10/11 - Evangelische Kirchen in Erfurt

21 VIP-VISITE
Doch dann war es auch für uns so weit,
„Er“, mit Gattin und Ehepaar Althaus,
war an unserem Stand angekommen.
Händeschütteln, „Hallo“, ein paar interessierte
Worte, „Bitte noch mal das
Händeschütteln!“, „...und die Geschenkübergabe!“
ist das Einzige, wofür
in dem ganzen Treiben noch Zeit
blieb. Auch unser Vorstellungskonzept
ging in der Hektik unter. Zehn Minuten
waren veranschlagt, knapp vier
wurden es. „Er“ selbst schien interessiert,
doch verspätet, im Protokoll gefangen
und von Begleitern zum Aufbruch
gehetzt, blieb nur wenig Zeit für
detailliertere Gespräche. Wir hatten
ganz andere Vorstellungen vom ersten,
und vielleicht letzten, persönlichen
Kontakt mit dem Bundespräsidenten
gehabt – er offenbar auch.
Indessen waren die Absperrungen auf
dem Schulhof wieder entfernt worden,
der Präsident wollte diese eigenartige
Trennung zu den Schülern nicht. Doch
die Beseitigung dieses Ein-Zentimeter-
Seils schien für das Sicherheitspersonal
eine enorme Gefährdung des Prä-
sidentenlebens darzustellen.
„Ohne Absperrung
geh ich hier mit
ihm nicht raus, dann
nehmen wir den Hinterausgang“
schimpfte der
Sicherheitsmann. Also:
hektische Wiederanbringung
der Abtrennung
– nicht nur zum
Missfallen das Präsidenten.
Schlagartig war der
Kapitelsaal geleert.
„Hier ist die Zukunft“
war vorher noch von „Ihm“ zuhören.
Unsere Zukunft als Schüler ist noch
relativ ungewiss. Doch jede Minute
seiner Zukunft als Bundespräsident, so
war mein Eindruck nach dieser Begegnung,
wird, wie bis jetzt in seinem
Amt, durch Termine, Sicherheit und
Protokoll bestimmt sein. Sein Auftreten
als Staatsoberhaupt in Erfurt, so
schien es, erregte die ganze Stadt,
doch an ihm als Mensch, als „Horst
Köhler“ bestand kaum Interesse. Die
ganze Aufregung und der Trubel war
inszeniert durch die Umstände. Doch
von Horst Köhler selbst ging während
seines Besuches nichts Exaltiertes aus.