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Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW

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Sozialisationstheoretisch kann Religionsunterricht als zwei- o<strong>der</strong> gar nur einstündiges<br />

Fach allein kaum effizient sein – zu wenig wird er gestützt durch eine quasi<br />

selbstverständliche Partizipation <strong>der</strong> Schüler/innen an Kirche, durch private<br />

kirchennahe Frömmigkeit, durch homogene Sozialisationsimpulse unter peers und<br />

an<strong>der</strong>en signifikanten An<strong>der</strong>en. Das Thema des RU, die Frage nach Gott und nach<br />

dem Sinn des Lebens, kann nur davon profitieren, wenn es gleichsinnig an an<strong>der</strong>en<br />

Orten außerhalb wie innerhalb <strong>der</strong> Schule thematisiert wird.<br />

An dieser Effizienz muss nicht nur die Kirche als (Mit-)Verantwortliche für den RU<br />

Interesse haben, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Staat als verantwortlicher Träger und die Schule<br />

vor Ort. Sie profitiert davon, wenn in <strong>der</strong> Selektions- und Allokationsinstanz Schule<br />

Fenster zur Selbstreflexion, zu altruistischem Verhalten, zu zweckfreiem<br />

Engagement offen gehalten werden. Christlicher Präsenz nicht allein im RU kommt<br />

eine korrektiv-kompensatorische Funktion zu, die gerade in <strong>der</strong> Schule Not tut, weil<br />

die Aufenthaltsdauer von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in <strong>der</strong> Schule immer länger und<br />

immer prägen<strong>der</strong> wird.<br />

Viertens: eine theologische Begründung<br />

Christliche Präsenz in <strong>der</strong> Schule jenseits des RU ist legitim und notwendig, weil<br />

darin christliche Religion authentisch Gestalt findet.<br />

Die Mitte christlicher Religion ist nicht <strong>der</strong> Diskurs darüber, son<strong>der</strong>n die religiöse<br />

Praxis. Glauben ist eine existentielle Grundhaltung, die sich nicht auf Kognition<br />

beschränken lässt, son<strong>der</strong>n auf ethische Bewährung und spirituellen Ausdruck<br />

drängt. Christliche Religion ist mehr als Wissen, sie will gestaltet werden: fides<br />

quaerens expressionem.<br />

Von dieser schlichten Grundüberlegung her ergibt sich, dass einerseits die Inhalte<br />

des Religionsunterrichts auf Angebote gelebter Religion verweisen und angewiesen<br />

sind, dass an<strong>der</strong>erseits Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, die sich<br />

dem Christentum verbunden fühlen, im Zeichen positiver Religionsfreiheit in <strong>der</strong><br />

Schule Raum finden sollten, ihrer Religiosität Ausdruck zu verleihen – zumal dann,<br />

wenn diese zeitlich und sachlich zunehmend als ihr Lebensmittelpunkt fungiert<br />

(Ganztagsschule).<br />

Fünftens: ein ekklesiologisches bzw. kirchenschulpolitisches Argument<br />

Christliche Präsenz in <strong>der</strong> Schule jenseits des RU ist legitim und notwendig, weil sich<br />

darin das Bildungsengagement und das Bildungspotential <strong>der</strong> Kirche nie<strong>der</strong>schlägt,<br />

eben ihr bildungsdiakonisches Selbstverständnis.<br />

Schulgottesdienste, seelsorgliche Angebote u.ä. sind nicht als Streben nach<br />

kirchlich-christlicher (Fremd-)Bestimmung und Überformung <strong>der</strong> Schule zu<br />

verstehen, son<strong>der</strong>n, ökonomisch gesprochen, als Dienstleistung bzw., theologisch<br />

formuliert, als diakonische Tat.<br />

Kirche erweist sich in diesen Angeboten als ‚Kirche für an<strong>der</strong>e’ (Dietrich Bonhoeffer),<br />

<strong>der</strong> es damit nicht um Rekrutierung von Mitglie<strong>der</strong>n, Selbsterhalt o<strong>der</strong><br />

Machtausübung geht, son<strong>der</strong>n um Hilfestellung im Bereich <strong>der</strong> Daseins- und<br />

Wertorientierung, auch um Hilfestellung bei <strong>der</strong> Bewältigung konkreter Übergangsund<br />

Krisensituationen für junge Menschen.<br />

Diese Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist niemand verpflicht, doch es steht je<strong>der</strong>mann<br />

frei. Für die Zielgruppe handelt es sich also um ein freiwillig wählbares Angebot; für<br />

die Kirche bzw. die Christ/innen als Anbieter handelt es sich so gesehen – ich<br />

verweise auf das „Wort zur Schulfrage“ <strong>der</strong> Synode <strong>der</strong> EKD von 1958 – um einen<br />

„freien Dienst an einer freien Schule“.

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