8. MAI - Antifaschistische Linke Berlin
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UNRECHT IN ZAHLEN<br />
höriger«, als Sachbearbeiter im Arbeitsamt<br />
oder bei der Krankenkasse. Der Einsatz der<br />
ZwangsarbeiterInnen war in der Mitte der<br />
deutschen Kriegsgesellschaft verankert. Er<br />
war ein Verbrechen, das nicht »irgendwo<br />
im Osten« stattfand, sondern als »Apartheid<br />
nebenan« (Ulrich Herbert, siehe Lesetip)<br />
den VolksgenossInnen einen Vorgeschmack<br />
auf die Utopie eines siegreichen deutschen<br />
»Rassenstaates« gab. Nichts anderes war<br />
die Realität der Zwangsarbeit: kooperativ<br />
organisierte Ausbeutung und Verelendung<br />
von Millionen ausländischen Menschen inmitten<br />
einer Gesellschaft, die bestenfalls<br />
zusah, im Regelfall aber profitierte und nur<br />
in Ausnahmefällen die Verhaltensmuster der<br />
Mehrheit durchbrach. Der deutsche Blick auf<br />
die ZwangsarbeiterInnen war so normal wie<br />
barbarisch. Zu sprechen ist beispielsweise<br />
von einem Bauernfunktionär, der schon<br />
Anfang 1940 den sächsischen Gauleiter<br />
darum bat, »schärfstens« gegen die gerade<br />
ins Land verschleppten polnischen Kriegsgefangenen<br />
vorzugehen, denen er pauschal<br />
»Arbeitsunwilligkeit« unterstellte. Oder von<br />
einem Sachbearbeiter beim Gauarbeitsamt<br />
<strong>Berlin</strong>, der 1944 erklärte, dass man<br />
den ZwangsarbeiterInnen in einem großen<br />
<strong>Berlin</strong>er Lager auch weiter keine Strohsäcke<br />
und Decken zur Verfügung stellen könne,<br />
da man sonst der Ungezieferplage nicht<br />
Herr werde. Genauso exemplarisch war ein<br />
Reichsbahnbeamter, der 1943 zwei sowjetische<br />
Kriegsgefangene beim Vergraben<br />
eines Gegenstandes an einem Bahndamm<br />
beobachtete, nicht lange fackelte und Meldung<br />
erstattete. Es handelte sich um einen<br />
Keilriemen, der die beiden Gefangenen<br />
ins KZ brachte. Er wusste genauso, was<br />
er tat, wie die Referenten in Ministerien,<br />
Krankenkassen und bei der »Deutschen Arbeitsfront«,<br />
die sich bis zum Kriegsende in<br />
gewichtigen Schriftwechseln darum stritten,<br />
wer die Kosten für arbeitsunfähig gewordene<br />
ZwangsarbeiterInnen zu übernehmen<br />
habe, während diese zu Zehntausenden in<br />
sogenannten »Durchgangslagern« zu Grunde<br />
gingen. Es ging immer um den Grundsatz<br />
der Profitmaximierung. Ihren einzigen<br />
»Wert« für die Deutschen verloren die<br />
ZwangsarbeiterInnen mit ihrer Arbeitskraft.<br />
12 Milliarden Reichsmark. Die Profiteure<br />
Auf diese Summe lassen sich in etwa die<br />
Gewinne schätzen, die allein der deutsche<br />
Staatshaushalt und die deutschen Sozialversicherungen<br />
im Zweiten Weltkrieg aus<br />
dem »Ausländereinsatz« schlugen. Weil<br />
ausländische ZivilarbeiterInnen, auch wenn<br />
sie aus Polen oder der Sowjetunion kamen,<br />
»ordnungsgemäß« Steuern auf ihren Hungerlohn<br />
zu zahlen hatten, nur eben einen<br />
mehr als doppelt so hohen Anteil wie die<br />
deutschen »VolksgenossInnen«. Weil den<br />
zivilen ZwangsarbeiterInnen ebenfalls Beiträge<br />
zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung<br />
abgezogen wurden, auch<br />
wenn sie nie einen Pfennig an Leistungen<br />
erhielten. Die Hauptprofiteure des »Ausländereinsatzes«<br />
saßen zweifellos in den<br />
Unternehmen, die von der Zwangsarbeit<br />
profitierten. Aber die Profiteure saßen eben<br />
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