Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW
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Bild von Kasimir Malewitsch<br />
Sie sehen die ‚Studie zu einem Kruzifix’ von Kasimir Malewitsch aus dem Jahr 1930.<br />
Das Bild wird bestimmt von <strong>der</strong> Gestalt eines Gekreuzigten in eigentümlicher<br />
Kleidung. Das Gesicht zeigt die menschlichen Züge; die Arme sind weit ausgestreckt<br />
und ragen aus dem Bild. Kräftige schräge Linien glie<strong>der</strong>n den Hintergrund; zwei<br />
Kreuze sind zu sehen und ein Gebäude.<br />
Durch die Kreuzesdarstellung ist das Bild offenkundig auf die Christusgeschichte<br />
bezogen; <strong>der</strong> biblische Horizont ist also auch für Schüler sofort gegeben. Indem das<br />
Bild aber die klassische Ikonographie zugleich durchbricht, kann es Assoziationen<br />
und Erfahrungen öffnen: Die bekannte Szene zeigt neue Facetten. Durch das Bild<br />
kann zur Sprache kommen, was sonst verborgen bleibt: Düsteres, Dunkles und<br />
schmerzlich Erinnertes. Die Unbestimmtheit ist essentiell für die Wahrnehmung<br />
dieses Bildes und dann auch die Voraussetzung dafür, daß das Christusbekenntnis<br />
überhaupt ins Spiel kommen kann. Es ist keine traditionelle Darstellung, die fertig<br />
interpretiert und bekannt ist und damit in <strong>der</strong> Distanz bleibt. Eine klassische<br />
Kreuzesdarstellung würde für die Schüler wohl nur als Wie<strong>der</strong>holung des ihnen<br />
längst Bekannten wahrgenommen. Weil das Bild skizzenhaft bleibt und die Tradition<br />
gleichermaßen aufnimmt und bricht, eröffnet es Wahrnehmungen. Als Kunstwerk<br />
erfor<strong>der</strong>t es aber auch, daß ich mich mühe, mit ihm ins Gespräch zu kommen. In<br />
dieser Mühe erkenne ich schon den Anfang zu einer religiösen Sprachfähigkeit.