10/11 - Evangelische Kirchen in Erfurt
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PERSÖNLICHKEITEN 28<br />
Johann Joachim Bellermann<br />
– Universalgelehrter der<br />
Spätaufklärung<br />
Dr. Michael Ludscheidt<br />
Der von der Spätaufklärung geprägte Philologe<br />
und Pädagoge Johann Joachim Bellermann<br />
gehört <strong>in</strong> die Reihe jener <strong>Erfurt</strong>er<br />
Persönlichkeiten, die sich um die Erforschung<br />
der Gelehrtenkultur und Wissenschaftsgeschichte<br />
ihrer Heimatstadt verdient<br />
gemacht haben. Von besonderem<br />
Wert s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht se<strong>in</strong>e Schriften<br />
Über die Entstehung der Bibliotheken,<br />
Naturalien und Kunstsammlungen <strong>in</strong> <strong>Erfurt</strong><br />
(3 Tle., 1797-99), De bibliothecis et<br />
museis Erfordiensibus (7 Tle., 1800-03)<br />
sowie verschiedene Abhandlungen zur<br />
Geschichte des <strong>Evangelische</strong>n Ratsgymnasiums<br />
und der Universität. Über die<br />
lokalgeschichtliche Forschung h<strong>in</strong>aus hat<br />
sich der universal gebildete Bellermann<br />
auf zahlreichen weiteren Gebieten wissenschaftlich<br />
betätigt, wie das Verzeichnis<br />
se<strong>in</strong>er Schriften (ADB II [1875], S. 308-<br />
3<strong>10</strong>) anschaulich vor Augen führt. Als<br />
Gelehrter stand er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verpflichtenden<br />
Tradition: mehrere se<strong>in</strong>er Vorfahren<br />
waren seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts<br />
als Wissenschaftler und Künstler hervorgetreten<br />
und hatten die geistige Kultur<br />
<strong>Erfurt</strong>s <strong>in</strong> erheblichem Maße mitbestimmt.<br />
Als Sohn e<strong>in</strong>es wohlhabenden Wollfabrikanten<br />
wurde Johann Joachim Bellermann<br />
am 23.9.1754 <strong>in</strong> <strong>Erfurt</strong> geboren. Nachdem<br />
er die Barfüßerschule und von 1768<br />
bis 1772 das Ratsgymnasium absolviert<br />
hatte, bezog er die Universität se<strong>in</strong>er Vaterstadt,<br />
um sich (u. a. bei Froriep, Meusel<br />
und Lossius) philologischen und theologischen<br />
Studien zu widmen. Ab 1775<br />
setzte er das Studium <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen fort,<br />
wo neben Heyne, Walch und Michaelis<br />
auch Me<strong>in</strong>ers, Schlözer und Gatterer zu<br />
se<strong>in</strong>en Lehrern gehörten. Zu Ostern 1778<br />
verließ er die Universität und nahm e<strong>in</strong>e<br />
Hofmeisterstelle <strong>in</strong> Reval an, die er bis<br />
1781 bekleidete. Bis zum Januar 1782<br />
hielt sich Bellermann privatisierend <strong>in</strong> St.<br />
Petersburg auf und kehrte im Frühjahr des<br />
gleichen Jahres nach <strong>Erfurt</strong> zurück. Als<br />
Frucht se<strong>in</strong>es mehrjährigen Aufenthalts im<br />
Baltikum und <strong>in</strong> Rußland erschienen <strong>in</strong><br />
den folgenden Jahren verschiedene landeskundliche<br />
Abhandlungen, allen voran<br />
die Bemerkungen über Rußland <strong>in</strong> Rücksicht<br />
auf Wissenschaft, Kunst, Religion<br />
(1788, 2 Tle.).<br />
Bellermanns berufliche Laufbahn nahm<br />
mit der Rückkunft <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Geburtsstadt<br />
e<strong>in</strong>en bemerkenswerten Aufschwung. Beg<strong>in</strong>nend<br />
mit der Berufung zum Professor<br />
der Hebräischen Sprache am Ratsgymnasium<br />
(1784), der sich im gleichen Jahr e<strong>in</strong>e<br />
außerordentliche Professur <strong>in</strong> der Philosophischen<br />
Fakultät der Universität sowie<br />
die Aufnahme <strong>in</strong> die Akademie geme<strong>in</strong>nütziger<br />
Wissenschaften (deren Sekretär<br />
er 1792 wurde) anschlossen, führte der<br />
Aufstieg über e<strong>in</strong>e ordentliche Professur<br />
für Theologie (1790) zum Direktorat am<br />
Ratsgymnasium (1794), dem Bellermann<br />
bis 1804 vorstand. Seit 1801 las er als<br />
ordentlicher Professor auch <strong>in</strong> der Philosophischen<br />
Fakultät. 1804 mit dem theologischen<br />
Doktorgrad der Universität<br />
Halle ausgestattet, schlug Bellermann e<strong>in</strong>en<br />
Ruf auf den Lehrstuhl für <strong>Kirchen</strong>geschichte<br />
<strong>in</strong> Dorpat aus und entschied sich<br />
statt dessen im Jahr se<strong>in</strong>er Promotion, die<br />
Leitung des Gymnasiums zum Grauen<br />
Kloster <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zu übernehmen. Es gelang<br />
ihm, die <strong>in</strong> <strong>Erfurt</strong> begonnene Karriere<br />
auch <strong>in</strong> der preußischen Hauptstadt<br />
nahtlos fortzusetzen. Ab 18<strong>10</strong> hielt er neben<br />
se<strong>in</strong>er Lehrtätigkeit am Gymnasium<br />
zugleich Vorlesungen an der neugegründeten<br />
Universität (als Privatdozent) und<br />
bekleidete <strong>in</strong> der dortigen Theologischen<br />
Fakultät von 1816 bis zu se<strong>in</strong>em Lebens-