Der Haushaltsführungsschaden. Teil 2 â Schadensberechnung - SVR
Der Haushaltsführungsschaden. Teil 2 â Schadensberechnung - SVR
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Verkehrszivilrecht<br />
kol | A U F S ÄT Z E<br />
Versicherungsrecht<br />
Verkehrsstrafrecht<br />
Ordnungswidrigkeiten<br />
Verkehrsverwaltungsrecht<br />
Straßenverkehrsrecht<br />
Z E I T S C H R I F T F Ü R D I E P R A X I S D E S V E R K E H R S J U R I S T E N<br />
In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Anwaltsinstitut e.V.<br />
herausgegeben von Dr. jur. Frank Albrecht, Regierungsdirektor im Bundesverkehrsministerium, Berlin; Hans Buschbell, Rechtsanwalt, Düren/Köln;<br />
Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Dr. Christian Grüneberg, Richter am BGH, Karlsruhe;<br />
Prof. Dr. Christian Huber, Technische Hochschule, Aachen; Ottheinz Kääb, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt<br />
für Verkehrsrecht, München; Prof. Dr. Jürgen-Detlef Kuckein, Richter am BGH, Karlsruhe; Ulf D. Lemor, Rechtsanwalt, Verkehrsopferhilfe,<br />
Bad Honnef; Volker Lempp, Rechtsanwalt, Stuttgart ; Dr.-Ing. Werner Möhler, Aachen; Ass. jur. Joachim Otting, Hünxe/Berlin;<br />
Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Universität Tübingen; Priv. Doz. Dr. Stephan Seidl, Nürnberg/Erlangen.<br />
Schriftleitung: Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Ass. jur. Rüdiger Balke, Koblenz; Prof. Dr. Helmut<br />
Janker, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin; Richter am Amtsgericht Dr. Matthias Quarch, Aachen.<br />
A U F S Ä T Z E<br />
<strong>Der</strong> Haushaltsführungsschaden 1<br />
<strong>Teil</strong> 2 – <strong>Schadensberechnung</strong><br />
Ass. jur. Rüdiger Balke, Koblenz<br />
Nachdem der erste <strong>Teil</strong> des Aufsatzes die Anspruchsgrundlage<br />
und die in Betracht kommenden Anspruchsberechtigten dargestellt<br />
hat, beschäftigt sich dieser zweite <strong>Teil</strong> ausschließlich<br />
mit der Schadenberechnung des Haushaltsführungsschadens.<br />
Auf die entsprechenden Voraussetzungen wird ausführlich<br />
eingegangen.<br />
III. <strong>Schadensberechnung</strong><br />
1. Konkrete <strong>Schadensberechnung</strong><br />
Bei der Einstellung einer Ersatzkraft bilden die tatsächlich entstandenen<br />
Kosten den wesentlichen Ausgangspunkt für die Bestimmung<br />
des nach § 249 Satz 2 BGB zur Schadensbeseitigung<br />
objektiv erforderlichen Geldbetrages. Zu erstatten ist der Bruttolohn.<br />
<strong>Der</strong> zeitliche Umfang der Tätigkeit der Ersatzkraft richtet<br />
sich nach dem Umfang der Tätigkeit der verletzten Person<br />
vor dem Unfall. Es kommt darauf an, welche Arbeitsleistung<br />
die Hausfrau/Hausmann ohne den Unfall tatsächlich erbracht<br />
hätte. 2 Insoweit besteht also ein Gegensatz zu § 844 II BGB, wo<br />
es auf den rechtlich geschuldeten Unterhalt ankommt. Um<br />
den genauen Umfang zu ermitteln, ist daher ausführlich die<br />
haushaltsspezifische Rollenverteilung innerhalb der Familie<br />
zu klären und der auf die einzelnen Familienmitglieder entfallende<br />
Umfang der Haushaltsarbeit festzustellen. Die Mithilfepflicht<br />
von Familienangehörigen kann daher nur insofern<br />
berücksichtigt werden, als diese Hilfe tatsächlich vor dem Unfall<br />
erbracht wurde. 3 Zur Arbeit im Haushalt gehören auch Reparatur-<br />
und Unterhaltungsarbeiten am Haus, Wohnung und<br />
Hausrat sowie Gartenarbeit. 4 Kein Anspruch auf Einstellung<br />
einer Ersatzkraft besteht beispielsweise, wenn der Verletzte keine<br />
Leistungen erbracht hat, etwa wenn verletzungsunabhängige<br />
Putzhilfen oder Kinderbetreuer eingesetzt wurden. 5 Leistet<br />
die Ersatzkraft mehr als die verletzte Person oder war sie sogar<br />
überqualifiziert, sind die Kosten der Ersatzkraft nur anteilig zu<br />
ersetzen. Ist die Ersatzkraft in einem geringeren Umfang als der<br />
Verletzte tätig, können die Kosten der Ersatzkraft auf Bruttolohnbasis<br />
und der nicht durch die Ersatzkraft ausgeglichene<br />
Ausfall fiktiv auf Nettolohnbasis abgerechnet werden. War die<br />
eingestellte Ersatzkraft weniger qualifiziert und somit auch<br />
geringer entlohnt, kann sich ein fiktiver Anspruch auf Haushaltsführungsschaden<br />
dann ergeben, wenn ein vermehrter<br />
Einsatz der Restfamilie erforderlich geworden ist. 6<br />
1 Fortsetzung aus <strong>SVR</strong> 2006, 321.<br />
2 BGH VersR 1974, 1016; OLG Düsseldorf VersR 2004, 120; OLG Oldenburg<br />
VersR 1993,1491; OLG Frankfurt/M. VersR 1982, 981 und DAR 1988, 24; OLG<br />
Stuttgart VersR 1977, 1038.<br />
3 BGH VersR 1974, 1016.<br />
4 BGH VersR 1989, 857.<br />
5 BGH NZV 1990, 21; Pardey, a.a.O., Rdn. 1064, 1066.<br />
6 Vgl. Schulz-Borck/Hofmann, Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und<br />
Müttern im Haushalt, 6. Auflage 2000, S. 20.<br />
S VR 10/2006 | 361
A U F S ÄT Z E | Balke, <strong>Der</strong> Haushaltsführungsschaden<br />
2. Fiktive Schadenberechnung<br />
Wird der Ausfall oder die Behinderung des Verletzten durch<br />
Mehrarbeit der Familienmitglieder, unentgeltliche Hilfeleistungen<br />
Dritter oder überobligatorische Anstrengungen des<br />
Verletzten selbst aufgefangen und somit keine Ersatzkraft eingestellt,<br />
können die Kosten für die Fortführung des Haushalts<br />
normativ berechnet werden. Dies obwohl ein Schaden nicht<br />
entstanden ist. Gleichwohl wird nach dem Prinzip des normativen<br />
Schadenbegriffs eine fiktive Entschädigung zuerkannt.<br />
Erstattungsfähig ist allerdings lediglich der Nettolohn. 7<br />
Die Höhe des Schadens kann nach § 287 ZPO geschätzt werden.<br />
8 Hilfe bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens<br />
gibt das sog. Münchener Modell. 9 Von besonderer Bedeutung<br />
sind in diesem Zusammenhang die in dem Werk von Schulz-<br />
Borck/Hofmann enthaltene Tabelle 1, in der der Arbeitszeitbedarf<br />
in Haushalten bis sechs Personen in Stunden/Woche in<br />
vier Anspruchsstufen dargestellt wird, sowie die Tabelle 8, in<br />
der der Arbeitszeitaufwand im Haushalt in Stunden/Woche<br />
insgesamt und seine Verteilung auf die Haushaltspersonen<br />
absolut und in v. H. wiedergegeben werden. 10 Schließlich ist<br />
unter Umständen die Tabelle 5 heranzuziehen, in der die BAT-<br />
Stundenvergütungssätze aufgeführt sind.<br />
Eine andere Methode zur Berechnung des Schadens ist das<br />
sogenannte Hohenheimer Verfahren, 11 welches den Schadensumfang<br />
aus den Kenndaten des zu bewertenden Haushalts,<br />
den sich aus der Haushaltsarbeit ergebenden Anforderungen<br />
sowie der Auswertung einer Haushaltsdatenbank des Instituts<br />
für Haushalts- und Konsumökonomik der Universität Hohenheim<br />
errechnet. Das Hohenheimer Verfahren wird in der Praxis<br />
jedoch eher selten angewandt.<br />
Die Berechnung des Haushaltsführungsschadens erfolgt in folgender<br />
Reihenfolge: 12<br />
a) Ermittlung des tatsächlichen Arbeitszeitaufwandes des Verletzten<br />
vor dem Schadensereignis<br />
b) Ermittlung des Ausmaßes der Behinderung für die Haushaltstätigkeit<br />
c) Ermittlung des Vergütungsbetrages<br />
a) Ermittlung des tatsächlichen Arbeitszeitaufwandes<br />
Zunächst ist die Zeit zu ermitteln, die objektiv für eine Fortsetzung<br />
der Haushaltsführung im bisherigen Umfang erforderlich<br />
ist. Dabei wird der Arbeitsumfang vor dem Unfall maßgeblich<br />
durch die Anzahl der Familienmitglieder, deren Alter, der<br />
Größe und Ausstattung der Wohnung und dem allgemeinen<br />
Lebenszuschnitt bestimmt. Zur Darlegung und zum Beweis des<br />
Umfangs kann sich die verletzte Person auf die Beweiserleichterung<br />
des § 287 ZPO berufen. 13 Vielfach angebotene Aussagen<br />
von Verwandten, Nachbarn oder Hausärzten helfen in der<br />
Regel für die Bewertung nicht weiter.<br />
Um den zeitlichen Umfang des Ausfalls im Haushalt festlegen<br />
zu können, ist bei teilweiser Beeinträchtigung eigentlich ein<br />
entsprechendes ärztliches Gutachten erforderlich. 14 Unter<br />
Zuhilfenahme ärztlicher oder arbeitsmedizinischer Gutachter<br />
könnten zwei unterschiedliche Ansätze zur Bestimmung des<br />
relevanten Umfangs in Betracht kommen:<br />
Zum einen könnte der befragte Gutachter feststellen, für welche<br />
restliche Zeit der Verletzte trotz seiner Verletzungen noch<br />
im Haushalt tätig sein kann. Um den Umfang zu bestimmen<br />
kann man diese Zeit von der durchschnittlichen insgesamt erforderlichen<br />
Zeit abziehen und kommt so zu dem erstattungsrelevanten<br />
Zeitraum. 15<br />
Zum anderen könnte der Gutachter auch anhand verschiedener<br />
statistischer Tabellen über die zeitliche Aufteilung der<br />
einzelnen Haushaltstätigkeiten bestimmen, welche Tätigkeit<br />
ausgeführt werden konnte bzw. bei welchen dies nicht der Fall<br />
war. Durch die Addition der Ausfalltätigkeiten bzw. der dafür<br />
erforderlichen Zeiten, gelangt man dann zum erstattungsrelevanten<br />
Zeitanteil.<br />
Neben den Unfallverletzungen spielt weiterhin die Länge der<br />
Heilbehandlung eine Rolle sowie ob ein Dauerschaden bereits<br />
eingetreten ist bzw. in Zukunft mit einem solchen zu rechnen<br />
ist. Insofern können sich unterschiedliche konkrete Beeinträchtigungen<br />
für verschiedene Zeiträume ergeben. 16<br />
Die Einzelfallprüfung, das haushaltsanalytische Gutachten,<br />
dem lange Zeit vehement das Wort geredet wurde, gibt aber<br />
nur sehr vordergründig den konkret eingetretenen Haushaltsführungsschaden<br />
wieder. Das haushaltsanalytische Gutachten<br />
kann in aller Regel nicht realistisch konstruieren, wie der<br />
Haushalt vor dem Unfall organisiert war. Es „lebt“ von den<br />
subjektiven Angaben des betroffenen Geschädigten. 17 Auch<br />
die Aussagen sonstiger Zeugen (z.B. Nachbarn, Freunde) sind<br />
mit besonderer Vorsicht zu bewerten. <strong>Der</strong> konkrete Schaden,<br />
die unfallbedingt entfallene Arbeitsleistung, beruht also keineswegs<br />
auf objektiven Feststellungen, was aber den vielen<br />
Seiten umfassenden haushaltsanalytischen Gutachten nicht<br />
sofort anzusehen ist. Diese Gutachten sind zudem teuer und<br />
ihre Erstellung ist langwierig. Es ist in der Praxis daher von der<br />
Erstellung solcher Gutachten abzuraten.<br />
Zur Ermittlung des zeitlichen Arbeitsaufwandes sollte daher<br />
im Regelfall auf die Tabelle 1 bei Schulz-Borck/Hofmann zurückgegriffen<br />
werden. 18 Lassen sich die in der Tabelle enthaltenen<br />
Zeitangaben nicht auf den konkret betroffenen Haushalt<br />
übertragen, ist eine Ermittlung im Einzelfall durchzuführen,<br />
wobei die typische zeitliche Mitarbeit von Familienmitgliedern<br />
zu berücksichtigen ist.<br />
7 BGH VersR 1992, 618; BGH NJW-RR 1990, 34; OLG Düsseldorf VersR 2004,<br />
120; OLG Oldenburg VersR 1993, 1491.<br />
8 OLG Düsseldorf VersR 2000, 63.<br />
9 Siehe Ludwig „Schadenersatz bei verletzungsbedingtem Ausfall der Hausfrau“,<br />
DAR 1991, 401, welches sich auch bei Schulz-Borck/Hofmann, a.a.O.,<br />
wieder findet; Ludolph „Schadensersatz der verletzten Hausfrau/des verletzten<br />
Hausmannes“, SP 2004, 404ff.<br />
10 Zur Abgrenzung von Tabelle 1 zu Tabelle 8 siehe Küppersbusch, a.a.O., Rdn.<br />
193 mit Fn. 349.<br />
11 Siehe dazu Landau in 27. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1989, Seite 207 bis<br />
224; Landau/Imhof-Gildein DAR 1989, 166f.; Landau/Imhof-Gildein, Das<br />
Hohenheimer-ADAC-Verfahren zur arbeitswissenschaftlichen Bewertung<br />
der Haushaltsarbeit, 1988.<br />
12 Vgl. OLG Oldenburg SP 2001, 196.<br />
13 BGH VersR 1992, 618; OLG Oldenburg VersR 1993, 1491.<br />
14 Siehe auch Delank, Deutsches Ärzteblatt 1998, 91.<br />
15 LG Mühlhausen, Urteil vom 31.5.2000 – 3 O 574/99.<br />
16 Schröder in: Ferner, Handbuch Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage 2005, Kapitel<br />
14 Rdn. 17.<br />
17 Dr. med. Ludolph, Haushaltsführungsschaden in der Haftpflichtversicherung<br />
– rechtliche Grundlagen – Anhaltspunkte für die Bewertung aus ärztlicher<br />
Sicht, MedSach 100 (2004), 148f.<br />
18 Küppersbusch, a.a.O., Rdn. 193; beachte auch dort Fn. 349 zur Abgrenzung<br />
von Tabelle 1 zu Tabelle 8 bei Schulz-Borck/Hofmann.<br />
362 | S VR 10/2006
Balke, <strong>Der</strong> Haushaltsführungsschaden | A U F S ÄT Z E<br />
b) Ermittung der konkreten haushaltsspezifischen Behinderung<br />
Bei teilweisem Ausfall im Haushalt muss der Umfang des Schadens<br />
konkret unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls<br />
festgestellt werden. 19 Keinesfalls kann einfach aus dem<br />
Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit, wie er in Arztberichten<br />
und Gutachten angegeben wird, auch auf den Grad der Beeinträchtigung<br />
bei der Haushaltsführung geschlossen werden.<br />
Die abstrakte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), ein Wert<br />
aus dem Sozialversicherungsrecht, hat keine Aussagekraft für<br />
den Umfang des Schadensersatzes. 20 So kann die Beeinträchtigung<br />
im Haushalt durchaus geringer sein als die Beeinträchtigung<br />
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Andererseits ist es<br />
aber auch genauso denkbar, dass im Einzelfall ein geringerer<br />
Grad der Erwerbsminderung vorliegt und der Verletzte dennoch<br />
gänzlich außerstande ist, den Haushalt und sich selbst zu<br />
versorgen. Es spielen insoweit die Einzelheiten der erlittenen<br />
Verletzungen und die daraus resultierenden Behinderungen<br />
gerade im Haushalt die entscheidende Rolle.<br />
Das OLG München führte diesbezüglich in einem Urteil beispielhaft<br />
aus: 21<br />
„Sie ist zwar während der Zeit vom ... 100 % arbeitsunfähig geschrieben<br />
worden, was aber nicht einer völligen Arbeitsunfähigkeit<br />
in ihrer Tätigkeit als Hausfrau gleichzusetzen ist. So ist<br />
sie durch ihre Verletzung (Anm.: Speichenbruch des Handgelenks)<br />
nicht gehindert gewesen, ihren Haushalt zu leiten, ihre<br />
Kinder zu überwachen und diese bei der Fertigung der Schulaufgaben<br />
zu beaufsichtigen. Auch als Rechtshänderin hat sie<br />
verschiedene Arbeiten im Haushalt mit der gesunden linken<br />
Hand ausführen können. <strong>Der</strong> Bruch der rechten Speiche ist keine<br />
besonders schwere Verletzung (...). <strong>Der</strong> Umstand, dass etwa<br />
vier Wochen nach dem Unfall der Gipsverband abgenommen<br />
und durch einen Elastoplastverband ersetzt werden konnte,<br />
lässt darauf schließen, dass sie nach vier Wochen schon mit<br />
beiden Händen leichtere Arbeiten hat ausführen können.“<br />
Ähnlich auch das OLG Köln in einer neueren Entscheidung: 22<br />
„Nach März 97 bestehen jedoch keine Ansprüche des Kl. auf<br />
Ersatz eines Haushaltsführungsschadens. Zu diesem Zeitpunkt<br />
war der Kl. nur noch zu 40 % in der allgemeinen Erwerbsfähigkeit<br />
gemindert. Inwieweit sich das auf seine Arbeitsfähigkeit im<br />
Haushalt überhaupt ausgewirkt haben soll, ist nicht vorgetragen.<br />
Dies wäre jedoch notwendig gewesen, da sich erfahrungsgemäß<br />
selbst bei hochgradigen Bewegungseinschränkungen<br />
(Anm.: der Kläger hatte Arm- und Beinverletzungen erlitten)<br />
die Behinderungen in den Tätigkeitsbereichen Beschaffung/<br />
Einkauf und Putzen im Bereich von allenfalls 10 % – 20 % bewegen.“<br />
Zur Darlegung eines Haushaltsführungsschadens genügt es<br />
materiell nicht, abstrakt auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit<br />
(MdE) hinzuweisen. Insbesondere ist die konkrete Lebenssituation<br />
darzustellen, um gemäß § 287 ZPO ermitteln<br />
zu können, nach welchen wesentlichen Auswirkungen auf<br />
die Hausarbeit sich der Haushaltsführungsschaden berechnen<br />
lässt. 23 Insoweit ist die Meinung des OLG Düsseldorf abzulehnen,<br />
das mangels konkreter Angaben des Klägers einen<br />
Mindestbetrag gemäß § 287 ZPO geschätzt hat. Um den Um-<br />
fang der körperlichen Beeinträchtigung festzustellen, muss der<br />
Geschädigte vortragen und gegebenenfalls beweisen, welche<br />
konkreten Beeinträchtigungen ihn daran hindern, bestimmte<br />
Haushaltstätigkeiten auszuüben und im welchem Umfang die<br />
Arbeiten zuvor von ihm erledigt wurden. 24<br />
Aus der Praxis kam bereits vor ca. 20 Jahren der berechtigte<br />
Wunsch, ähnlich den sog. MdE-Tabellen in der gesetzlichen<br />
Unfallversicherung, die individuellen verletzungsbedingten<br />
Funktionseinbußen zwar konkret auszuweisen, deren Auswirkungen<br />
auf den betroffenen Haushalt jedoch abstrakt zu schätzen,<br />
die unfallbedingt erforderlichen Aufwendungen also zu<br />
abstrahieren. Ziel war es, nicht mehr jeden Haushalt dahingehend<br />
zu untersuchen, welche Stunden verletzungsbedingt erforderlich<br />
wurden, um den durch den Unfall bedingten Ausfall<br />
des Geschädigten zu kompensieren. Für klar umschriebene Unfallfolgen<br />
sollte die konkrete Behinderung in der Haushaltsführung<br />
prozentual zum vor dem Unfall bestehenden Gesamtleistungsvermögen<br />
des Geschädigten benannt werden. Im Jahre<br />
1989 wurde deshalb durch den Deutschen Verkehrsgerichtstag<br />
in Goslar der Entschluss gefasst, die Bewertungstabellen „Reichenbach/Vogel“<br />
überarbeiten zu lassen. Die Novellierung<br />
der Tabellen wurde 1991 veröffentlicht und ist sowohl unter<br />
dem Namen „Reichenbach/Vogel“ als auch das „Münchner<br />
Modell“ bekannt und insoweit auch in das Tabellenwerk von<br />
Schulz-Borck/Hofmann eingearbeitet worden.<br />
Eine Hilfe zur Berechnung der konkreten Behinderung bieten<br />
die von Reichenbach und Vogel entworfenen Tabellen, die als<br />
Tabellen 6 und 6 a bei Schulz-Borck/Hofmann eingearbeitet<br />
sind. 25 Die Berechnung des Haushaltsführungsschadens anhand<br />
des Tabellenwerks von Schulz-Borck/Hofmann ist in der<br />
Rechtsprechung anerkannt. 26<br />
Die Tabellen sind jedoch kritisch unter Berücksichtigung des<br />
konkreten Einzelfalls zu betrachten. Denn bei den Tabellenwerten<br />
handelt es sich um Erfahrungswerte, die die Schadensschätzung<br />
vereinfachen sollen. Die Tabellen stellen auf den<br />
Endzustand einer Verletzung ab, also auf den Dauerschaden.<br />
Sie berücksichtigen nicht den dynamischen Prozess im Rahmen<br />
eines Heilverlaufs. Die in den Tabellen enthaltenen Vorgaben<br />
sind bereits fast 20 Jahre alt und unter den heutigen<br />
Verhältnissen kritisch zu überprüfen. Ausgegangen wurde z. B.<br />
bei der Spalte „Beschaffung/Einkauf“ davon, dass in Selbstbedienungsläden<br />
die Ware teilweise über Schulterhöhe gelagert<br />
ist. Bei der Spalte „Geschirrspülen“ wurde das Fehlen einer Geschirrspülmaschine<br />
berücksichtigt, was unter heutigen Verhältnissen<br />
nicht mehr realistisch ist. Bei der Spalte „Wäscherei,<br />
Reinigung, Pflege, Instandhaltung“ wurde eine Waschma-<br />
19 OLG Rostock ZfS 2003, 233.<br />
20 KG NZV 2005, 92f.; OLG Koblenz VersR 2004, 1011; OLG Hamm VersR 2002,<br />
1430 und NJW-RR 1995, 599; OLG Köln SP 2000, 306 und 336; OLG Frankfurt/M.<br />
VersR 1982, 981; LG Berlin SP 1996, 170; AG Krefeld SP 1996, 44; Pardey<br />
DRiZ 2004, 48, 51; Hillmann III ZfS 1999, 229f.<br />
21 OLG München VersR 1971, 1069.<br />
22 OLG Köln SP 2000, 336f.<br />
23 OLG Koblenz SP 2006, 6f. und VersR 2004, 1011; OLG München, Urt. v.<br />
1.7.2005 – 10 U 2544/05 mit Bespr. von Quarch in <strong>SVR</strong> 2006, 180f.<br />
24 LG Kleve SP 2004, 230.<br />
25 OLG Köln SP 2000, 306f.<br />
26 OLG Rostock ZfS 2003, 233; OLG Oldenburg SP 2001, 196; BGH NJW 1988,<br />
1783; OLG Düsseldorf DAR 1988, 24; OLG Frankfurt/M. VersR 1982, 981.<br />
S VR 10/2006 | 363
A U F S ÄT Z E | Balke, <strong>Der</strong> Haushaltsführungsschaden<br />
schine und eine Schleuder, jedoch kein Wäschetrockner unterstellt,<br />
der heute zumindest in der Mehrzahl der städtischen<br />
Haushalte vorhanden ist. Bei der Spalte „Gartenarbeit“ wurde<br />
von einem Nutzgarten mit Obst- und Gemüsebeeten ausgegangen,<br />
was auch in der Mehrzahl der Fälle heute nicht mehr<br />
zutreffend ist. 27<br />
Sind den Tabellen die im konkreten Fall eingetretenen Verletzungsfolgen<br />
nicht zu entnehmen, dies gilt insbesondere für die<br />
häufig im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen gestellte Diagnose<br />
des „HWS-Schleudertraumas“, „HWS-Syndroms“ bzw.<br />
der „HWS-Distorsion“, sind vergleichbare Beeinträchtigungen<br />
heranzuziehen. Es wird vorgeschlagen, insoweit etwa auf die<br />
Position „Schultergelenk, Bewegungseinschränkung, Arm bis<br />
waagerecht“ 28 oder „Wirbelsäulenverletzung“ 29 abzustellen.<br />
Bei einem leichten „HWS-Syndrom“ kann jedoch zweifelhaft<br />
sein, ob überhaupt ein Haushaltsführungsschaden eingetreten<br />
ist.<br />
Einem Urteil des AG Köln ist diesbezüglich zu entnehmen: 30<br />
„Dem Kläger steht kein Anspruch auf die geltend gemachten<br />
Haushaltshilfekosten zu. Denn bei der Art und dem Umfang<br />
der erlittenen Verletzungen (Anm.: leichtes „HWS-Syndrom“)<br />
war die Einstellung einer Ersatzkraft zur Haushaltsführung<br />
nicht erforderlich. Es mag sein, dass die Klägerin nach dem<br />
ärztlichen Attest ihren Beruf als Verkäuferin ca. 2 Wochen<br />
nicht ausüben konnte. Dies schließt indessen nicht aus, dass<br />
sie nicht in der Lage war, mit zumutbarem Aufwand jedenfalls<br />
die gängigen täglichen Arbeiten leichterer Art in dem kinderlosen<br />
Zweipersonenhaushalt zu erledigen, zumal ihr wegen ihrer<br />
Arbeitsunfähigkeit mehr Zeit zur Verfügung stand, so dass sie<br />
die Hausarbeiten langsamer als sonst erledigen konnte. Schwere<br />
Arbeiten, wie z.B. Fenster putzen, intensives Staubwischen,<br />
hätten bis zum Wegfall der Arbeitsunfähigkeit zurückgestellt<br />
werden können, ohne das der Haushalt dadurch nennenswert<br />
gelitten hätte.“<br />
In die gleiche Richtung geht auch die Argumentation des LG<br />
Hamburg: 31<br />
„Mangels Nachweises einer ernstlichen Verletzung von einigem<br />
Gewicht (Anm.: lediglich Bagatellzerrung im Bereich der<br />
HWS wurde als nachgewiesen anerkannt) liegen die Voraussetzungen<br />
für einen Ersatz weder von Haushaltshilfekosten noch<br />
von Zuzahlungen zu Medikamenten, Hilfsmitteln und Massagen<br />
vor.“<br />
Denn Voraussetzung für einen Haushaltsführungsschaden ist<br />
eine konkrete, spürbare und nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung<br />
der Haushaltsführung, die in der Qualität einem<br />
Erwerbsschaden gleichkommt. Dies dürfte bei einer einfachen<br />
„HWS-Distorsion“, die in aller Regel lediglich zu geringen und<br />
kurzzeitigen Beeinträchtigungen im Schulter-/Nacken-Bereich<br />
führt, zumindest zweifelhaft sein. Weiterhin ist zu berücksichtigen,<br />
dass im Rahmen der Schadensminderungspflicht der<br />
Geschädigte verpflichtet ist, durch vernünftige und zumutbare<br />
Arbeitseinteilung und Organisation des Arbeitsablaufs den<br />
Schaden so gering wie möglich zu halten. Dazu gehört auch,<br />
dass geringfügige und zumutbare Unterstützung des nicht den<br />
Haushalt führenden Partners in Anspruch genommen wird.<br />
Solche kleinen Hilfeleistungen haben noch nicht den Charakter<br />
einer echten, überobligatorischen Mehrarbeit der Familienangehörigen,<br />
die dem Schädiger nach ständiger Rechtsprechung<br />
nicht zugute kommen soll. 32<br />
Erfolgt keine Einigung über das Ausmaß der konkreten Behinderung,<br />
z.B. anhand der Tabellen von Schulz-Borck/Hofmann,<br />
dann ist die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens<br />
bzw. eines arbeitsanalytischen Gutachtens zur Ermittlung<br />
des Umfangs der Haushaltstätigkeit unvermeidbar. Es<br />
muss dabei aber unbedingt darauf geachtet werden, dass der<br />
Gutachter bei seiner Beauftragung darauf hingewiesen wird,<br />
dass er nicht den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu<br />
bestimmen hat, sondern den Grad der konkreten Beeinträchtigung<br />
des Verletzten in seiner Haushaltstätigkeit.<br />
Allgemein kann man davon ausgehen, dass die prozentuale<br />
Beschränkung in der Haushaltsführung in der Regel immer<br />
unterhalb der prozentualen Minderung der Erwerbsfähigkeit<br />
liegen wird. 33<br />
Nach verbreiteter Ansicht in der Rechtsprechung 34 ist bis zu<br />
einer abstrakten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von<br />
20 % von keiner haushaltsspezifischen Behinderung auszugehen.<br />
Dies beruht darauf, dass die Arbeit im Haushalt besser als<br />
die Arbeit in der Berufstätigkeit auf eine Verletzung bzw. auf<br />
verletzungsbedingte Folgen eingestellt und angepasst werden<br />
kann, so dass lediglich die Arbeiten, die man auf keinen Fall<br />
verrichten kann, von anderen oder von Hilfskräften wahrgenommen<br />
werden müssen. 35<br />
Eine andere Meinung 36 siedelt diese Geringfügigkeitsgrenze<br />
erst bei 10 % an. Erst dann ist die Beeinträchtigung so gering,<br />
dass der Geschädigte sie durch angemessene, unschwer mögliche<br />
und die Lebensführung kaum beeinträchtigende Dispositionen<br />
auffangen kann. Die Geringfügigkeit ist bei jeder<br />
Haushaltstätigkeit gesondert zu prüfen. Bei einem Mehrbedarf<br />
von 10 % kann die Beeinträchtigung außerhalb des Ansatzes<br />
bleiben.<br />
Das OLG Celle 37 hält den Erfahrungssatz, dass eine Erwerbsminderung<br />
von 20 % und weniger keine praktischen Auswirkungen<br />
auf die Haushaltsführung hätte, für widerlegbar.<br />
27 Ludolph, MedSach 100 (2004), 148f und SP 2004, 404f.<br />
28 Schröder in: Ferner, Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage 2005, § 14 Rdn. 18;<br />
Bachmeier, Das Mandat in Verkehrszivilsachen, Rdn. 240; siehe auch OLG<br />
Celle SP 2004, 371; LG Kleve SP 2004, 230.<br />
29 LG Heilbronn SP 2002, 347.<br />
30 AG Köln SP 1996, 171.<br />
31 LG Hamburg SP 2001, 164.<br />
32 AG Göttingen SP 2001, 236.<br />
33 Siehe Ludwig DAR 1991, 401f.<br />
34 KG VersR 2005, 237; OLG Hamm SP 2001, 376; OLG Köln SP 2000, 336;<br />
OLG Nürnberg ZfS 1983, 165; OLG München VersR 1971, 1069; LG Aachen<br />
NZV 2003, 137 mit Bespr. Balke PVR 2003, 28f.; LG Itzehoe SP 1997, 248; LG<br />
Kaiserslautern VersR 1979, 633; LG Saarbrücken, Urteil vom 5.8.1999 – 4 O<br />
93/97.<br />
35 LG Itzehoe a.a.O.<br />
36 OLG Rostock ZfS 2003, 233; OLG München ZfS 1994, 48; OLG Oldenburg<br />
VersR 1993, 1491; LG Mühlhausen, Urteil vom 31.5.2000 – 3 O 574/99; OLG<br />
Karlsruhe OLGR 1998, 213f. „Bei einem Behinderungsgrad von unter 10 % ist<br />
regelmäßig von einer derartigen Kompensationsmöglichkeit auszugehen.“<br />
37 OLG Celle ZfS 2005, 434. Angesichts des erheblichen Missverhältnisses zwischen<br />
den geschilderten Beeinträchtigungen in der Haushaltsführung und<br />
der MdE von lediglich 15 % sind jedoch Zweifel an der Plausibilität des vom<br />
Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens angebracht.<br />
36 4 | S VR 10/2006
Balke, <strong>Der</strong> Haushaltsführungsschaden | A U F S ÄT Z E<br />
c) Ermittlung des Vergütungsbetrages<br />
Für die Bezahlung der Ersatzkräfte bieten die ortsüblichen<br />
Stundenlöhne und Gehälter der Tarifverträge Anhaltspunkte.<br />
38 Dabei sind die von ihrer Gesamtanlage meist gegenüber<br />
dem Bundesangestellten-Tarif (BAT) niedrigeren zwischen<br />
den Hausfrauenverbänden und der Gewerkschaft Nahrung-<br />
Genuss-Gaststätten (NGG) für einen Bezirk abgeschlossenen<br />
Lohntarifverträge für Arbeitnehmer in Privathaushalten zugrunde<br />
zu legen.<br />
<strong>Der</strong> BGH führt in einem Urteil 39 insoweit aus:<br />
„Ferner sieht die Revision zutreffend einen Verfahrensfehler<br />
darin, dass das Berufungsgericht bei Ermittlung des Betrages,<br />
der zur Beschaffung von den entgangenen Unterhaltsleistungen<br />
gleichwertigen Diensten erforderlich ist, von dem in seiner<br />
Gesamtanlage gegenüber dem Hessischen Lohntarifvertrag<br />
für Arbeitnehmer in privaten Haushalten erheblich höheren<br />
BAT ausgeht, ohne die örtlichen Gegebenheiten ermittelt zu<br />
haben. Diese Forderung nach Aufklärung der am Wohnsitz der<br />
Geschädigten bestehenden angeblich günstigeren Bedingungen,<br />
zu denen eine Ersatzkraft eingestellt werden kann, steht<br />
nicht im Widerspruch zum Senatsurteil vom 2.5.1972 (VI ZR<br />
80/70), ...“<br />
Die Arbeitsmarktlage ist zu berücksichtigen. 40 Nur wenn im<br />
konkreten Einzelfall nachgewiesen wird, wobei ohne nähere<br />
Begründung nicht auf allgemeine Erfahrungssätze Bezug<br />
genommen werden darf, dass für diese Gehälter am Sitz des<br />
Haushalts des Geschädigten keine Hilfskraft gefunden wird,<br />
kann der Bundesangestellten-Tarif (BAT) bei der Schätzung<br />
nach § 287 ZPO ergänzend herangezogen werden. 41 Denn es<br />
ist nicht ersichtlich, dass die überwiegende Zahl der als Hilfsoder<br />
Ersatzkräfte in Betracht kommenden Berufsgruppen<br />
überhaupt nach BAT bezahlt wird.<br />
Zu ermitteln ist der erforderliche Kostenaufwand für die Beschäftigung<br />
einer gleichwertigen Ersatzkraft. Hierbei ist allerdings<br />
zu berücksichtigen, dass lediglich der Nettolohn zu erstatten<br />
ist. 42<br />
Bei „leichteren“ Verletzungen, wie beispielsweise bei der HWS-<br />
Distorsion, kann auch eine pauschale Berechnung erfolgen,<br />
wobei eine Berechnung auf die Lohnkosten einer Reinigungsfrau<br />
oder Haushaltshilfe abgestellt werden sollte.<br />
Im Jahr 1990 ging das OLG Köln von einem Stundenlohn in<br />
Höhe von 10 DM für eine Haushaltshilfe aus. 43 Die Haushaltsführung<br />
bewertet das LG Zweibrücken 1994 ebenfalls mit 10<br />
DM pro Stunde. 44 Den Nettostundenlohn einer ungelernten<br />
Hilfskraft für den Haushalt schätzt das LG Berlin im Jahre 1995<br />
auf 15 DM. 45 Das AG Hamm gewährte 1997 für eine Wirtschaftsgehilfin<br />
eine Nettovergütung von 10,87 DM pro Stunde.<br />
46 Im gleichen Jahr hat das LG Itzehoe einen Nettostundenlohn<br />
von 12 DM für eine Ersatzkraft zugrunde gelegt. 47 Das<br />
OLG Hamm schätzt den Nettolohn im Jahr 2003 auf 8 €. 48 In<br />
einem früheren Urteil 2002 hatte es ihn auf 18 DM 49 bzw. im<br />
Jahr 1994 auf 12 DM geschätzt. 50 Das OLG Koblenz 51 hat in<br />
einem unveröffentlichten Urteil im Jahr 1999 den Nettostundenlohn<br />
einer Hilfskraft im Haushalt mit 12 DM angesetzt.<br />
Das LG Mühlhausen 52 geht im Jahr 2000 von einem Stundenlohn<br />
in Höhe von 9,97 DM aus. <strong>Der</strong> von der Vorinstanz für den<br />
Bereich Passau angenommene Nettostundenlohn in Höhe von<br />
15 DM wird vom OLG München 1999 nicht beanstandet. 53<br />
Zum gleichen Stundenlohn von 15 DM kommt im Jahr 1998<br />
das OLG Düsseldorf 54 und 1999 auch das LG Saarbrücken. 55<br />
Das OLG Oldenburg 56 schätzt im Jahr 2001 anhand gerichtsbekannter<br />
Erfahrungswerte den Stundenlohn auf 15 DM. Ein<br />
von der Klägerin begehrter Stundensatz von 15 DM ist auch<br />
nach Ansicht des LG Nürnberg-Fürth akzeptabel. 57 Das OLG<br />
Schleswig hält in einem Urteil aus dem Jahr 2002 einen Stundensatz<br />
von 17,50 DM für angemessen. 58 Bei der Bemessung<br />
der Pflegekosten und des Haushaltsführungsschadens einer<br />
Querschnittgelähmten ist nach einem Urteil des LG München<br />
I aus dem Jahr 2005 im Münchner Raum von einem Stundensatz<br />
von 10 € auszugehen. 59 Das AG Magdeburg 60 errechnet<br />
2004 aus einem Bruttostundenlohn von 8,25 € unter pauschalem<br />
Abzug von 30 % Sozialabgaben einen Nettostundenlohn<br />
für eine Zugehfrau in Höhe von 5,77 €. Das LG Heilbronn 61<br />
geht von einem Stundenlohn von 7,50 € aus. Nach einem Urteil<br />
des OLG Celle 62 ist ein Nettobetrag von 8 € angemessen,<br />
was (aufgerundet) der bisherigen Rechtsprechung (Schätzbetrag<br />
von 15 DM je Stunde) entspricht.<br />
Sofern zu ortsüblichen Stundenlöhnen oder Gehältern der<br />
Tarifverträge vor Ort keine Ersatzkraft gefunden wird, kann<br />
nach der Rechtsprechung des BGH für die Ermittlung des Ersatzbetrages<br />
der Bundesangestelltentarif (BAT) herangezogen<br />
werden. 63 Je nach Qualifikation stehen die Vergütungsgruppen<br />
X-Vc zur Verfügung. Die Vergütungsgruppen finden sich<br />
in der Tabelle 3 bei Schulz-Borck/Hofmann.<br />
Für einfache und mittlere Haushalte ohne Kinder sollten die<br />
BAT X, IXb, IXa herangezogen werden, für einfache und mittlere<br />
Haushalte mit Kindern die Gruppe VIII und für mittlere<br />
und gehobene Haushalte die Gruppen VII, VIb, VIa und Vc.<br />
38 Bachmeier, a.a.O., Rdn. 242, 244; Böhme/Biela, a.a.O., D III, D193; Pardey,<br />
a.a.O., Rdn. 1174.<br />
39 BGH VersR 1982, 951.<br />
40 BGH VersR 2001, 76.<br />
41 Böhme/Biela, a.a.O.,D III, Rdn. D 193.; BGH VersR 1982, 951.<br />
42 BGH NJW-RR 1990, 34.<br />
43 OLG Köln VersR 1992, 112.<br />
44 LG Zweibrücken VersR 1994, 819.<br />
45 LG Berlin SP 1996, 170.<br />
46 AG Hamm SP 1997, 466.<br />
47 LG Itzehoe SP 1997, 248.<br />
48 OLG Hamm NZV 2004, 631.<br />
49 OLG Hamm VersR 2002, 1430.<br />
50 OLG Hamm NJW-RR 1995, 599.<br />
51 OLG Koblenz, Urteil vom 21.6.1999 – 12 U 565/98.<br />
52 LG Mühlhausen, Urteil vom 31.5.2000 – 3 O 574/99.<br />
53 OLG München DAR 1999, 407.<br />
54 OLG Düsseldorf VersR 2000, 63.<br />
55 LG Saarbrücken, Urteil vom 5.8.1999 – 4 O 93/97.<br />
56 OLG Oldenburg SP 2001, 196.<br />
57 LG Nürnberg-Fürth SP 1998, 354.<br />
58 OLG Schleswig, Urt. v. 11.7.2002 – 11 U 47/01 in: Die Gemeinde SH 2004,<br />
155f.<br />
59 LG München I SP 2005, 52.<br />
60 AG Magdeburg SP 2004, 408.<br />
61 LG Heilbronn SP 2002, 347.<br />
62 OLG Celle SP 2004, 371.<br />
63 BGH NJW 1983, 1425.<br />
S VR 10/2006 | 365
A U F S ÄT Z E | Balke, <strong>Der</strong> Haushaltsführungsschaden<br />
d) Dauernder oder zeitweiser Ausfall in der Haushaltsführung<br />
Zu einem dauernden und völligen Ausfall des Haushaltsführenden<br />
wird es nur in den seltensten Fällen kommen. Zu denken<br />
wäre insoweit lediglich an die Fälle schwerer Hirnverletzungen<br />
oder Querschnittlähmungen ab dem Halswirbel.<br />
In allen anderen Fällen eines zeitweiligen Ausfalls ist zu beachten,<br />
dass sich im Verlauf der Genesung des Geschädigten<br />
unterschiedliche Beeinträchtigungen ergeben können. Es ist<br />
daher eine Differenzierung nach unterschiedlichen Zeitabschnitten<br />
erforderlich.<br />
3. Schadenminderungspflicht<br />
Im Rahmen der sich aus § 254 BGB ergebenden Schadenminderungspflicht<br />
ist die verletzte Person verpflichtet, sich aller<br />
Hilfsmittel der modernen Technik zu bedienen und gegebenenfalls<br />
durch organisatorische Maßnahmen die Arbeit im<br />
Haushalt umzuverteilen und auf diese Weise den verbleibenden<br />
Rest der Behinderung aufzufangen. 64<br />
Das Kammergericht 65 führt dazu in einem Urteil aus:<br />
„Dem Kläger ist im Rahmen des § 254 BGB zuzumuten, seinen<br />
Haushalt so umzuorganisieren, dass er diejenigen Tätigkeiten<br />
übernimmt, zu denen er trotz der bei dem Unfall erlittenen<br />
Verletzungen in der Lage ist. Dabei geht es nicht darum, dass<br />
die Ehefrau des Klägers als Folge des streitgegenständlichen<br />
Verkehrsunfalls und der dabei vom Kläger erlittenen Verletzungen<br />
in stärkerem Umfang im Haushalt mitarbeiten soll<br />
und die Beklagten so entlasten würde. Vielmehr geht es um<br />
eine Umverteilung der im Haushalt anfallenden Arbeit, bei der<br />
am Ende weder der Kläger noch seine Ehefrau mehr arbeiten<br />
müssen als vor dem Unfall.“<br />
Während der Berufstätige während seiner Arbeitszeit ununterbrochen<br />
im Arbeitsprozess eingebunden und einer permanenten<br />
Dauerbelastung ausgesetzt ist, kann die den Haushalt führende<br />
Person sich ihre Arbeit im Wesentlichen ohne äußere<br />
Einflüsse, insbesondere ohne Leistungszwang, nach eigenem<br />
Belieben einteilen und die notwendigen Ruhepausen nach<br />
ihren individuellen Bedürfnissen selbst bestimmen. In dieser<br />
Weise lassen sich manche geringfügige Verletzungsfolgen, die<br />
sich unter anderen Umständen anders ausgewirkt hätten, bereits<br />
durch eine vom bisherigen Verlauf abweichende zeitliche<br />
Verteilung mit dem Ergebnis ausgleichen, dass die verletzte<br />
Person trotz ihrer Behinderung „unter dem Strich“, wenn auch<br />
unter Einsatz von etwas mehr Zeit, die ihr obliegende Haushaltsführung<br />
voll erfüllen kann.<br />
War die verletzte Person zudem berufstätig, so muss man berücksichtigen,<br />
dass sie ihre knapp bemessene Zeit bislang zwischen<br />
Haushalt und Beruf verteilen musste, so dass ihr für die<br />
Bewältigung des Haushalts häufig nur einige wenige Abendstunden<br />
zur Verfügung standen. Ist sie aber krankgeschrieben<br />
und damit von ihrer Berufstätigkeit zeitweise freigestellt, kann<br />
sie die gesamte Zeit im Haushalt einsetzen und nach eigenem<br />
Belieben so verteilen, dass ohne körperliche Überanstrengung<br />
die Führung des Haushalts besser erfüllt werden kann. 66<br />
4. Mitverschulden<br />
Trifft den Haushaltsführenden bei der Schadensentstehung<br />
ein Mitverschulden, so ist dieses zu berücksichtigen. Bei der errechneten<br />
Endsumme des Haushaltsführungsschadens ist ein<br />
dem Mithaftungsanteil entsprechender anteilsmäßiger Abzug<br />
vorzunehmen. 67<br />
5. Dauer des Erstattungsanspruchs<br />
In erster Linie richtet sich die Dauer des Anspruchs auf Erstattung<br />
des Haushaltsführungsschadens nach der Dauer der festgestellten<br />
haushaltsspezifischen Minderung der Erwerbsfähigkeit.<br />
Sofern eine haushaltsspezifische Dauer-MdE besteht, ist zu berücksichtigen,<br />
dass erfahrungsgemäß mit zunehmendem Alter<br />
die Fähigkeit, einen Haushalt zu führen, nachlässt. 68 Zum<br />
einen wird man mit zunehmendem Alter von einer gewissen<br />
Reduzierung der Tätigkeit als solcher (z.B. altersbedingte Aufgabe<br />
eines arbeitsintensiven Nutzgartens) ausgehen können.<br />
Zum anderen stellt sich die Frage, ob aus Altersgründen nicht<br />
auch unfallunabhängig eine Hilfe im Haushalt erforderlich geworden<br />
wäre. Wann diese altersbedingte Grenze erreicht ist,<br />
hängt von den individuellen Parametern des Geschädigten ab.<br />
Es kann nicht als zum gewöhnlichen Lauf der Dinge gehörend<br />
angesehen werden, dass hochbetagte Geschädigte ab einem<br />
bestimmten Alter ihren eigenen Haushalt aufgeben und sich<br />
z.B. zwangsläufig in eine Heimbetreuung begeben müssen. 69<br />
Mit gewissen Einschränkungen in der Führung des eigenen<br />
Haushalts wird man ab Vollendung des 68. Lebensjahres aber<br />
rechnen können. 70 Das LG Essen 71 geht davon aus, dass die<br />
Mithilfepflicht eines Ehemanns im Familienhaushalt mit dem<br />
70. Lebensjahr endet.<br />
Das OLG Zweibrücken 72 führt zu dieser Problematik aus:<br />
„Bei Festlegung der Rentendauer ist von dem Alter und der Lebenserwartung<br />
der Getöteten auszugehen und zu beachten,<br />
dass die Leistungsfähigkeit eines Menschen im Alter gemindert<br />
ist.<br />
Die allgemeine Erfahrung zeigt, dass Frauen im allgemeinen<br />
den Haushalt bis zum Alter von 75 Jahren selbst versorgen. Ab<br />
diesem Zeitpunkt stehen dem Kläger wegen der dann normalerweise<br />
eintretenden altersbedingten Leistungsminderung<br />
und des damit verbundenen Wegfalls der Verpflichtung zur<br />
Haushaltsführung jedenfalls ... nicht mehr zu.“<br />
Ab Vollendung des 75. Lebensjahres wird man annehmen<br />
können, dass die altersbedingten Beeinträchtigungen die un-<br />
64 OLG Köln SP 2000, 336; OLG Hamm NZV 2002, 570; AG Köln SP 1996, 171;<br />
AG Göttingen SP 2001, 236.<br />
65 KG VersR 2005, 237; siehe auch Pardey, a.a.O. Rdn. 1070f.<br />
66 Siehe auch OLG Saarbrücken, Beschluss v. 1.8.2005 – 4 W 191-05-33; AG Köln<br />
SP 1996, 171<br />
67 Fleischmann/Hillmann, a.a.O.; Rdn. 327.<br />
68 Küppersbusch, a.a.O., Rdn. 209.<br />
69 OLG Hamm MDR 1998, 902.<br />
70 BGH VersR 1974, 1016.<br />
71 LG Essen VersR 1977, 674.<br />
72 OLG Zweibrücken VersR 1978, 356.<br />
366 | S VR 10/2006
Balke, <strong>Der</strong> Haushaltsführungsschaden | A U F S ÄT Z E<br />
fallbedingten überwiegen. 73 Ab diesem Alter können schwere<br />
körperliche Arbeiten in der Regel ebenso nicht mehr ausgeführt<br />
werden wie gefährliche Arbeiten auf Leitern und Gerüsten.<br />
Es ist daher besondere Skepsis geboten, wenn vorgetragen<br />
wird, dass 80-jährige oder 85-jährige Geschädigte vor dem Unfall<br />
noch Getränkekisten transportiert oder in regelmäßigen<br />
Abständen Gardinenvorhänge mit Leitern aufgehängt hätten.<br />
Vielfach erfolgt die Aufrechterhaltung eines eigenen Haushalts<br />
in diesem Lebensalter, trotz stark reduzierter geistiger und körperlicher<br />
Leistungsfähigkeit, allein aufgrund der Auflösung familiärer<br />
Strukturen oder aus finanziellen Gründen.<br />
Entsprechend wird in der Rechtsprechung üblicherweise die<br />
Dauer der Rentenzahlung (gemäß § 843 I BGB) zum Ausgleich<br />
eines Haushaltsführungsschadens auf die Vollendung des<br />
75. Lebensjahres begrenzt. 74 Anderer Meinung war in einem<br />
Urteil aus dem Jahr 1982 das KG, 75 dass der auf Dauer in der<br />
Haushaltsführung beeinträchtigten Klägerin eine Rente auf<br />
Lebenszeit zusprach. Eine ähnliche Ansicht vertritt auch das<br />
OLG Rostock, dass dem Kläger ein Feststellungsinteresse gemäß<br />
§ 256 I ZPO zuspricht, dass die Beklagten dem Kläger einen<br />
Haushaltsführungsschaden auch über das 75. Lebensjahr<br />
hinaus zu ersetzen haben. 76 Allerdings weist es auch darauf<br />
hin, dass es ab dem 75. Lebensjahr durchaus möglich ist, dass<br />
altersbedingt ein Mehrbedarf eintritt.<br />
<strong>Der</strong> Schädiger braucht sich aber nicht darauf verweisen zu lassen,<br />
dass er im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO<br />
die Korrektur einer solche Veränderungen im Alter nicht berücksichtigenden<br />
Verurteilung herbeiführen könne. 77 Das Gericht<br />
hat schon zum Zeitpunkt der Entscheidung voraussehbare<br />
Veränderungen zu berücksichtigen.<br />
Es obliegt dem Geschädigten nachzuweisen, dass er ohne den<br />
Unfall den Haushalt auch über das 75. Lebensjahr hinaus geführt<br />
hätte. 78 Von einer schematischen Anwendung der bekannten<br />
Tabellenwerke sollte man daher bei hochbetagten<br />
Geschädigten Abstand nehmen und im Einzelfall ein ärztliches<br />
Gutachten über die noch vorhandene Mobilität vor dem<br />
Unfallereignis einholen.<br />
Die Beurteilung der Frage, ob der Geschädigte, der wegen der<br />
Folgen eines Unfalls seinen eigenen Haushalt aufgegeben und<br />
sich in eine Heimbetreuung begeben hat, auch ohne den Unfall<br />
wegen Altersabbau in ein Heim hätte begeben müssen, setzt<br />
ärztliches Fachwissen voraus. <strong>Der</strong> „Eindruck“ den der Richter<br />
von dem Geschädigten in der mündlichen Verhandlung gewinnt,<br />
ist hierfür keine ausreichende Beurteilungsgrundlage.<br />
<strong>Der</strong> Nachteil der Unaufklärbarkeit dieser Frage trifft allerdings<br />
den Schädiger. 79<br />
6. Vorteilsausgleich<br />
Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz des Schadensersatzrechts,<br />
dass sich ein Geschädigter unter bestimmten<br />
Umständen Leistungen anderer auf seinen Schadensersatzanspruch<br />
anrechnen lassen muss. Diese Vorteilsausgleichung ist<br />
einerseits abhängig davon, dass zwischen dem schädigenden<br />
Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang<br />
besteht und andererseits, dass die Anrechnung nur insoweit erfolgen<br />
darf, als der Vorteil einer Schadensposition entspricht.<br />
Nach diesem Grundsatz ist eine Erwerbsminderungsrente<br />
(früher: Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente) in vollem<br />
Umfang anzurechnen. Denn die Haushaltstätigkeit, soweit<br />
sie für den Familienunterhalt erbracht wird, gilt als Erwerbstätigkeit.<br />
Die Erwerbsunfähigkeitsrente (ab 1.1.2001: Erwerbsminderungsrente)<br />
umfasst damit auch diesen häuslichen Bereich.<br />
80<br />
Das Krankengeld dient dem Ausgleich der Behinderung, die<br />
Arbeitskraft als Erwerbsquelle nutzen zu können. Da das Krankengeld<br />
zum Ersatz für die Versorgung der Familienangehörigen<br />
dient, geht der Anspruch auf die Krankenkasse über. 81 Es<br />
ist daher anzurechnen.<br />
Verletztengeld bzw. Verletztenrente sind Leistungen eines<br />
Unfallversicherungsträgers, die zum Ausgleich des eingetretenen<br />
Erwerbsschadens bestimmt sind. 82 Die Verletztenrente<br />
nach §§ 56 ff. SGB VII (bis 31.12.1996: §§ 570 ff. RVO) stellt<br />
eine laufende Pauschale als Entschädigung für Erwerbseinbußen<br />
dar; sie dient dem abstrakt berechneten Erwerbsschaden,<br />
ohne dass insoweit zwischen dem Verdienstausfall für<br />
außerhäusliche Berufstätigkeit und dem Ausfall in der unterhaltsrechtlich<br />
erbrachten Haushaltsführung unterschieden<br />
wird. 83 Demnach ist die Verletztenrente auf den Anspruch<br />
auf Erstattung von Haushaltsführungsschäden anzurechnen.<br />
84<br />
73 Jaeger VersR 2006, 597, 600 ist der Ansicht, dass sich aufgrund der gestiegenen<br />
Lebenserwartung, insbesondere bei Frauen, und der verbesserten Gesundheitsvorsorge<br />
im Bereich der Mobilität und durch technische Hilfsmittel<br />
diese Grenze fortwährend nach oben verschiebt und heute mit 80 Jahren<br />
anzusetzen ist.<br />
74 BGH a.a.O.; OLG Celle ZfS 1983, 291; OLG Hamm NJW-RR 1995, 559; OLG<br />
Frankfurt/M. VersR 1982, 981f.; Nagel VersR 1990, 138f..<br />
75 KG VersR 1982, 978; siehe auch OLG Köln VersR 1988, 61 zur Pflegebedürftigkeit.<br />
76 OLG Rostock ZfS 2003, 233; so auch Pardey/Schulz-Borck DAR 2002, 289,<br />
296 und Pardey DRiZ 2004, 48, 52 bei gleichzeitiger zeitlicher Begrenzung<br />
des Rentenausspruchs;. a.A. OLG Oldenburg VersR 1986, 1220.<br />
77 BGH VersR 1990, 907.<br />
78 Euler, a.a.O., Rz. 23 (Seite 646f.); Küppersbusch, a.a.O., Rdn. 210.<br />
79 BGH r + s 1995, 181.<br />
80 BGH NJW 1985, 735 – Verletztenrente der BG –; OLG Nürnberg OLGR 2000,<br />
288 – Erwerbsunfähigkeitsrente –; OLG Düsseldorf VersR 2000, 63.<br />
81 OLG Hamm r + s 2001, 506; LG Saarbrücken DAR 1994, 455; Geigel, a.a.O., 4.<br />
Kapitel, Rdn. 141.<br />
82 BGH VersR 2004, 1147 und VersR 2003, 390; OLG Nürnberg VersR 2004,<br />
1290.<br />
83 BGH VersR 1982, 291; BGH r + s 1988, 72 – Betreuungsunterhalt –; BGH NJW<br />
1974, 41 und BGH NJW 1985, 735 (Kongruenz kann mit EU-, BU- und Verletztenrente<br />
bestehen).<br />
84 BGH NJW 1985, 735; kritisch dazu Pardey, a.a.O., Rdn. 1209.<br />
S VR 10/2006 | 367