Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW

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01.12.2014 Aufrufe

- 71 - ethischer Probleme in Naturwissenschaft und Technik oder Schulpartnerschaften und andere Projekte zu weltweitem Lernen. 23 - Viertens und letztens ist auf den indirekten Beitrag der Kirchen zur Schule hinzuweisen. Dieser Beitrag besteht schlicht und einfach in ihrer öffentlichen Präsenz, dank derer sie als beinahe einzige Institution der modernen Gesellschaft Fragen der Lebensführung latent oder ausdrücklich expliziert und zwar auf der Grundlage überindividueller, identifizierbarer Deutungsmuster. Man muss ihre Deutungsmuster nicht teilen – doch der Qualitätsunterschied zu Einlassungen des Lifestyle-Fernsehens (“Für dich tue ich alles“), aber auch der Pop-Kultur („König der Löwen“) liegt auf der Hand. Die Kirchen leisten „Arbeit an der symbolischen Form des Christentums“, 24 und – die soeben erschienene vierte EKD-Mitgliedschaftsumfrage zeigt es – die Menschen wünschen genau diese Arbeit. Auch wenn sie selbst nicht an Kirche partizipieren, bejahen sie zu einem guten Teil diese Deutearbeit der Institution Kirche. 25 Eben diese öffentliche Präsenz ist der notwendige Hintergrund, der „Lebensrückhalt“ (so hat es die Synode der EKD formuliert 26 ) für die drei anderen zuvor genannten Beiträge von Kirche und christlicher Religion zur Schule – ohne sie wären Religionsunterricht und Schulleben bloß „ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle“ (1. Kor 13,1). Obwohl also die evangelische Kirche bereits in hohem Maße präsent und engagiert ist, könnte sie christliche Präsenz in der Schule durch verschiedene Akzentsetzungen und Initiativen symbolisch oder tatsächlich effektiv verstärken. Vier solcher Akzente will ich nennen. 4.1. Wertschätzung für das Engagement der Religionslehrer/innen zum Ausdruck bringen, aber auch ihr eigenes Engagement nicht unter den Scheffel stellen In einem schönen Buch namens „Mitarbeit in Kirche und Gemeinde“ beschreibt Karl Foitzik, langjähriger Professor für Religionspädagogik an der Ev. Fachhochschule Nürnberg, das magische Viereck der Mitarbeiterpflege: „Wertschätzung, Begleitung, Förderung und Beratung“. 27 Die evangelische Kirche ist um ihre Mitarbeiter/innen im Bereich der religiösen Bildung, um die Religionslehrer/innen eindrücklich bemüht – an zwei Eckpunkten dieses Vierecks würde ich indes noch Verbesserungsbedarf sehen: bei der Begleitung, namentlich der spirituellen Begleitung, und bei der Wertschätzung. „Begleitung“ ist ein weites Feld. Begleitung heißt: Unterstützung anbieten, aber nicht aufdrängen, ermutigen, aber nicht kanalisieren. Im fachlichen Sinne ist diese Form von Begleitung durchaus etabliert; im spirituellen Sinne hingegen nicht. Geistliche Begleitung kann heißen: Religiöse Besinnungstage für Kollegien, kann heißen: Einladung an Einzelne in eine Kommunität oder ein Kloster auf Zeit, kann heißen: Übung in Gebet und Meditation in Form eines Kurses. Doch welche 23 Dazu näherhin Handbuch Evangelische Schulen, Gütersloh 1999. 24 Zitat – gegen den Sinn des dortigen Duktus angeführt – aus Wilhelm Gräb: Sinn fürs Unendliche, Gütersloh 2002, 49. Vgl. auch Reiner Preul: So wahr mir Gott helfe! Religion in der modernen Gesellschaft, Darmstadt 2003. 25 Dazu Wolfgang Huber/Johannes Friedrich/Peter Steinacker (Hg.): Kirche in der Vielfalt ihrer Lebensbezüge, Gütersloh 2006, 457 und 459. 26 Friedrichroda 1997. Bericht über die erste Tagung der neunten Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 22. bis 25. Mai 1997, Hannover 1997, 243-250, hier 250. 27 Karl Foitzik: Mitarbeit in Kirche und Gemeinde, Stuttgart 1998, hier 81.

- 72 - Religionslehrerin oder welcher Religionslehrer fühlt sich in diesem Sinne geistlich begleitet? Zu fragen ist allerdings auch: Welcher Religionslehrer oder welche Religionslehrerin würde sich dies überhaupt wünschen? Umfragen zeigen: Im Vergleich zu anderen Themen möglicher Unterstützung haben daran zwar nur wenige RL Interesse – allerdings ist es insgesamt mehr als ein Viertel der evangelischen Religionslehrerschaft, „eine ausgesprochen große ‚Minderheit’“ 28 ! Und ich möchte zweierlei zu bedenken geben: Die Formulierung des erfragten Items ist nicht besonders einladend geraten („Einübung spiritueller Praxis“); sie lässt jedenfalls nicht erkennen, dass es bei diesem Thema um personorientierte Begleitung, Ermutigung und Bereicherung des eigenen Glaubenslebens geht. Und ein Zweites kommt hinzu: Dass RL für das Thema geistliche Begleitung durchaus offen sein können, zeigt ihr hohes Interesse an Fortbildung zur „Alltagsbedeutung von Religion“ und „erfahrungsbezogenen Zugängen zur Bibel“ – es dürfte den befragten RL klar sein, dass man die Alltagsbedeutung von Religion und erfahrungsbezogene Zugänge zur Bibel nicht erschließen kann, ohne die Bedeutung von Religion für den eigenen Alltag und die eigenen Erfahrungen mit der Bibel bewusst werden zu lassen. Kurz: Die Begleitung von RL durch kirchliche Fortbildungseinrichtungen sollte es auf den Versuch ankommen lassen, stärker zu thematisieren „wo der Glaube wachsen kann“ (Fulbert Steffensky) – der eigene Glaube und derjenige der Schülerinnen und Schüler. Ebenso wichtig – und insgesamt ebenso vernachlässigt – scheint mir „Wertschätzung“ zu sein. Gewiss, die ganze oben angeführte Infrastruktur ist als Ausdruck von Wertschätzung lesbar, aber ad hominem, als persönliche Wertschätzung ist sie nur mit Mühe erkennbar. Unmittelbarer als Zuspruch erlebt werden dürften Dinge wie dieser „erste Lehrerinnen- und Lehrertagder EKvW (10.3.2006), Dinge wie ein Neujahrsempfang der Religionslehrer/innen anlässlich eines neuen Schuljahres (so erlebt im KK Duisburg 2005) oder ein regionaler „Religionslehrertag“ (so üblich im Saarland), ein Supervisionsangebot oder vielleicht auch ein Vokations-Erinnerungstag mit Gottesdienst. Allerdings will ich daneben auch kleine Zeichen der Wertschätzung erwähnen, die zudem zum Ausdruck bringen, dass die Kirche(ngemeinde) um ihre eigene Beteiligung an RU und Schulleben weiß: Wie wäre es, wenn Religionslehrer/innen ihre Arbeit häufiger einmal im Gemeindebrief vorstellen könnten, wenn ihre Namen dort genannt würden, wenn gemeindebezogene Veranstaltungen in der Schule (z.B. Schulgottesdienste) auch im Gemeindeprogramm ausgewiesen würden? Ich lasse es bei diesen Hinweisen und Fragen – und der Überzeugung, dass Gutes im Bereich von Wertschätzung und Begleitung nicht teuer sein muss; das Zeichen zählt. 4.2. Geh-Strukturen im Blick auf Schule aufbauen Eine Gemeinsamkeit der meisten kirchlichen Angebote zur Stärkung des Religionsunterrichts oder der Religionslehrer/innen besteht in Folgendem: Sie setzen voraus, dass Religionslehrer/innen auf sie zugehen oder eben ein Angebot in Anspruch nehmen. Die Kirche arbeitet hier im Paradigma der „Komm-Struktur“. Wer etwas möchte, muss zu ihr kommen. Wenn mich nicht alles täuscht, darf die Kirche nach Meinung der Religionslehrer/innen hier ruhig das Paradigma wechseln und Geh-Strukturen aufbauen. Gewiss: Religionslehrer/innen wünschen sich keineswegs „Kirche in der 28 Andreas Feige/Werner Tzscheetzsch: Christlicher Religionsunterricht im religionsneutralen Staat? Ostfildern/Stuttgart 2005, 40; vgl. 38f.

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Religionslehrerin o<strong>der</strong> welcher Religionslehrer fühlt sich in diesem Sinne geistlich<br />

begleitet? Zu fragen ist allerdings auch: Welcher Religionslehrer o<strong>der</strong> welche<br />

Religionslehrerin würde sich dies überhaupt wünschen?<br />

Umfragen zeigen: Im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Themen möglicher Unterstützung haben<br />

daran zwar nur wenige RL Interesse – allerdings ist es insgesamt mehr als ein Viertel<br />

<strong>der</strong> evangelischen Religionslehrerschaft, „eine ausgesprochen große ‚Min<strong>der</strong>heit’“ 28 !<br />

Und ich möchte zweierlei zu bedenken geben: Die Formulierung des erfragten Items<br />

ist nicht beson<strong>der</strong>s einladend geraten („Einübung spiritueller Praxis“); sie lässt<br />

jedenfalls nicht erkennen, dass es bei diesem Thema um personorientierte<br />

Begleitung, Ermutigung und Bereicherung des eigenen Glaubenslebens geht. Und<br />

ein Zweites kommt hinzu: Dass RL für das Thema geistliche Begleitung durchaus<br />

offen sein können, zeigt ihr hohes Interesse an Fortbildung zur „Alltagsbedeutung<br />

von Religion“ und „erfahrungsbezogenen Zugängen zur Bibel“ – es dürfte den<br />

befragten RL klar sein, dass man die Alltagsbedeutung von Religion und<br />

erfahrungsbezogene Zugänge zur Bibel nicht erschließen kann, ohne die Bedeutung<br />

von Religion für den eigenen Alltag und die eigenen Erfahrungen mit <strong>der</strong> Bibel<br />

bewusst werden zu lassen. Kurz: Die Begleitung von RL durch kirchliche<br />

Fortbildungseinrichtungen sollte es auf den Versuch ankommen lassen, stärker zu<br />

thematisieren „wo <strong>der</strong> Glaube wachsen kann“ (Fulbert Steffensky) – <strong>der</strong> eigene<br />

Glaube und <strong>der</strong>jenige <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler.<br />

Ebenso wichtig – und insgesamt ebenso vernachlässigt – scheint mir<br />

„Wertschätzung“ zu sein. Gewiss, die ganze oben angeführte Infrastruktur ist als<br />

Ausdruck von Wertschätzung lesbar, aber ad hominem, als persönliche<br />

Wertschätzung ist sie nur mit Mühe erkennbar. Unmittelbarer als Zuspruch erlebt<br />

werden dürften Dinge wie dieser „erste Lehrerinnen- und <strong>Lehrertag</strong>“ <strong>der</strong> <strong>EKvW</strong><br />

(10.3.<strong>2006</strong>), Dinge wie ein Neujahrsempfang <strong>der</strong> Religionslehrer/innen anlässlich<br />

eines neuen Schuljahres (so erlebt im KK Duisburg 2005) o<strong>der</strong> ein regionaler<br />

„Religionslehrertag“ (so üblich im Saarland), ein Supervisionsangebot o<strong>der</strong> vielleicht<br />

auch ein Vokations-Erinnerungstag mit Gottesdienst.<br />

Allerdings will ich daneben auch kleine Zeichen <strong>der</strong> Wertschätzung erwähnen, die<br />

zudem zum Ausdruck bringen, dass die Kirche(ngemeinde) um ihre eigene<br />

Beteiligung an RU und Schulleben weiß: Wie wäre es, wenn Religionslehrer/innen<br />

ihre Arbeit häufiger einmal im Gemeindebrief vorstellen könnten, wenn ihre Namen<br />

dort genannt würden, wenn gemeindebezogene Veranstaltungen in <strong>der</strong> Schule (z.B.<br />

Schulgottesdienste) auch im Gemeindeprogramm ausgewiesen würden?<br />

Ich lasse es bei diesen Hinweisen und Fragen – und <strong>der</strong> Überzeugung, dass Gutes<br />

im Bereich von Wertschätzung und Begleitung nicht teuer sein muss; das Zeichen<br />

zählt.<br />

4.2. Geh-Strukturen im Blick auf Schule aufbauen<br />

Eine Gemeinsamkeit <strong>der</strong> meisten kirchlichen Angebote zur Stärkung des<br />

Religionsunterrichts o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Religionslehrer/innen besteht in Folgendem: Sie setzen<br />

voraus, dass Religionslehrer/innen auf sie zugehen o<strong>der</strong> eben ein Angebot in<br />

Anspruch nehmen. Die Kirche arbeitet hier im Paradigma <strong>der</strong> „Komm-Struktur“. Wer<br />

etwas möchte, muss zu ihr kommen.<br />

Wenn mich nicht alles täuscht, darf die Kirche nach Meinung <strong>der</strong><br />

Religionslehrer/innen hier ruhig das Paradigma wechseln und Geh-Strukturen<br />

aufbauen. Gewiss: Religionslehrer/innen wünschen sich keineswegs „Kirche in <strong>der</strong><br />

28 Andreas Feige/Werner Tzscheetzsch: Christlicher Religionsunterricht im religionsneutralen Staat?<br />

Ostfil<strong>der</strong>n/Stuttgart 2005, 40; vgl. 38f.

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