8. MAI - Antifaschistische Linke Berlin
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INTERVIEW<br />
veranstaltung in Sachsenhausen ebenfalls<br />
spricht, ist Markstein einer Entwicklung, die<br />
außerhalb der Gedenkstätten passiert ist.<br />
? Insbesondere Vertreter von Opferverbänden<br />
protestieren gegen die gestalterischen<br />
und inhaltlichen Veränderungen und mahnen<br />
die Erhaltung des »antifaschistischen<br />
Charakters« der Gedenkstätten an. Diesen<br />
sehen sie vor allem durch eine Neubewertung<br />
der Rolle von KommunistInnen in den<br />
Konzentrationslagern sowie durch eine politisch<br />
forcierte Gleichbehandlung der NS-<br />
Opfer mit den Opfern der stalinistischen<br />
Diktatur in Verfolgung der Antitotalitarismustheorie<br />
bedroht. Befürchtet Ihr durch den<br />
Veränderungsprozess in der Gedenkstättenpolitik<br />
womöglich eine Relativierung der nationalsozialistischen<br />
Verbrechen?<br />
! Das hängt von der konkreten Situation<br />
in den jeweiligen Gedenkstätten ab. Das<br />
Schlagwort von der »Relativierung der nationalsozialistischen<br />
Verbrechen« greift mir<br />
viel zu kurz bei der Beschreibung dessen,<br />
was passiert. In Sachsen z.B., wo das Gedenkstättengesetz<br />
»die Opfer beider Diktaturen«<br />
gleichsetzt, sieht die Praxis so aus,<br />
dass die »Opfer« der sowjetischen Repressionsorgane<br />
und der DDR, d.h. in überwiegender<br />
Anzahl Nazis, staatlicherseits und<br />
durch private Initiativen geehrt werden,<br />
während der Umgang mit den Überlebenden<br />
Opfern des Nationalsozialismus und<br />
WiderstandskämpferInnen oft schlichtweg<br />
demütigend ist. Hier findet sich dann auch<br />
oft eine plumpe Gleichsetzung von der DDR<br />
mit dem 3. Reich oder gar eine Verharmlosung<br />
von NS-Verbrechen. In Brandenburg<br />
hingegen wird zwar auch der »Opfer der<br />
Speziallager« (vom NKWD aufgrund internationaler<br />
Vereinbarungen zwischen den<br />
Alliierten eingerichtete Internierungslager<br />
für zivile Funktionsträger des 3. Reiches oder<br />
potentielle Feinde der Besatzungsmacht, oft<br />
an Orten ehemaliger KZ, so z.B. in Sachsenhausen)<br />
gedacht, aber es hat nicht diese<br />
Priorität. Hier findet eher die rot-grüne<br />
Nutzbarmachung der deutschen Vergangenheit<br />
für die Zukunft statt, die Integration<br />
der NS-Verbrechen in die deutsche Identität.<br />
? Die Diskussion über die Zukunft des Gedenkens<br />
und damit auch die Zukunft von<br />
Gedenkstätten wurde selten so lebhaft geführt<br />
wie heute, auch die Resonanz in der<br />
Öffentlichkeit ist ungewöhnlich breit. Worauf<br />
führt Ihr dieses Interesse zurück?<br />
! Einmal häufen sich gerade die 60. Jahrestage,<br />
dann gibt es mit dem Holocaustmahnmal<br />
und den Auseinandersetzungen um die<br />
Topographie des Terrors und das Mahnmal<br />
für die Sinti und Roma in <strong>Berlin</strong> genug mediale<br />
Anknüpfungspunkte. Zum anderen setzen<br />
sich mittlerweile die Nachfahren der Täter<br />
darüber auseinander, wie und wem hierzulande<br />
künftig gedacht werden soll. Das Beschweigen<br />
des NS, dass noch die Hauptverteidigungsstrategie<br />
der Tätergeneration war,<br />
hat ein Ende. Das Bekenntnis zur deutschen<br />
Verantwortung für den Holocaust und den<br />
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