Handbuch für den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst im Land ...
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geändert Febr. 2008<br />
Nerven/Psyche<br />
2<br />
2.6 Sprach- <strong>und</strong> Sprechstörungen<br />
Das Kapitel zu Sprach- <strong>und</strong> Sprechstörungen vereinigt die Bef<strong>und</strong>beschreibung <strong>im</strong><br />
Rahmen der Entwicklungsdiagnostik für Kita-<strong>Kinder</strong> (Stand 2008) mit der für<br />
Einschüler (Stand 2005).<br />
Sprach- <strong>und</strong> Sprechstörungen gehören häufig zu <strong>den</strong> umschriebenen<br />
Entwicklungsstörungen. Wegen der speziellen Fördermaßnahmen wird der Bef<strong>und</strong><br />
aber eigenständig festgehalten. Die Sprach- <strong>und</strong> Sprechstörungen beziehen sich<br />
einerseits auf die Sprachfunktion (gesprochene Sprache, Sprachverständnis, Zeichen<br />
<strong>und</strong> Gesten) <strong>und</strong> andererseits auf Störungen des Sprechens (Artikulationsstörungen,<br />
Stottern <strong>und</strong> Poltern). Die Prävalenz von Sprachentwicklungsstörungen liegt bei<br />
8-12 % einer Jahrgangskohorte.<br />
Da Sprache <strong>und</strong> Sprechen mit der Entwicklung von allen Wahrnehmungsfunktionen,<br />
der Motorik, der kognitiven <strong>und</strong> sozialen Entwicklung eng verbun<strong>den</strong> sind, wird<br />
verständlich, dass – <strong>im</strong> Gegensatz bspw. zur Grob- <strong>und</strong> Feinmotorik – die<br />
Spannbreite von Sprachleistungen bereits Ende des zweiten Lebensjahres zwölf <strong>und</strong><br />
mehr Monate betragen kann <strong>und</strong> deshalb sogenannte „Sprach-Meilensteine“ nur<br />
eine begrenzte Aussagekraft haben (Sachse 2007).<br />
Dies erklärt auch die bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse zur prognostischen<br />
Validität von Sprachentwicklungstests <strong>im</strong> frühen Vorschulalter, nach <strong>den</strong>en etwa<br />
50 % der zuvor auffälligen <strong>Kinder</strong> <strong>im</strong> folgen<strong>den</strong> Jahr wieder Normwerte<br />
erreichten. Insbesondere <strong>Kinder</strong> mit spätem Spracherwerb (Wortschatz <strong>im</strong> Alter<br />
von 24 Lebensmonaten unter 50 Wörter) haben ein erhöhtes Risiko, eine<br />
Sprachentwicklungsstörung zu entwickeln (Weinert 2007). So konnten Sachse <strong>und</strong><br />
Suchodoletz in ihren Untersuchungen mit „Late Talkers“ nachweisen, dass<br />
innerhalb eines Jahres nur ein Drittel die sprachlichen Rückstände völlig aufholte<br />
(Sachse & Suchodoletz 2007). Auf der anderen Seite bedeutet eine unauffällige<br />
Sprachentwicklung mit 2 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft<br />
eine unauffällige Sprachentwicklung. Deshalb ist es von Bedeutung, dass <strong>Kinder</strong>,<br />
die als „sprachauffällig“ bef<strong>und</strong>et wur<strong>den</strong>, spätestens nach 12 Monaten<br />
nachuntersucht wer<strong>den</strong>.<br />
Sprachstörungen wer<strong>den</strong> nach der ICD-10 in Artikulationsstörungen, expressive <strong>und</strong><br />
rezeptive Sprachstörungen unterteilt. Artikulationsstörungen spielen in <strong>den</strong><br />
untersuchten Altersgruppen <strong>im</strong> Vorschulalter noch eine nachgeordnete Rolle, die<br />
aber nicht unterschätzt wer<strong>den</strong> darf. In Bran<strong>den</strong>burg ist der Anteil von <strong>Kinder</strong>n mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> niedrig (ca. 2 %). Daher wird auf eine besondere Bewertung<br />
bei Zweisprachigkeit verzichtet.<br />
Da die Sprache als wichtigstes Kommunikationsmittel eine entschei<strong>den</strong>de soziale<br />
Fertigkeit ist, besteht bei Sprach- <strong>und</strong> Sprechstörungen die Gefahr der Entwicklung<br />
von sozialer Isolation oder auch von psychischen Störungen. In gravieren<strong>den</strong> Fällen<br />
ist rechtzeitig eine kinderpsychiatrische Untersuchung einzuleiten.<br />
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