Motorische, kognitive und sozial-emotionale Entwicklung von 11 ...
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6 Laucht, M. et al.: Risikokinder<br />
Summary: Motor, cognitive and social-emotional development of <strong>11</strong>-year-olds born with early risks: late consequences<br />
Objectives: The investigation of the impact of early childhood risk factors on developmental outcome at the<br />
age of <strong>11</strong> years.<br />
Methods: The onset and course of developmental and behavioral disturbances were examined in a prospective<br />
longitudinal study of a sample of 362 children born with different risks. Organic (obstetric complications)<br />
and psychosocial risks (family adversity) were varied in a two-factorial design. Measures of motor, cognitive<br />
and social-emotional outcome were obtained from 341 children aged <strong>11</strong> years (168 boys, 173 girls, corresponding<br />
to 94.2% of the initial sample). Previous assessments had been conducted at the ages of 3 months, and again<br />
at the ages of 2, 41⁄2 and 8 years.<br />
Results: The negative impact of early risk factors persisted into late childhood. Rates of developmental and<br />
behavioral disturbances in high-risk children were up to three times higher than in non-risk children. Both organic<br />
and psychosocial risks contributed to adverse outcomes. While organic complications were related to disturbances<br />
in motor and cognitive development, the detrimental effects of psychosocial adversity pertained to socialemotional<br />
functioning. Late sequelae of pre- and perinatal complications were fo<strong>und</strong> especially in cognitive<br />
outcome and school performance. The cumulative effect of early risks was best explained by summing up the<br />
single risk effects.<br />
Conclusions: Early risk factors have specific and long-term sequelae resulting in adverse school outcomes at<br />
later ages.<br />
Key words: Obstetric complications, family adversity, developmental disorder, behavior disorder, risk factor<br />
1. Einleitung<br />
Die Lebenssituation <strong>von</strong> Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen unterliegt<br />
gegenwärtig einem tiefgreifenden Wandel. Innerhalb<br />
einer Generation haben sich die Herausforderungen <strong>und</strong><br />
Chancen, aber auch die Gefahren für die <strong>Entwicklung</strong><br />
junger Menschen vervielfacht. Während die materiellen<br />
<strong>und</strong> ökonomischen Lebensgr<strong>und</strong>lagen vieler Familien<br />
dank medizinischem <strong>und</strong> technischem Fortschritt heute<br />
weitgehend gesichert sind, haben die psycho<strong>sozial</strong>en Belastungen,<br />
denen Kinder <strong>und</strong> Familien in der modernen<br />
Gesellschaft ausgesetzt sind, deutlich zugenommen.<br />
Kennzeichen dieser <strong>Entwicklung</strong> haben die Experten des<br />
10. Kinder- <strong>und</strong> Jugendberichts an die B<strong>und</strong>esregierung<br />
(1998) ausführlich beschrieben, so die steigende Zahl <strong>von</strong><br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, die in <strong>sozial</strong> benachteiligten<br />
Familien aufwachsen, die Auflösung familiärer Strukturen<br />
<strong>und</strong> Bindungen, in ihrer erzieherischen Verantwortung<br />
verunsicherte <strong>und</strong> überforderte Eltern, zunehmende Leistungsansprüche<br />
an Kinder <strong>und</strong> die wachsende Gewaltbereitschaft<br />
sowohl unter Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen als auch<br />
innerhalb <strong>von</strong> Familien.<br />
In einer Zeit, in der sich die Lebenssituation vieler Kinder<br />
in bedrohlicher Weise verändert, kommt Programmen,<br />
die auf die Vorbeugung, Früherkennung <strong>und</strong> frühzeitige<br />
Behandlung psychischer Probleme <strong>und</strong> Gefährdungen<br />
<strong>von</strong> Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen ausgerichtet sind, eine<br />
wichtige ges<strong>und</strong>heitspolitische Funktion zu. Entscheidende<br />
Impulse erhält die Planung präventiver <strong>und</strong> frühinterventiver<br />
Maßnahmen <strong>von</strong> den Erkenntnissen der modernen<br />
Risikoforschung. Diese beschäftigt sich mit der<br />
Frage, ob <strong>und</strong> wie belastende Lebensumstände <strong>und</strong> -erfahrungen<br />
die <strong>Entwicklung</strong> <strong>von</strong> Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
langfristig beeinträchtigen können. Dabei verfolgt sie das<br />
Ziel, Gruppen <strong>von</strong> Kindern zu identifizieren, deren <strong>Entwicklung</strong><br />
gefährdet ist (Risikokinder), <strong>und</strong> Lebensbedingungen<br />
zu ermitteln, die mit einer Gefährdung der kindlichen<br />
<strong>Entwicklung</strong> einhergehen (Risikofaktoren). Letztere<br />
werden als Bedingungen definiert, welche die Wahrscheinlichkeit<br />
des Auftretens einer <strong>Entwicklung</strong>sstörung<br />
erhöhen (Garmazy, 1983). Da Risikofaktoren lediglich<br />
Wahrscheinlichkeitsbeziehungen in Gruppen <strong>von</strong> Personen<br />
abbilden, ist ein beobachteter Zusammenhang nicht<br />
ohne weiteres als kausal zu interpretieren <strong>und</strong> muss auch<br />
für den Einzelfall nicht zutreffen.<br />
In den letzten Jahren wurden zahlreiche Faktoren ermittelt,<br />
die an der Entstehung <strong>und</strong> Aufrechterhaltung <strong>von</strong><br />
<strong>Entwicklung</strong>s- <strong>und</strong> Verhaltensstörungen bei Kindern <strong>und</strong><br />
Jugendlichen beteiligt sind. Grob in zwei Gruppen unterteilt<br />
(Pellegrini, 1990), lassen sie sich kennzeichnen als:<br />
1) Risikofaktoren, die sich auf biologische <strong>und</strong> psychologische<br />
Merkmale des Individuums beziehen (auch als Vulnerabilität<br />
bezeichnet) wie z.B. genetische Dispositionen,<br />
geringes Geburtsgewicht oder schwieriges Temperament;<br />
Z. Kinder-Jugendpsychiatr. 30 (1), 2002, © Verlag Hans Huber, Bern