Motorische, kognitive und sozial-emotionale Entwicklung von 11 ...
Motorische, kognitive und sozial-emotionale Entwicklung von 11 ...
Motorische, kognitive und sozial-emotionale Entwicklung von 11 ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Laucht, M. et al.: Risikokinder 17<br />
wicklung aufwiesen. Neben frühen Belastungen hängt die<br />
Prognose <strong>von</strong> Risikokindern offensichtlich <strong>von</strong> einer<br />
Reihe weiterer Faktoren ab, die an der Vermittlung <strong>von</strong><br />
Risikoeffekten maßgeblich beteiligt sind <strong>und</strong> damit entscheidenden<br />
Einfluss darauf nehmen, wie sich der <strong>Entwicklung</strong>sweg<br />
eines Risikokindes gestaltet. Unter den<br />
Prädiktoren für die differenzielle <strong>Entwicklung</strong> <strong>von</strong> Risikokindern<br />
kommt nach unseren Ergebnissen der frühen<br />
Mutter-Kind-Beziehung eine wesentliche Rolle zu: die<br />
Qualität des Zusammenspiels <strong>von</strong> mütterlichem <strong>und</strong> kindlichem<br />
Verhalten in der frühen Interaktion trägt entscheidend<br />
dazu bei, die Auswirkungen <strong>von</strong> Risikofaktoren zu<br />
vermitteln, zu modifizieren <strong>und</strong> zu moderieren. So ließ<br />
sich am Beispiel der sehr kleinen Frühgeborenen (Laucht<br />
et al., 2001) <strong>und</strong> der Kinder postpartal depressiver Mütter<br />
(Laucht et al., in Druck) zeigen, dass eine Reihe <strong>von</strong><br />
Merkmalen der frühen Interaktion mit einer günstigen<br />
<strong>Entwicklung</strong> dieser Kinder im Schulalter einhergehen.<br />
Dazu zählten insbesondere Merkmale, die wie eine hohe<br />
mütterliche Responsivität <strong>und</strong> Sensitivität oder ein intensiver<br />
Blickkontakt des Kindes im Zusammenhang mit<br />
einer positiven Bindungsentwicklung stehen.<br />
Aus den hier vorgelegten Ergebnissen zur langfristigen<br />
<strong>Entwicklung</strong> <strong>von</strong> Risikokindern lassen sich Perspektiven<br />
für die Praxis vorbeugender <strong>und</strong> frühzeitiger Interventionen<br />
ableiten. Die Ziele einer effektiven Prävention <strong>von</strong><br />
<strong>Entwicklung</strong>sstörungen richten sich sowohl darauf, <strong>Entwicklung</strong>srisiken<br />
auszuschalten oder in ihren Wirkungen<br />
abzumildern (durch Maßnahmen im Vorfeld oder in einem<br />
frühen Stadium), als auch darauf, die ges<strong>und</strong>en Seiten<br />
<strong>von</strong> Eltern <strong>und</strong> Kindern zu stützen <strong>und</strong> Lebenskompetenzen<br />
zu fördern, die gefährdete Kinder <strong>und</strong> Familien<br />
dazu befähigen, belastende Erfahrungen zu überwinden.<br />
Eine wichtige Zielgruppe für präventive Maßnahmen<br />
sind Kinder aus psycho<strong>sozial</strong> benachteiligten Familien,<br />
unter denen – wegen der in diesen Familien vorherrschenden<br />
Lebensumstände – eine Häufung <strong>von</strong> <strong>Entwicklung</strong>sproblemen<br />
<strong>und</strong> -gefährdungen vorzufinden ist. Gezielte<br />
Hilfen für diesen Adressatenkreis müssen im besonderen<br />
Maß auf die spezifischen Probleme <strong>und</strong><br />
Ressourcen dieser Gruppe zugeschnitten sein, wenn sie<br />
<strong>von</strong> diesen zumeist «schwer erreichbaren» Familien angenommen<br />
werden sollen, z.B. durch regelmäßige Betreuung<br />
im häuslichen Milieu. Da sich ungünstige <strong>Entwicklung</strong>en<br />
in vielen Fällen bereits frühzeitig in Störungen<br />
der Eltern-Kind-Beziehung ankündigen können <strong>und</strong><br />
Interventionen in der frühen Kindheit noch vergleichsweise<br />
«niederschwellig» <strong>und</strong> wenig «invasiv» sind, bietet<br />
sich vor allem das Säuglings- <strong>und</strong> Kleinkindalter als<br />
Interventionszeitpunkt an.<br />
Geeignete Maßnahmen können zum einen problemorientiert,<br />
d.h. auf bestimmte Schwierigkeiten <strong>und</strong> Gefährdungen<br />
gezielt ausgerichtet sein (wie z.B. auf Familien<br />
mit einer postpartal depressiven Mutter). Zum anderen<br />
sind aber auch unspezifische, allgemein-kompetenzfördernde<br />
Ansätze erfolgversprechend, die Eltern aus Risikogruppen<br />
dabei unterstützen, Probleme im Umgang mit<br />
Säuglingen <strong>und</strong> Kleinkindern angemessen zu bewältigen,<br />
oder Alltagsbelastungen zu meistern, die in einem psycho<strong>sozial</strong><br />
benachteiligten Milieu ohnehin vermehrt <strong>und</strong> meist<br />
unausweichlich auftreten.<br />
Eine zweite Zielgruppe für verstärkte Präventionsmaßnahmen<br />
sind Kinder mit Schwangerschafts- <strong>und</strong> Geburtskomplikationen,<br />
darunter insbesondere Kinder mit<br />
einem niedrigen Geburtsgewicht. Die sich häufig erst im<br />
späteren Verlauf, im Bereich schulischer Leistungen manifestierenden<br />
Defizite verweisen auf Mängel der Nachsorge.<br />
Deren Schwerpunkt lag in der Vergangenheit allzu<br />
sehr auf der Vorbeugung somatischer, neurologischer <strong>und</strong><br />
motorischer Beeinträchtigungen. Die langfristigen <strong>und</strong> für<br />
die Lebensqualität der Mehrzahl frühgeborener Kinder<br />
entscheidenden Probleme bestehen jedoch offensichtlich<br />
in Lern- <strong>und</strong> Verhaltensschwierigkeiten. Eine verbesserte<br />
Nachbetreuung müsste folglich in stärkerem Maße Methoden<br />
psychologischer <strong>und</strong> heilpädagogischer Diagnostik<br />
<strong>und</strong> Förderung einbeziehen (vgl. Wolke & Meyer,<br />
1999). Der Kreis der Nachzubetreuenden sollte nach unseren<br />
Ergebnissen nicht zu eng gezogen werden <strong>und</strong> auch<br />
Kinder mit weniger schweren Komplikationen einschließen.<br />
Wegen der ständigen Verbesserung der neonatologischen<br />
Versorgung bleibt freilich offen, ob derartige<br />
Schlussfolgerungen auch für die Generation der heute mit<br />
prä- <strong>und</strong> perinatalen Komplikationen Geborenen gültig<br />
sind.<br />
Autorenhinweis<br />
Die Durchführung der Mannheimer Risikokinderstudie<br />
wurde <strong>von</strong> der Deutschen Forschungsgemeinschaft im<br />
Rahmen des Sonderforschungsbereichs 258 «Indikatoren<br />
<strong>und</strong> Risikomodelle für Entstehung <strong>und</strong> Verlauf psychischer<br />
Störungen» der Universität Heidelberg sowie im<br />
Rahmen der Einzelförderung finanziell unterstützt. Wir<br />
danken den teilnehmenden Familien für ihr großes Engagement<br />
<strong>und</strong> ihre langjährige Treue zu unserer Arbeit.<br />
Literatur<br />
Arbeitsgruppe Zehnter Kinder- <strong>und</strong> Jugendbericht: Bericht über<br />
die Lebenssituation <strong>von</strong> Kindern <strong>und</strong> die Leistungen der<br />
Kinderhilfen in Deutschland. Zehnter Kinder- <strong>und</strong> Jugendbericht.<br />
Deutscher B<strong>und</strong>estag, 1998.<br />
Bendersky, M.; Lewis, M.: Environmental risk, biological risk<br />
and developmental outcome. Developmental Psychology<br />
30, 484–494, 1994.<br />
Z. Kinder-Jugendpsychiatr. 30 (1), 2002, © Verlag Hans Huber, Bern