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8. MAI - Antifaschistische Linke Berlin

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UNRECHT IN ZAHLEN<br />

auch in jeder deutschen Wohnstube. Die<br />

deutschen RentnerInnen konnten sich mitten<br />

im Krieg über satte Rentenerhöhungen<br />

freuen. Und Steuererhöhungen für die deutschen<br />

Arbeiterschaft konnte die NS-Führung<br />

getrost bis zum Kriegsende zurückweisen,<br />

solange andere die Rechnung zahlten.<br />

Erzwungenes Unrecht – deutsche<br />

Normalzustände<br />

Wer also die Frage stellt, ob die geleisteten<br />

Zahlungen tatsächlich eine angemessene<br />

Entschädigung darstellen, muss schnell feststellen,<br />

dass sie kaum mehr als ein Tropfen<br />

auf den heißen Stein sind. Selbst dieser war<br />

nur unter massivem Druck auf die Umsatzund<br />

Profitinteressen der auf Export orientierten<br />

Konzerne möglich, die Kampagnen<br />

und Imageverluste fürchteten. Sie gründeten<br />

den Stiftungsfonds, finanzierten ihn an und<br />

erzwangen gemeinsam mit der rot-grünen<br />

Regierung einen vorläufigen »Rechtsfrieden«<br />

gegen etwaige individuell vorgebrachte<br />

Ansprüche ehemaliger Zwangsarbeiter.<br />

Mit Atem beraubendem Zynismus<br />

wurden die Zahlungen wochen-, monate- und<br />

jahrelang hinausgezögert, während die Anspruchsberechtigten<br />

täglich weniger wurden.<br />

Mit Ausdauer wurde in den Verhandlungen<br />

jede Zusage mit einer wüsten Erpressung an<br />

die Opfer, ihre Verbände und Anwälte verbunden.<br />

Das alles geschah in einer Gesellschaft,<br />

die jenseits der Feuilletonspalten ihr<br />

Desinteresse kaum verbergen konnte. Dass<br />

Unrecht nicht in Zahlen aufzurechnen sei<br />

und nun endlich Ruhe einkehren solle, war<br />

da noch die harmlosere Variante der Ignoranz.<br />

Ein »Schlussstrich« sollte her, nicht nur<br />

für die deutsche Wirtschaft. Denn den nie<br />

zurückgezahlten Profiten, die eine ganze<br />

Gesellschaft aus der Zwangsarbeit schlug,<br />

entsprachen die stillschweigend integrierten<br />

reaktionären, xenophoben und antikommunistischen<br />

Kontinuitäten, die aus dem »Dritten<br />

Reich« in die deutschen Normalzustände der<br />

Nachkriegszeit mündeten. Die Weigerung<br />

einer Gesellschaft, sich an die verbrecherische<br />

Normalität des Nationalsozialismus zu<br />

erinnern, zu dem auch der »Ausländereinsatzes«<br />

gehört, war eine Voraussetzung für<br />

die umstandslose Reproduktion des gesellschaftlich<br />

verankerten Rassismus in der BRD.<br />

Aus dem selben Grund ist 60 Jahre nach<br />

Kriegsende immer noch keine angemessene<br />

Entschädigung für die millionenfache<br />

Zwangsarbeit geleistet worden. Das inszenierte<br />

Gedenken an die nationalsozialistischen<br />

Verbrechen bleibt aber eine leere<br />

Geste, solange die Qualität der verübten<br />

Verbrechen ignoriert wird, solange die Verantwortlichen<br />

nicht in ihrer Gänze benannt<br />

und nach Möglichkeit zur Verantwortung gezogen<br />

werden, und solange das Leiden der<br />

Überlebenden und ihr Anspruch auf Entschädigung<br />

nicht angemessen gewürdigt wird.<br />

<strong>Antifaschistische</strong> <strong>Linke</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Lesetip:<br />

Ulrich Herbert, Fremdarbeiter: Politik und Praxis<br />

des »Ausländereinsatzes« in der Kriegswirtschaft<br />

des »Dritten Reiches«, Bonn 2001.<br />

Internet: www.ns-opfer-entschaedigen.de<br />

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