher Implikationen für die Rechtfertigung, Konzeption und Implementation von Cont- 603 Vgl. Braun, G.E., Versorgungsstrukturen, 2004, S. 30. Zu den Instituten im Einzelnen vgl. Abschnitt 5.2.2.1.

177 rollingkonzepten in vernetzte Versorgungsstrukturen des Gesundheitswesens hinterfragt. Hinsichtlich der wissenschaftlichen Durchdringung zeigt sich beim Untersuchungsobjekt ‚Vernetzte Strukturen des Gesundheitswesens’ eine Herangehensweise, die dem zeitlich vorauslaufenden Vorgehen hinsichtlich Unternehmensnetzwerken im Allgemeinen ähnelt. Mit zunehmender praktischer Bedeutung vernetzter Strukturen des Gesundheitswesens stellte sich die Betriebswirtschaftslehre zunächst der Frage nach dem „Warum“. Darüber hinaus wurden Fragen des organisatorischen „Wie“ bedeutsam. 604 Es ist bisher jedoch nicht gelungen, eine allseits anerkannte geschlossene Theorie der Netzwerke im Gesundheitswesen zu entwickeln bzw. zu veröffentlichen. Deswegen können im Folgenden nur die bisher beschriebenen Anfänge einer Theorie in die Untersuchung einbezogen werden, die aber dennoch wertvolle Hinweise für die weitere Arbeit liefern. 5.2.1.2. Systematisierung der Kooperationsformen Die exakte Beschreibung und Systematisierung eines Forschungsobjektes gilt als wesentliche Voraussetzung für weiterführende Überlegungen. Wohl nicht zuletzt deshalb sind die Formen von Kooperationen im Gesundheitswesen bereits beschrieben und nach verschiedenen Systematisierungsmerkmalen analysiert worden. 605 Fokale und polyzentrische Netzwerke Ein Systematisierungsansatz von Kooperationen im Gesundheitswesen liegt in der Einteilung in fokale und polyzentrische Netzwerke. Als fokales Gesundheitsnetzwerk gilt eines, in dem einer der Partner eine dominante Position einnimmt. Dieser Partner hat einen bestimmenden Einfluss auf die Kooperation. Demgegenüber besteht ein polyzentrisches Gesundheitsnetzwerk aus ebenbürtigen Partnern, von denen keiner eine dominante Position einnehmen kann. 606 Diese Unterscheidung ist auch für das Management und Controlling dahingehend bezeichnend, als ein dominanter Partner auch bestimmenden Einfluss auf die dazu verwendeten Konzepte ausüben kann. Für das Gesundheitswesen in Deutschland kann festgehalten werden, dass die Strukturen in der Regel stärker polyzentrisch ausgeprägt sind, und auch die in dieser Arbeit 604 Vgl. dazu die unterschiedliche Setzung der thematischen Schwerpunkte in Mühlbacher, A., Integrierte Versorgung, 2002 und Lindenthal, J. / Sohn, S. / Schöffski, O., Praxisnetze, 2004. 605 Eine weitere Typisierung bietet Steiner, M., Versorgung, 2004, S. 13. 606 Vgl. Braun, G.E., Versorgungsstrukturen, 2004, S. 32; Mühlbacher, A., Integrierte Versorgung, 2002, S. 152f. Zu den Einflussmöglichkeiten in fokalen bzw. polyzentrischen Netzwerken im Allgemeinen: Wohlgemuth, O., Kooperationen, 2002, S. 118f.

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5.2. Relevante Entwicklungen in Theorie und Praxis<br />

Nicht zuletzt durch diesen gesundheitspolitischen Trend zur Durchbrechung sektoraler<br />

Grenzen hat sich der Kooperationsgedanke auch im Gesundheitswesen zu einer<br />

einflussreichen Strömung entwickelt. Diese schlägt sich auch in der Errichtung von<br />

Netzwerken nieder, in denen rechtlich unabhängige Leistungsanbieter über die bisherigen<br />

Bruchlinien des idealen Versorgungskontinuums hin kooperieren. Dabei ist<br />

es aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive vergleichsweise unbedeutend, ob die<br />

Durchbrechung von Grenzen zwischen den Leistungsanbietern den Vertragsformen<br />

der ‚Integrierten Versorgung’, der ‚Disease Management Programme’ oder anderen<br />

Instituten vorangetrieben wird, da die Idee der übergreifenden Kooperation allen<br />

Ansätzen gemeinsam ist. 603<br />

5.2.1. Aspekte der Theorieentwicklung<br />

5.2.1.1. Begründung der folgenden wissenschaftlichen Vorgehensweise<br />

Ein Vergleich der Entstehungsgründe von vernetzten Strukturen im Gesundheitswesen<br />

zeigt mehr als nur eine Gemeinsamkeit zu den Entwicklungen in anderen Wirtschaftssektoren.<br />

So lassen sich wirtschaftliche, politische und technologische Entstehungsgründe<br />

auch für das Gesundheitswesen entdecken. Dies sind die erschwerten<br />

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Form eines steigenden Leistungsbedarfs,<br />

bei eng begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten, Liberalisierung der staatlichen Regulierung<br />

und Entwicklungen der Medizin- und IUK-Technologie.<br />

Um die Übertragung von für Unternehmensnetzwerke als zweckmäßig erachteten<br />

Controllingkonzeptionen auf Netzwerke des deutschen Gesundheitswesens wissenschaftlich<br />

zu rechtfertigen, sind weitere Überlegungen anzustellen. Es müsste zumindest<br />

plausibel dargelegt werden, dass die vernetzten Strukturen des deutschen<br />

Gesundheitswesens vergleichbare Management- und Rationalitätsdefizite aufweisen<br />

und von den gleichen Managementproblemen belastet werden, wie die im Abschnitt<br />

3.1 allgemein beschriebenen Unternehmensnetzwerke. Wenn dies gelingt, kann auf<br />

die Zweckmäßigkeit eines kennzahlengestützten Controllings in vernetzten Strukturen<br />

des deutschen Gesundheitswesens geschlossen werden. Dazu werden im Folgenden<br />

wesentliche theoretische Erkenntnisse und ausgewählte praktische Vernetzungserfahrungen<br />

aus dem deutschen Sprachraum aufgezeigt und hinsichtlich möglicher<br />

Implikationen für die Rechtfertigung, Konzeption und Implementation von Cont-<br />

603 Vgl. Braun, G.E., Versorgungsstrukturen, 2004, S. 30. Zu den Instituten im Einzelnen vgl. Abschnitt<br />

5.2.2.1.

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