Achsamkeitsbasierte Psychotherapien, Christoph ... - Murg Stiftung
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Die achtsamkeitsbasierten<br />
<strong>Psychotherapien</strong><br />
<strong>Christoph</strong> Fuhrhans<br />
Dezentraler Kurs Littenheid, 06.06.2007
Aufbau 06.06.2007<br />
1. Einführung in das Thema:<br />
1. Gegenwärtige Situation der Psychotherapie<br />
2. Emotionsforschung und emotionszentrierte Therapien<br />
2. Achtsamkeitsbasierte Psychotherapie:<br />
1. Einführung in die Achtsamkeit<br />
2. Drei Beispiele:<br />
1. Die Mindfulness-Based Stress Reduction MBSR<br />
2. Die Acceptance and Commitment Therapy ACT<br />
3. Die Dialektisch-Behaviorale Therapie DBT<br />
2
Kleine Geschichte der Psychotherapie<br />
Modell 1. Generation Modell 2. Generation 3. Generation<br />
Behaviorale Therapie<br />
Eklektische Therapien<br />
Kognitive Therapie<br />
Humanistische Therapien<br />
Integrative Therapien<br />
Psychoanalyse<br />
Objektbeziehungstheorie<br />
Ich-Psychologie<br />
Selbstpsychologie<br />
Systemische Therapie<br />
3
Eklektische und Integrative <strong>Psychotherapien</strong><br />
• Eklektische Therapien tolerieren theoretische Widersprüche<br />
„Select the best treatment“<br />
• Multimodale Verhaltenstherapie Arkowitz<br />
• Cognitive Analytic Therapy CAT Ryle<br />
• Integrative Therapien eliminieren theoretischen Widersprüche<br />
Drei Level der Integration<br />
1. Technisch-methodische Integration entspr. den eklektischen Therapien<br />
2 „Common factor approach“ teilweise Theorie-Integration<br />
• Allgemeine Psychotherapie<br />
3. Theorie-Integration<br />
• Schematherapie<br />
• Achtsamkeitbasierte Therapien<br />
• Emotionsfokussierte Therapie<br />
4
Integrative <strong>Psychotherapien</strong><br />
• Störungsübergreifende Therapien<br />
• Allgemeine Psychotherapie<br />
• Schematherapie<br />
• Emotionsfokussierte Therapie<br />
• Achtsamkeitsbasierte Therapien<br />
• Mindfulness-Based Stress Reduction<br />
• Acceptance and Commitment Therapy<br />
• Störungsspezifische Therapien<br />
• Achtsamkeitsbasierte Therapien<br />
• Mindfulness-Based Cognitive Therapy for Depression<br />
• Dialektisch-Behaviorale Therapie<br />
• ADHS-Gruppentherapie<br />
5
Emotions-Paradigma in den Neurowissenschaften<br />
• Neue Möglichkeiten in der Grundlagenforschung: funktionelle Bildgebung<br />
u. Neuroanatomie (Belohnungszentren, Spiegelneurone)<br />
• Amygdala und emotionale Reagibilität, Impulsivität, Empathie im<br />
Forschungsfokus<br />
• Beispiel „Grundstörung“ der Borderline-PKS:<br />
• Rohde-Dachser 1970 Pansexualität<br />
• Kernberg Identitätsdiffusion, primitive Abwehr<br />
• Linehan, Herpertz: Emotionsregulationsstörung<br />
6
„Wir leben im Zeitalter der Emotionsforschung“<br />
(Ernst Fehr, Wirtschaftswissenschaftler und Neuroökonom Uni Zürich, 2004)<br />
Ernst Fehr<br />
www.iew.unizh.ch/home/fehr<br />
Jakob Tanner<br />
www.fsw.unizh.ch/mitarbeiter<br />
7
Wir leben im Zeitalter der „Emotion“ und der<br />
Emotionalität<br />
8
These:<br />
Wir leben im Zeitalter der emotionsbezogenen Therapien<br />
• Emotionsforschung wie auch emotionsbezogene Therapien sind<br />
Ausdruck des Emotionszeitalters<br />
• Nach der „kognitiven Wende“ jetzt die „emotionale Wende“ in der<br />
Psychotherapie<br />
• Als Reaktion auf …<br />
• Anforderung an (kognitive) Leistungsgesellschaft<br />
• Anforderung an kognitive Verarbeitung der Medien<br />
• Multitasking<br />
• „Fragmentierung“ in der Multioptionsgesellschaft<br />
9
Psychotherapie und Gesellschaft<br />
Emotionalität als<br />
gesellschaftliches Phänomen<br />
Emotionsforschung<br />
Emotionsfokussierte<br />
<strong>Psychotherapien</strong><br />
10
Achtsamkeit und Akzeptanz<br />
in der Psychotherapie<br />
Historische Grundlagen der Achtsamkeit<br />
Achtsamkeit und Akzeptanz als Prinzipien der Emotionsmodulation<br />
1. in störungsübergreifenden Therapien:<br />
1. Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)<br />
2. Acceptance and Commitment Therapy (ACT)<br />
2. in störungsspezifischen Therapien<br />
1. Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)<br />
2. Mindfulness-Based Cognitive Therapy (MBCT)<br />
11
Was ist Achtsamkeit<br />
• gerichtete Aufmerksamkeitslenkung<br />
• auf den gegenwärtigen Moment<br />
• ohne zu werten<br />
-Gegenwart<br />
-Wertungsfreiheit<br />
-Bewusstsein seiner Gedanken und Gefühle<br />
• Entstammt der buddhistischen Meditationspraxis<br />
• Ist eine allgemeine menschliche Fähigkeit, nicht an eine<br />
bestimmte Schule oder Technik gebunden<br />
12
Ist Achtsamkeit eine Form der Konzentration<br />
„Doch so intensiv und befriedigend es auch sein mag, sich in der Konzentration zu<br />
üben, bleibt das Ergebnis doch unvollständig, wenn sie nicht durch die Übung der<br />
Achtsamkeit ergänzt und vertieft wird. Für sich allein ähnelt sie einem Sich-<br />
Zurückziehen aus der Welt. Ihre charakteristische Energie ist eher verschlossen<br />
als offen, eher versunken als zugänglich, eher tranceartig als hellwach. Was<br />
diesem Zustand fehlt, ist die Energie der Neugier, des Wissensdrangs, der<br />
Offenheit, der Aufgeschlossenheit, des Engagements für das gesamte Spektrum<br />
menschlicher Erfahrung. Dies ist die Domäne der Achtsamkeitspraxis …“ (Jon<br />
Kabat-Zinn)<br />
13
Achtsamkeit und Akzeptanz<br />
Achtsamkeit ist eng verbunden mit Akzeptanz:<br />
• Achtsamkeit ist die Bereitschaft, jede aufkommende Regung,<br />
jeden Gedanken und jedes aufkommende Gefühl zuzulassen<br />
(Akzeptanz)<br />
• und jeden Gedanken und jedes Gefühl wieder loszulassen<br />
14
Zwei Arten der Achtsamkeitspraxis<br />
1. Formelles Praktizieren: Meditation im Sitzen und<br />
Gehen<br />
um wirksame Veränderungsprozesse zu erlangen<br />
unabdingbar<br />
v.a. bezüglich Umgang mit Denken und schwierigen<br />
Emotionen<br />
2. Informelles Praktizieren im Alltag: „Abwaschen um<br />
Abzuwaschen“<br />
erhöht Lebensqualität, Sinndimension<br />
15
Die Wurzeln der Achtsamkeit<br />
Buddhismus allgemein<br />
• Die vier edlen Wahrheiten<br />
• Die Rede von den vier Grundlagen der<br />
Achtsamkeit (Satipatthana Sutra)<br />
• Die Rede vom achtsamen Atmen<br />
(Anapanasati Sutra)<br />
Der Beitrag des ZEN<br />
Andere<br />
• Christliche Mystik<br />
• New Age<br />
16
Siddharta Gautama<br />
Geboren an der Grenze zwischen Indien und Nepal im 6. Jh. v. Chr. Als<br />
Sohn einen mächtigen und wohlhabenden Fürsten, wird in Pracht und<br />
Glanz erzogen und wächst geschützt vor jeglicher Berührung mit den<br />
„unangenehmen“ Tatsachen des Lebens auf. Der Anblick von Alter,<br />
Krankheit und Tod wird ihm vorenthalten, er heiratet früh. Als er<br />
mehrfach den Palast verlässt (Geschichte von den vier Ausfahrten),<br />
begegnet er einem alten, gebeugten Mann, dann einem schwer kranken<br />
Mann, dann einem Begräbnis. Bei seiner vierten Ausfahrt begegnet er<br />
einem Mönch mit gelber Robe. Er verlässt mit 29 Jahren Frau und Sohn<br />
und geht den asketischen Weg der Enthaltsamkeit und Meditation,<br />
ernährt sich von einem Reiskorn pro Tag. Nach sechs Jahren erkennt er<br />
die Vergeblichkeit der Askese und geht den „mittleren Weg“. Er setzt<br />
sich unter den Bodhibaum bis zur „Verwirklichung aus sich selbst<br />
heraus“.<br />
17
Die vier edlen Wahrheiten: Buddhas erste Lehrrede<br />
1. Die Wahrheit vom Leiden<br />
Geburt, Alter, Krankheit, Tod, Kummer, Schmerz, Verzweiflung<br />
Frustration, Trennung vom Angenehmen<br />
2. Die Wahrheit von der Ursache des Leidens<br />
Ursache ist das Vermeiden von Unangenehmem und das<br />
Verlangen nach Angenehmem: das „Anhaften“<br />
(Wehmut, Trauer und Verlangen)<br />
3. Die Wahrheit vom Loslassen und vom Aufhören des Leidens<br />
das Loslassen des Angenehmen, die Akzeptanz des<br />
Unangenehmen<br />
4. Die Wahrheit vom Weg der Befreiung<br />
der „achtfache Pfad“<br />
18
Rede von den Grundlagen der Achtsamkeit<br />
Achtsamkeit wird hier an Hand von vier Trainings- oder<br />
Beobachtungsbereichen gelehrt:<br />
1. Achtsamkeit auf den Körper<br />
Körper und Körperhaltungen<br />
2. Achtsamkeit auf Gefühlsfärbungen<br />
(positiv, negativ, neutral – ohne zu werten)<br />
3. Achtsamkeit auf Gedanken und Gefühle<br />
4. Achtsamkeit auf die Subjektivität<br />
Teilhabe am Universalen, Aufhebung der Dualität Subjekt-<br />
Objekte<br />
19
Rede über das volle Bewusstsein beim Atmen<br />
„Beim langen Einatmen weiss man: „ich atme lang ein“. Beim langen<br />
Ausatmen weiss man: „Ich atme lang aus“.<br />
Beim kurzen Einantmen weiss man: „Ich atme kurz ein“. Beim kurzen<br />
Ausatmen weiss man: „Ich atme kurz aus“.<br />
…Achtsam für den ganzen Körper, atme ich ein, atme ich aus<br />
…Achtsam für Gefühlsqualitäten, atme ich ein, atme ich aus<br />
… Achtsam für Gedanken und Gefühle, atme ich ein, atme ich aus<br />
… Achtsam für den Wandel und die Veränderung, atme ich ein, atme ich<br />
aus.“<br />
20
Was ist<br />
ZEN<br />
• Im 5. JH in China entstanden, gelangte nach Japan, Korea, Vietnam<br />
1. Mystische Erfahrung<br />
„was ist ZEN – Zen ist das Herz des Fragenden“<br />
dem „Flow“ vergleichbar, Flow plus Bewusstsein des Flow<br />
(Flow, ein Begriff von M. Csikszentmihalyi, entspricht dem „Take-off“ bei<br />
bestimmten Tätigkeiten – Musikmachen, Sportarten, aber theoretisch jede<br />
Tätigkeit)<br />
2. Absolute Alltagspraxis<br />
„was ist ZEN – Zen ist Nichts“<br />
• Praxis des Zen:<br />
• Sitzmeditation (Zazen)<br />
• Gehmeditation (Kinhin)<br />
• Konzentrierte Tätigkeit (Samu)<br />
• Rezitation<br />
• Arbeit mit dem Koan<br />
21
Exkurs: Die Psychologie des „Flow“<br />
Schritt 1:<br />
Betrachten Sie Ihre Aufgabe wie ein Spiel.<br />
Schritt 2:<br />
Behalten Sie Ihre Absicht im Hinterkopf.<br />
Währen des Spiels denken Sie immer wieder daran, was dahintersteht.<br />
Was ist die Triebkraft<br />
Schritt 3: Konzentration.<br />
Achten Sie bewusst auf Ihre gedanklichen Abläufe. Falls Sie gedanklich abschweifen oder falls sich Unruhe<br />
einschleicht, haben Sie die „Zone“ (ein anderes Wort für „Flow“) wieder verlassen. Konzentrieren Sie sich wieder<br />
auf die vor Ihnen liegende Aufgabe und passen Sie den Schwierigkeitsgrad solange an, bis Sie sich wieder<br />
vollständig hineinbegeben haben.<br />
Schritt 4:<br />
Übergeben Sie sich dem Geschehen<br />
Das ist das wohl größte „Geheimnis“ des gesamten Flow-Ablaufs. In Schritt drei (Konzentration) werden Sie<br />
feststellen, dass Sie einfach Spass an Ihrer Aufgabe haben; unnötige Anstrengungen oder Erzwingenwollen<br />
erübrigen sich. Sie befinden sich in einem gewissen Zustand der „Zeitlosigkeit“.<br />
Schritt 5: Das Hochgefühl.<br />
Dieses Hochgefühl ergibt sich ganz natürlich aus den vier vorhergehenden Schritten. Auf einmal merken Sie, dass<br />
Sie sich in einem Zustand der Ekstase befinden. Es wird Ihnen bewusst. Jetzt befinden Sie sich wirklich im „Flow“.<br />
22
Das Koan<br />
Welches Geräusch macht das Klatschen einer Hand<br />
23
Das Koan<br />
Diese Blume in der Vase: Ist sie tot oder lebendig<br />
24
Was ist ZEN<br />
Ein General, der mit seinen Soldaten zu Pferd unterwegs war, traf auf einen<br />
Zen-Mönch, der in Zazen sass.<br />
Der General rief ihm zu:<br />
"He, du da! Mönch! Geh mir aus dem Weg."<br />
Der Mönch sass regungslos da und schwieg.<br />
"Bist du denn taub Hast du nicht gehört Ich habe dir gesagt, du sollst mir<br />
aus dem Weg gehen."<br />
Aber der Mönch blieb weiterhin unbeweglich und still.<br />
Von seinem Pferd herunter rief der General ihm drohend zu:<br />
"Ich glaube, du weisst nicht, wen du vor dir hast Vor dir ist ein Mensch, der<br />
dich jederzeit töten kann, ohne mit der Wimper zu zucken."<br />
Da schaute der Mönch auf und antwortete:<br />
"Ich glaube, du weisst nicht wen du vor dir hast Vor dir sitzt ein Mensch,<br />
der jederzeit sterben kann, ohne mit der Wimper zu zucken“.<br />
25
Die sieben Faktoren der Achtsamkeit (Kabat-Zinn)<br />
1. Nicht Werten<br />
2. Geduld<br />
3. Anfänger-Geist<br />
4. Vertrauen<br />
5. Nicht Greifen<br />
6. Akzeptanz<br />
7. Loslassen<br />
26
Achtsamkeit in der Psychotherapie<br />
die Wegbereiter<br />
Jon Kabat Zinn<br />
Thich Nhat Hanh<br />
Marsha M. Linehan<br />
27
Mindfulness Based Stress Reduction<br />
-Die Entstehung<br />
MBSR<br />
• Begründet von Jon Kabat-Zinn,<br />
geb. 1944<br />
Molekularbiologe, später<br />
Anatomieprofessor an der UMass<br />
• Chronische Schmerzpatienten<br />
• Eigene Erfahrung mit Achtsamkeit und Yoga<br />
• 1979 Gründung der Stress-Reduction-Clinic<br />
• Entwicklung eines 8-wöchigen Programms<br />
• Weltweite Verbreitung/Vermarktung<br />
• Umfangreiche Forschung<br />
28
Mindfulness Based Stress Reduction MBSR:<br />
Distress-Modell I<br />
neg. Einfluss<br />
pos. Einfluss<br />
29
Mindfulness Based Stress Reduction MBSR<br />
Distress-Modell I<br />
Stressoren<br />
Stressreaktion:<br />
Körper Gedanken/Gefühle Verhalten<br />
Puls, RR Angst hastig und verkrampft arbeiten<br />
Muskelspannung Ärger, Zynismus gereizt gegenüber anderen<br />
Verdauung Enttäuschung fehlende Pausen<br />
Immunkompetenz kogn. Schemata mangelnde Planung<br />
Sexualfunktion<br />
„nebenbei“-Essen<br />
chron. „no fight, no flight“-Reaktion<br />
Permanentes Widerstandsstadium<br />
Burnout<br />
Depression<br />
30
Mindfulness-Based Stress Reduction MBSR<br />
Indikation, Setting, Ziele<br />
Indikation:<br />
• Primäre und Sekundäre (adiuvante) Anwendung bei: somatoformen<br />
Störungen, Angststörungen, psychosomatischen St. (Psoriasis),<br />
modifiziert für Depression (MBCT)<br />
• Burnout, Burnoutprophylaxe bei Risikogruppen<br />
Setting:<br />
• Kurzintervention von 8 Wochen, jeweils 2,5 – 3 h, plus 1<br />
Achtsamkeitstag, als Gruppenprogramm, Störungsübergreifend<br />
Ziele der Achtsamkeit:<br />
• Dem Stress seine Selbstverständlichkeit nehmen<br />
• Bewusstsein für bessere Abgrenzung von Stressoren<br />
• Selbstregulationsfähigkeit erhöhen<br />
• Modifikation durch Akzeptanz<br />
31
Mindfulness Based Stress Reduction MBSR<br />
Methode, Ablauf<br />
Drei wesentliche Elemente:<br />
1. Body-Scan<br />
2. Körperarbeit mit dem Hatha-Yoga<br />
3. Sitz- und Gehmeditation<br />
• Beginn 1. Woche mit Body-Scan (je 45 min.), Hausaufgaben,<br />
CD, ab 3. Woche Yoga-Übungen dazu, ab 4. Woche<br />
Sitzmeditation, jeweils mit Hausaufgaben zur Achtsamkeit im<br />
Alltag, schliesslich Gehmeditation<br />
• Achtsamkeitstag 6-7 h schweigend<br />
32
Wie versteht Kabat-Zinn unter Achtsamkeit<br />
33
Akzeptanz- und Commitment-Therapie ACT<br />
Entstehung<br />
• Steve Hayes,<br />
mit Kelly Wilson, Kirk Strosahl<br />
• Wurzeln: Verhaltenstherapie,<br />
Sprachphilosophie, Spiritualität<br />
• Hauptwerke:<br />
• Hayes 1984: Making Sense of Spirituality<br />
• Hayes et al.1996: Emotional avoidance and behavioral disorders<br />
• Hayes, Strosahl, Wilson 1999: Acceptance and Commitment<br />
Therapy; Therapiemanual, 2004 bei CIP<br />
• Hayes, Follette, Linehan: Mindfulness and Acceptance<br />
34
Akzeptanz- und Commitment-Therapie<br />
Modell<br />
Relational Frame Theory (RFT, Bezugsrahmentheorie):<br />
1. Sprache und Kognition wird nicht direkt operant konditioniert<br />
(Skinner 1957),<br />
2. sondern indirekt relational erlernt<br />
3. das macht Spracherwerb und Kognitionen effizient, aber als Preis<br />
dafür „kurzschluss“-anfällig<br />
4. Störungen entstehen als Folge von Erlebnisvermeidung:<br />
• Vermeidung negativ bewerteter innerer Erlebnisse, wie<br />
• Angst<br />
• Depressivität<br />
• Schmerz<br />
• Erfolgloses Vermeiden erhöht paradoxer Weise fortwährend<br />
die Bedeutung des Vermiedenen<br />
35
Akzeptanz- und Commitment-Therapie ACT<br />
Gegen dominierendes „mechanisches“ Problemlösemodell:<br />
1. Erkenne das Problem<br />
2. Identifiziere seine Ursache<br />
3. Beseitige sie<br />
36
Akzeptanz- und Commitment-Therapie ACT<br />
Ursachen der Störungen<br />
1. Kognitive Fusion<br />
(durch Bezugnehmen und kognitive Transformation, „Schliessen“)<br />
Schafft ein dichtes Netz an imaginierten Pseudo-Fakten<br />
Bsp.: „Herr Müller“ …<br />
Bsp.: „Herzrasen“ …<br />
die zur Grundlage der Erlebnisvermeidung werden<br />
2. Kontext des Bewertens<br />
Innere Ereignisse werden wie äussere bewertet<br />
3. Kontext der Vermeidung<br />
Innere Ereignisse werden wie äussere vermieden<br />
Bsp.: Vermeidung des Gedankens „ich bekomme einen HI“<br />
4. Kontext des Begründens<br />
37
Akzeptanz- und Commitment-Therapie ACT<br />
Die fünf Schritte der Therapie<br />
1. Akzeptanz<br />
2. Kognitive Defusion<br />
3. Achtsamkeit und Beobachter-Selbst<br />
4. Werte formulieren<br />
5. Engagiertes Handeln (Commitment)<br />
Indikation ist im wesentlichen dependente/ vermeidende<br />
Persönlichkeit, Phobien, Depression<br />
Psychotische Patienten (! Bach & Hayes 2002)<br />
38
Akzeptanz- und Commitment-Therapie ACT<br />
Therapiemethode: Akzeptanz fördern<br />
„Ich oder jemand anderes muss etwas tun, damit das Problem<br />
beseitigt wird und es mir besser geht“<br />
1. Bestandsaufnahme und kreative Hoffnungslosigkeit<br />
Patient soll „Kämpfen“, „Handeln“ als vermeidungsorientiert und<br />
zwangsläufig ineffizient erkennen<br />
2. „Kontrolle ist das Problem“<br />
Patient soll erkennen, dass er mit dem „Kämpfen“ Emotionale Kotrolle<br />
und – innere - Erlebnisvermeidung betreibt<br />
3 „Bereitwilligkeit als Alternative“<br />
Metapher vom Ertrinken/Treibsand<br />
ein Ziel trotz Angst oder unangenehmen Gefühlen verfolgen (z.B.<br />
erster<br />
Gang zum Therapeuten)<br />
Tankanzeigen-Metapher<br />
39
Tankanzeige<br />
„Stellen sie sich vor, Sie fahren im Auto und plötzlich leuchtet die<br />
Tankanzeige auf. Sie bekommen einen Schrecken und der gefällt Ihnen<br />
gar nicht. Deshalb beschliesssen Sie, die Tankanzeige zuzukleben,<br />
abzuschalten oder gar kaputt zu machen. Was passiert – Zwei Dinge<br />
können passieren. Entweder Sie fahren munter drauflos und stehen<br />
dann immer wieder mit leerem Tank irgendwo in der Landschaft oder Sie<br />
haben ständig Angst, trocken zu fahren, und fahren alle Nase lang an<br />
eine Tankstelle. Gefühle können eine ähnliche Funktion haben wie<br />
Tankanzeigen. Wenn wir sie vermeiden oder versuchen abzuschalten,<br />
gehen uns wichtige Informationen verloren. Wie die aufleuchtende<br />
Tankanzeige können uns Gefühle helfen, das richtige zu tun. Sie können<br />
das allerdings nur, wenn wir sie haben, nicht wenn wir sie wegmachen“<br />
(nach R. Sonntag, 2004)<br />
Prinzip:<br />
Gefühl A lösst Gefühl B (Schreck) aus, daher wird A vermieden =>Schleife<br />
40
Akzeptanz- und Commitment-Therapie ACT<br />
Kognitive Defusion<br />
• Realität mehr von Kognition als von unmittelbarer<br />
Erfahrung bestimmt<br />
• Angst wird zu realer Gefahr, Trauma-Erinnerung zum<br />
Trauma und Depression zu Wertlosigkeit oder<br />
Verlassensein<br />
• Therapeut gibt „klarifizierende“<br />
Hintergrundkommentare<br />
„das ist jetzt eine Vermutung, … felsenfeste Überzeugung …“<br />
• Kognitive Emotionsphobie enttarnen<br />
„wenn er mich verlässt, werde ich das nicht aushalten“<br />
41
Was versteht Steve Hayes unter Achtsamkeit<br />
This is a bit of silliness from the first ACT / RFT World Conference in Sweden a few years ago. My middle kids, Charlie<br />
and Essie prodded into silliness by their Dad. We are trying to follow Swedish signage. - Steve Hayes<br />
42
Akzeptanz- und Commitment-Therapie ACT<br />
43
Dialektisch-Behaviorale Therapie der BPS DBT<br />
Modell<br />
• Der Borderline-Störung liegt eine Störung in der Emotionsregulation<br />
zu Grunde. Es kommt zu unangenehmen Gefühlen (und Gedanken),<br />
die sich permanent reproduzieren, und zu Spannungszuständen.<br />
Die Symptome der BPS sind dysfunktionale Copingversuche.<br />
• Linehan legt das Biosoziale Modell nach Millon zugrunde:<br />
Vulnerabilität<br />
+<br />
Invalidierendes Umfeld<br />
BPS<br />
Selbstinvalidierung<br />
44
Dialektisch-Behaviorale Therapie<br />
Warum Achtsamkeit bei BPS<br />
DBT<br />
Weil Borderline-Patientinnen<br />
• Die meiste Zeit mit sorgenvollen, kritischen, negativen,<br />
und katastrophisierenden Gedanken zubringen, die<br />
• mit ständigen negativen (Selbst-) Bewertungen<br />
verbunden sind, und<br />
• mit negativen Gefühlen oder undefinierbaren<br />
„Spannungen“ einhergehen, die<br />
• In Selbstverletzungen oder andere dysfunktionale<br />
Verhaltensweisen münden<br />
45
Dialektisch-Behaviorale Therapie der BPS DBT<br />
Konkrete Achtsamkeit in der DBT<br />
Was-Fertigkeiten Wie-Fertigkeiten wise mind<br />
Wahrnehmen konzentriert „Satellitenposition“<br />
Beschreiben<br />
nicht-wertend<br />
Teilnehmen<br />
wirkungsvoll<br />
Als Innere Achtsamkeit<br />
Als 5-Sinne –Achtsamkeit<br />
Als (Radikale) Akzeptanz und Bereitschaft<br />
46
Dialektisch-Behaviorale Therapie DBT<br />
(Radikale) Akzeptanz und Innere Bereitschaft<br />
Unangenehmes Ereignis, quälendes Gefühl – 4 Möglichkeiten<br />
• Ich beseitige oder löse das Problem<br />
• Ich ändere meine Gefühle oder Gedanken darüber<br />
• Ich akzeptiere es<br />
• Ich lasse alles, wie es ist<br />
1. Akzeptanz für Gefühle, Gedanken, (vergangene) Ereignisse<br />
Unterscheide:<br />
• Akzeptanz: Ich kann noch etwas ändern<br />
• (Radikale) Akzeptanz: Ich kann nichts ändern<br />
2. Innere Bereitschaft für Gedanken, Gefühle „egal wie sie sind“<br />
(„das Vermeiden vermeiden“)<br />
47
Dialektisch-Behaviorale Therapie<br />
DBT<br />
Achtsamkeit und Akzeptanz in den verschiedenen Spannungsgraden<br />
1. Innere Achtsamkeit<br />
Achtsamkeit für Gedanken und Gefühle, Wahrnehmen und Beschreiben,<br />
Aufschreiben, Emotionen auf verschiedenen „Kanälen“ beschreiben,<br />
Atemübungen<br />
Spannung ist (relativ) niedrig<br />
2. 5-Sinne-Achtsamkeit<br />
2.a. „angenehme“, aber deutliche Reize: Musikhören, angenehme Gerüche,<br />
angenehme<br />
taktile Reize, Betrachten besonderer Bilder oder Gegenstände, Schmecken<br />
angenehmer Dinge<br />
Spannung ist gestiegen<br />
2.b. „unangenehme“, sehr deutliche Reize: Brausetablette im Mund,<br />
Ammoniak, Finalgonsalbe, Schmerzreize, schrille Geräusche<br />
Spannung ist hoch - Devise „don‘t make it worse“<br />
3. Akzeptanz<br />
sehr hohe Spannung, keine Aktion mehr möglich<br />
48
Dialektisch-Behaviorale Therapie der BPS<br />
Achtsamkeit und Akzeptanz in Abhängigkeit von der Spannungskurve<br />
100<br />
Innere Achtsamkeit Innere Achtsamkeit + Umgang mit Gefühle Stresstoleranz/<br />
Akzeptanz<br />
Zwischenmenschliche Fertigkeiten<br />
5-Sinne Achtsamkeit<br />
49
Dialektisch-Behaviorale Therapie<br />
Vermittlung des Achtsamkeitskonzepts<br />
DBT<br />
1. Gebrauch von Metaphern, Bildern, Geschichten; Video u.ä.<br />
Material, Modelllernen, immer wieder Benennen der<br />
Achtsamkeitselemente<br />
2. „Shaping“, i.e. positive Verstärkung kleiner Fortschritte<br />
3. Generalisierung diurch Hausaufgaben, tägliches Üben der<br />
Achtsamkeit<br />
4. Multimodale Vermittlung: Skillsgruppe, Einzeltherapie,<br />
Bezugspersonenarbeit, Achtsamkeitsgruppe, Mal- und<br />
Gestaltungstherapie, 5-Sinne-Gruppe<br />
50
Dialektisch-Behaviorale Therapie<br />
Dreischritt der Achtsamkeitsvermittlung<br />
DBT<br />
1. Praktiziere selbst Achtsamkeit<br />
2. Praktiziere Achtsamkeit mit Deinem Team<br />
3. Praktiziere Achtsamkeit mit den Patienten<br />
51
Störungsspezifität der Ansätze<br />
Nicht-Bewerten<br />
sehr wichtig<br />
MBSR<br />
Störungs<br />
störungs-<br />
Spezifische<br />
MBCT<br />
DBT<br />
ACT<br />
übergreifende<br />
Mechanismen<br />
Mechanismen<br />
Im Fokus<br />
im Fokus<br />
Nicht-Bewerten<br />
weniger wichtig<br />
nach E. Smith/Bern<br />
52
Zusammenfassung<br />
• Emotionsfokussierte <strong>Psychotherapien</strong> sind im<br />
Kommen<br />
• Achtsamkeit und Akzeptanz stellen produktive<br />
Alternativen zum veränderungsorientierten<br />
Denken und zum Vermeidungserleben dar<br />
• Elemente von Achtsamkeit und Akzeptanz<br />
sind in jedem klinischen Kontext praktizierbar<br />
• „replace pills by skills“<br />
53
Media<br />
MBSR<br />
• www.umassmed.edu/cfm<br />
• www.arbor-verlag.de<br />
• www.institut-fuer-achtsamkeit.de<br />
ACT<br />
• www.acceptanceandcommitmenttherapy.com<br />
• www.olemiss.edu/working/kwilson/kwilson/UniversityWebPage<br />
• www.abainternational.org<br />
• :raisonn@aol.com<br />
DBT<br />
• www.behavioraltech.com<br />
• www.borderline-online.de<br />
• www.borderline.ch<br />
54