Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW

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01.12.2014 Aufrufe

- 7 - Ich lasse mich dabei leiten von einem christlichen Menschenbild, das jeden Einzelnen als einzigartiges Individuum von Gott geschaffen – und zwar so und nicht anders geschaffen – sieht: So wie jeder Einzelne ausgestattet ist mit Talenten, Fähigkeiten und Fertigkeiten, tritt er uns als Schüler oder als Schülerin entgegen. So haben wir sie oder ihn anzunehmen. Daran haben wir unser pädagogisches Bemühen auszurichten. Leitbild ist deshalb nicht eine idealisierte, quasi abstrakte Persönlichkeit, die es anzustreben gilt, sondern die umfassende Förderung des Einzelnen zu seinem Besten. Ich sehe in der Verschiedenartigkeit der Menschen, und gerade auch der jungen Menschen, ein hohes Gut: Eines, das „den Menschen ausmacht“, den wir aufzunehmen und zu fördern haben. Mein Ziel ist der begabungsgerechte Unterricht. Nur er wird die Talente unserer Kinder entdecken, entwickeln und entfalten. Nur er wird dem einzelnen Kind gerecht werden. Gerechtigkeit in der Schule meint deshalb nicht eine gleichmacherische, systembezogene Gerechtigkeit: Sie fragt vielmehr danach, was dem einzelnen Kind gerecht wird. Von großer Bedeutung ist für mich weiter die früher selbstverständliche Verbindung zwischen Bildung und Erziehung. Diese Selbstverständlichkeit scheinen wir heute nicht mehr so klar im Blick zu haben. Wir sehen unsere heutige Welt viel mehr von „Sachlogiken“, „Globalisierungserfordernissen“ oder ökonomischer Rationalität geprägt als von der christlichen Grundüberzeugung. Wettbewerbsdenken und Effizienzsteigerung scheinen sich zu den Götzen der modernen Industriegesellschaften entwickelt zu haben, an denen sich Alles und Jeder ununterbrochen auszurichten hat. Dem will ich entschieden entgegen treten. Nicht, weil ich die Erfordernisse der modernen Gesellschaft nicht erkenne, sondern weil ich der Überzeugung bin, dass eine Gesellschaft und auch eine Ökonomie der Zukunft ohne Menschen mit Bildung nicht lebensfähig und natürlich auch nicht lebenswert ist. Denn nur Bildung, die den ganzen Menschen im Blick hat, erlaubt die Einordnung von Gelerntem oder erlaubt die Bewertung von Behauptungen und kann Anforderungen gerechtfertigt erscheinen lassen. Und aus dieser Sichtweise ergibt sich auch deren ökonomische Bedeutung: Reflexion und Kritik sind Grundelemente einer freien und wirtschaftlich erfolgreichen Gesellschaft. Wir wollen das Erziehungsthema wieder in das Licht der Öffentlichkeit rücken: Aber natürlich nicht mit simplen Rezepten wie sie in Fernsehsendungen wie „Super Nanny“ präsentiert wurden, sondern differenzierter, kindgerechter und damit letztlich auch zum Wohle der Gesellschaft. Gleichzeitig gilt, dass wir die schulische Erziehungsarbeit nicht als zusätzliche Aufgabe verstehen dürfen, sondern als wesentlichen Bestandteil des Lehrerberufs.

- 8 - Es ist und bleibt eine falsche Sicht auf die Dinge, wenn Lehrkräfte sagen, sie seien Chemiker oder Mathematiker oder Germanisten! Sie unterrichten nicht Fächer, sondern Kinder! Sie sind vor allem anderen Lehrkräfte und Förderer – und auch Forderer – der Schülerinnen und Schüler! Sie sind als Menschen und als Fachleute Vorbilder für die Kinder und Jugendlichen. Sie sind als fachkundige und pädagogisch ausgebildete Erwachsene Begleiter und auch Korrektiv kindlicher oder jugendlicher Entwicklung. Allerdings: Sie sind nicht unfehlbar. Ihre fachliche und menschliche Kritikbereitschaft muss gepaart sein mit ihrer Bereitschaft zu angemessener Selbstreflexion und Selbstkritik. Ich weiß, dass Lehrer heute noch viel zu oft als Einzelkämpfer agieren – und so den Erfolg ihrer Klasse, vielmehr aber noch den Misserfolg der Klasse als eigenes Verdienst oder eben eigenes Versagen erleben. Wir sollten vielmehr die Chancen nutzen, die im konstruktiven kollegialen Austausch, in der gegenseitigen Beratung und Hilfestellung liegen. Der heutige Tag kann, nein: er soll dazu beitragen. Im Meinungsaustausch, im gegenseitigen Befragen und im gegenseitigen Erkennen können wir erfahren, 'nicht allein gelassen zu sein', wie es Präses Buß in seinem Einleitungswort geschrieben hat. Ihm und allen Organisatoren dieser Veranstaltung will ich bereits im Voraus danken. Ich wünsche uns allen einen anregenden, wirklich gemeinsamen Tag, aus dem wir mit neuer Kraft und neuer Stärke hervorgehen!

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Es ist und bleibt eine falsche Sicht auf die Dinge, wenn Lehrkräfte sagen, sie seien<br />

Chemiker o<strong>der</strong> Mathematiker o<strong>der</strong> Germanisten! Sie unterrichten nicht Fächer,<br />

son<strong>der</strong>n Kin<strong>der</strong>!<br />

Sie sind vor allem an<strong>der</strong>en Lehrkräfte und För<strong>der</strong>er – und auch For<strong>der</strong>er – <strong>der</strong><br />

Schülerinnen und Schüler! Sie sind als Menschen und als Fachleute Vorbil<strong>der</strong> für die<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen. Sie sind als fachkundige und pädagogisch ausgebildete<br />

Erwachsene Begleiter und auch Korrektiv kindlicher o<strong>der</strong> jugendlicher Entwicklung.<br />

Allerdings: Sie sind nicht unfehlbar. Ihre fachliche und menschliche Kritikbereitschaft<br />

muss gepaart sein mit ihrer Bereitschaft zu angemessener Selbstreflexion und<br />

Selbstkritik.<br />

Ich weiß, dass Lehrer heute noch viel zu oft als Einzelkämpfer agieren – und so den<br />

Erfolg ihrer Klasse, vielmehr aber noch den Misserfolg <strong>der</strong> Klasse als eigenes<br />

Verdienst o<strong>der</strong> eben eigenes Versagen erleben.<br />

Wir sollten vielmehr die Chancen nutzen, die im konstruktiven kollegialen Austausch,<br />

in <strong>der</strong> gegenseitigen Beratung und Hilfestellung liegen.<br />

Der heutige Tag kann, nein: er soll dazu beitragen. Im Meinungsaustausch, im<br />

gegenseitigen Befragen und im gegenseitigen Erkennen können wir erfahren, 'nicht<br />

allein gelassen zu sein', wie es Präses Buß in seinem Einleitungswort geschrieben<br />

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Ihm und allen Organisatoren dieser Veranstaltung will ich bereits im Voraus danken.<br />

Ich wünsche uns allen einen anregenden, wirklich gemeinsamen Tag, aus dem wir<br />

mit neuer Kraft und neuer Stärke hervorgehen!

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