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20. Januar Vogel Gryff extra

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<strong>Vogel</strong> <strong>Gryff</strong> äxtra<br />

4<br />

am <strong>Gryff</strong>e Mähli 2003<br />

Montag, <strong>20.</strong> <strong>Januar</strong> 2003<br />

Kultur pur<br />

Von Werner Blatter<br />

Der Blick zurück aufs abgelaufene<br />

Jahr gibt wahrlich nicht Anlass zu<br />

grossen Freudensprüngen. Einzige<br />

– aus lokaler Ansicht – Ausnahme<br />

sei vielleicht unser FCB, der nach<br />

jahrzehntelangem Grounding wieder<br />

zu erfreulichen Höhenflügen<br />

ansetzte. Leider prägten wirtschaftliche<br />

und politische Abstürze<br />

an allen Fronten das Jahr 2002. Sah<br />

es vor ein paar Jahren noch so aus,<br />

als wäre die Talsohle erreicht, dem<br />

war aber leider nicht so. Der Druck<br />

von allen Seiten steigt. Schneller,<br />

günstiger soll geliefert werden.<br />

Preise decken kaum mehr Kosten.<br />

Zurücklehnen – Nachdenken<br />

Die Verschnaufpausen werden<br />

kürzer. Die Momente der Ruhe und<br />

Einkehr seltener. Es ist aber unsere<br />

Aufgabe, um unsere Zeitinseln zu<br />

kämpfen. Beim Blick zurück bleibt<br />

der Sensor unmissverständlich<br />

E Maischterred mit Tiefgang<br />

Meisterrede: Georg André Schlager hielt am <strong>Gryff</strong>emähli eine vielbeachtete<br />

und gut aufgenommene Rede.<br />

Klare Akzente mit feinem<br />

Gespür, ohne Gepolter, retorisch<br />

perfekt wiedergegeben:<br />

«D Maischterred» von<br />

Georg André Schlager.<br />

Ffoto: terFoto: zVg<br />

beim Stichwort «Kultur» ruckartig<br />

stehen. Über Kultur zu sprechen ist<br />

wie ein Gang auf dünnem Eis. Es<br />

droht der Einbruch. Und wenn man<br />

gar auf stabilem Eis steht droht der<br />

Sturz auf die eigene Nase.<br />

Den Gefahren zum trotz reden<br />

alle über Kultur. Im Handumdrehen<br />

kommen tausende von Petitionsunterschriften<br />

zusammen,<br />

wenn man glaubt die Kultur sei gefährdet.<br />

Aber was ist eigentlich<br />

Kultur? Jeder versteht – so glaubt<br />

der Redner – etwas anderes darunter.<br />

«I ka e Furz, won ych auff em<br />

Claraplatz abloss, au zum kulturelle<br />

Akt erkläre, und y bi sicher,<br />

dass irendein sogar no klatscht».<br />

Die Unesco definiert die Kultur<br />

klar: «Gesamtheit der unverwechselbaren<br />

geistigen, materiellen, intellektuellen<br />

und emotionalen Eigenschaften,<br />

die eine Gesellschaft<br />

oder eine soziale Gruppe kennzeichnen.<br />

Kultur umfasst über<br />

Kunst und Literatur hinaus auch<br />

Lebensformen, Formen des Zusammenlebens,<br />

Wertesysteme, Traditionen<br />

und Überzeugungen».<br />

Kultur ist so gesehen ein ständiger<br />

Prozess. Unsere deutsche Sprache<br />

hilft der Vielfalt auch Namen zu geben:<br />

Polit-Kultur, Kultur-Politik,<br />

Diskussions-Kultur, Kultur-Diskussion,<br />

Unternehmer-Kultur, Sub-<br />

Kultur, Manager-Kultur, Kultur-<br />

Manager. Rein sprachlich kann mit<br />

Leichtigkeit alles mit Kultur verheiratet<br />

werden.<br />

Grenzenlose Kultur<br />

Die Kultur umfasst, wie gehört,<br />

auch Formen des Zusammenlebens.<br />

Wie leben wir in unserer Stadt<br />

und in unserem Land zusammen?<br />

Leben wir überhaupt zusammen?<br />

Oder leben wir oft aneinander vorbei?<br />

Gehört denn Kultur nicht auch<br />

zum Bewusstsein, als Individuum<br />

ein Teil vom Ganzen zu sein?<br />

Zwingt uns das Bewusstsein nicht<br />

auch zumindest ein Gefühl von<br />

Mitverantwortung zu entwickeln?<br />

Kultur also der Inbegriff von Verantwortlichsein<br />

nicht nur für sich,<br />

sondern für das ganze Gemeinweisen.<br />

Kultur ist nicht nur mit Freiheit<br />

gleichzusetzen, sich als Einzelner<br />

frei auszuleben und auszutoben.<br />

Hemmungslosigkeits-Kultur<br />

wäre da eine weitere Wortbastlerei.<br />

Hemmungslosigkeit wenn es darum<br />

geht unsere Innerstadt nach einem<br />

FCB-Event mit Flaschenscherben<br />

zu überdecken. Beim Wegwerfen<br />

und Liegenlassen von Esswaren.<br />

Beim Trinken. Beim nächtlichen<br />

Gebrüll durch die Innerstadt.<br />

Hemmungslosigkeit und Masslosigkeit<br />

scheinen ein durchgreifendes<br />

Gesellschaftsphänomen zu<br />

sein. Sie findet nicht nur auf dem<br />

Barfüsserplatz und am Rheinbord<br />

statt. Sie kommt auch im Anzug<br />

und mit Krawatte daher und fühlt<br />

sich in den allerobersten Chefetagen<br />

heimisch. Regelrechte Saubannerzüge<br />

durch Firmen- und<br />

Pensionskassen haben im vergangenen<br />

Jahr für Nachrichtenstoff<br />

gesorgt, nicht nur im mächtigen<br />

Amerika, sondern auch in der nur<br />

scheinbar gemächlichen Schweiz.<br />

Ist dies die vielbeschworene Unternehmer-Kultur?<br />

Kultur bedeutet<br />

eben auch, den Sinn für das richtige<br />

Mass zu bewahren.<br />

Schlechte Kultur<br />

Kultur hat auch mit Weitsicht,<br />

Beständigkeit und einer gesunden<br />

Entwicklung zu tun. Klarer Ausdruck<br />

von schlechter Kultur ist,<br />

wenn jeder «Sauglattischde-Idee»<br />

sofort Zeit, Raum und Geld verschaffen<br />

wird. Nachhaltigkeit ist<br />

der Feind vom sofortigen Befriedigen<br />

von jedem lautstark geäussertem<br />

Bedürfnis. Seien es künstliche<br />

Strände, Buvettecontainer, temporäre<br />

Holzbrücken und jede Menge<br />

von lautsprecherbewaffneten<br />

Events mit Schützenhilfe des Büros<br />

für hiesiges Stadtmarketing und<br />

immer unter dem Deckmantel von<br />

Kulturbedürfnis. Kultur bedeutet<br />

doch auch, dass nicht sofort jeder<br />

Eventmöglichkeit unkritisch die<br />

Tür geöffnet wird. Das richtige<br />

Mass ist hier gefragt. Immerhin ist<br />

festzustellen, dass hier beidseitig<br />

ein Lernprozess im Gange ist, der<br />

uns hoffentlich bald wieder besser<br />

zusammen leben lässt.<br />

Umgangskultur<br />

Kultur birgt auch Gefahren in<br />

sich. Kultur ist anspruchsvoll. Sie<br />

schreit nach Qualität. Aber Qualität<br />

kommt von Qual. Sie ist etwas<br />

mühsames und manch einer hat im<br />

Kampf um Qualität böse Erfahrungen<br />

gemacht. Kultur hat auch<br />

viel mit dem Erkenntnis zu tun, dass<br />

manches eben keine Kultur ist.<br />

Leicht ist es mit einem gezielten<br />

Schuss aus dem Kulturgewehr die<br />

Kritiker als Kulturbanausen umzulegen.<br />

Von Kulturbanausen hört<br />

man ja fast täglich. Wenn man all<br />

den vielen Zeitungsartikeln vom<br />

vergangenen Sommer glauben<br />

darf, dann gehören alle diejenigen<br />

zu den Kulturbanausen, die gegenüber<br />

der Event- und Plauschkultur<br />

nicht vorbehaltlos positiv<br />

eingestellt sind.<br />

Begegnungszentrum Union<br />

Es ist eine Frage des miteinander<br />

umgehen. Kultur heisst für uns, für<br />

die Sorgen vom anderen ein offenes<br />

Ohr zu haben. Aber Umgangskultur<br />

ist nicht einfach vorhanden,<br />

wenn wir am <strong>Vogel</strong> <strong>Gryff</strong> das dunkle<br />

Klein anziehen. Die Mitgliedschaft<br />

in den Drei Ehrengesellschaften<br />

ist ein dynamischer Prozess<br />

von ständigem Suchen. Das bedeutet<br />

Arbeit an sich selbst und im<br />

und am Gemeinschaftsnetz. Ein<br />

solches Gemeinschaftsnetz ist auch<br />

das neue Begegnungszentrum<br />

Union im unteren Kleinbasel. Dieses<br />

Werk verdient es von uns materiell<br />

und ideell unterstützt zu wer-<br />

Wintscht alle Gsellschaftsbrieder und alle<br />

Gescht e wunderscheene <strong>Vogel</strong> <strong>Gryff</strong>

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