Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW
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- die Profilierung von Schule for<strong>der</strong>t und erfor<strong>der</strong>t die pädagogischen Gaben<br />
und Engagements <strong>der</strong> Lehrerinnen und Lehrer. Profilbildung nimmt sie als<br />
Menschen und Pädagogen mit individuellem Profil und Ethos ernst – und<br />
schreibt sie nicht länger auf eine Rolle als pädagogische Vollzugsbeamte fest.<br />
- die Profilierung von Schule ermöglicht ihr Eingehen auf örtliche<br />
Gegebenheiten: auf die Schülerschaft, auf kommunale gesellschaftliche<br />
Konstellationen, auf beson<strong>der</strong>e Lernchancen, die sich etwa aus <strong>der</strong> Präsenz<br />
bestimmter Wirtschaftsbetriebe, bestimmter kultureller Einrichtungen etc.<br />
ergeben („Öffnung von Schule“).<br />
- die Profilierung von Schule ermöglicht den Aufbau ungewöhnlicher<br />
Bildungsangebote und trägt dem Umstand Rechnung, dass es in <strong>der</strong> Schule<br />
nicht nur standardisierbares Wissen und standardisierbare Fähigkeiten zu<br />
erwerben gibt, son<strong>der</strong>n jeweils neue methodische und fachliche Wege in den<br />
Kosmos des Wissens und Könnens gebahnt werden.<br />
- die Profilierung von Schule wertet „Schulleben“, „Erziehungsarbeit“ und<br />
„überfachliche“ methodische o<strong>der</strong> didaktische Optionen für Unterricht auf – <strong>der</strong><br />
Fachunterricht tritt relativ zurück. 13<br />
Es ist gut, dass all dies gleichsam „offiziell“ wie<strong>der</strong>entdeckt wird – viele mögen darum<br />
gewusst haben und aus diesen Motiven in Schulen gearbeitet haben, aber nun erst<br />
findet es ausdrücklich Anerkennung als schulisch sinnvolle Optionen.<br />
Freilich sind mit <strong>der</strong> Profilierung von Schule auch Schwierigkeiten verbunden:<br />
- Die erste Schwierigkeit ist einem Paradox geschuldet: Die Profilierung von<br />
Schule soll vom Kollegium gestaltet und gewollt werden – und eben dies wird<br />
nun von oben angeordnet. Wie gesagt: Hier begegnet ein schulpolitisches<br />
Paradox, das dem allgemeinen pädagogischen Paradox strukturell verwandt<br />
ist.<br />
- Die zweite Schwierigkeit: Über <strong>der</strong> Individualität von Schule darf nun nicht ins<br />
Hintertreffen geraten, dass Schulen junge Menschen mit vergleichbarem<br />
Wissen und Können ausstatten sollen. Die Einführung von<br />
Bildungsstandards ist insofern ein sachnotwendig komplementäres<br />
Moment gegenwärtiger Schulpolitik. Ob Standards ein taugliches Instrument<br />
sind, ob die Orientierung an ihnen die Profilierung von Schule gleichsam<br />
aufsaugen wird, ob sie den Ungeist des „teaching for testing“ in Schulen<br />
verstärken werden – das muss man sehen. Doch die Spannung zwischen<br />
sinnvoller pädagogischer Profilierung <strong>der</strong> Einzelschule und notwendiger<br />
Allgemeinheit schulischer Bildung muss man sehen und bearbeiten.<br />
- Eine dritte Schwierigkeit: Bemerkenswert wenig ist bei all den Reformen<br />
<strong>der</strong>zeit von <strong>der</strong> Grundidee pädagogischen Handelns die Rede – von <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung des Einzelnen, von „Bildung“ im emphatischen Sinne als Hilfe auf<br />
dem Weg vom Person-sein zum Subjekt-werden. Ausgangspunkt <strong>der</strong><br />
Reformen ist vielmehr die mangelnde Leistungsfähigkeit des Bildungswesens,<br />
die Ertragsverbesserung von Schule ist ihr Ziel. Kurz: Es geht um die<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Organisation „Schule“, nicht um die Schüler/innen<br />
o<strong>der</strong> gar die Lehrerinnen.<br />
Und schließlich möchte ich eine vierte Problemanzeige einspeisen, die unmittelbar zu<br />
unserem heutigen Thema führt. So groß die Koalition <strong>der</strong> Fürsprecher einer<br />
13 Vgl. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hg.): Schulprogrammarbeit auf dem Prüfstand.<br />
Ergebnisse <strong>der</strong> Evaluation, Soest/Bönen 2002, 19.