Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW
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Zur Achtung und zum Respekt gehört aber auch, daß man die Schüler in ihrer Suche<br />
nicht allein läßt. Die religionspädagogische For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schülerorientierung<br />
bedeutet darum nicht, daß die Kriterien, die den Religionsunterricht tragen, unscharf<br />
werden dürften. Daß das auch die Religionslehrerinnen und -lehrer als die zentrale<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung in ihrer Tätigkeit wahrnehmen und Religionsunterricht nicht in<br />
Stoffvermittlung aufgehen lassen wollen, hat die jüngst erschienene Studie zur<br />
„’Religion’ bei ReligionslehrerInnen“ 3 deutlich dokumentiert. Pointiert gesagt: Die<br />
Religionslehrer und –lehrerinnen sind frömmer als es ihnen große Teile <strong>der</strong><br />
Religionspädagogik erlauben wollen. Wie die starke christliche Motivation aber im<br />
Religionsunterricht zur Geltung kommen kann, ist das Problem, zu dessen<br />
Bearbeitung ich heute beitragen möchte. Weil das eine nicht auf Kosten des an<strong>der</strong>en<br />
gehen darf, will ich nach einem Weg des Lernens an <strong>der</strong> Schule fragen, in dem<br />
religiöse Individualität und Christusbekenntnis miteinan<strong>der</strong> ins Gespräch kommen.<br />
Ich will im ersten Teil an einem didaktischen Beispiel zeigen, daß <strong>der</strong> Bezug<br />
zwischen religiöser Individualität und Christusbekenntnis das Unterrichtsgeschehen<br />
nicht blockieren muß, son<strong>der</strong>n gerade erst in Bewegung setzen kann. Auf diesem<br />
Hintergrund soll dann in einem zweiten Teil genauer überlegt werden, was religiöse<br />
Individualität überhaupt heißen kann; dabei sind auch die Ambivalenzen, die zu<br />
diesem Begriff gehören, genauer in den Blick zu nehmen. Der dritte Teil führt dann<br />
aus, warum religiöse Individualität und Christusbekenntnis gerade nicht im<br />
Wi<strong>der</strong>spruch stehen, son<strong>der</strong>n aufeinan<strong>der</strong> verweisen. Im abschließenden vierten<br />
Teil werden die bisherigen Überlegungen wie<strong>der</strong> zurückgeführt in die Situation des<br />
Religionsunterrichts: Was ich pädagogisch wie theologisch als Zusammenhang von<br />
religiöser Individualität und Christusbekenntnis zeigen will, muß sich dort bewähren.<br />
Eine Begegnung mit dem Gekreuzigten<br />
Ich beginne mit einem Bild, weil Bil<strong>der</strong> nicht festlegen müssen. Der Musiker Michel<br />
Portal hat einmal gesagt: ‚Nichts ist unvernünftiger als ein Bild.’ Das macht Bil<strong>der</strong> für<br />
den Religionsunterricht so wichtig. ‚Unvernünftig’ kann hier heißen, daß ein Bild eine<br />
Vielzahl von Wahrnehmungen und Assoziation zuläßt, so daß sich für die Schüler die<br />
Möglichkeit ergibt, sich in den Raum hinein zu artikulieren, den das Bild öffnet, aber<br />
nicht festlegt. Das setzt natürlich voraus, daß die Bil<strong>der</strong> nicht lediglich als Illustration<br />
dienen und nicht einfach als Hinführung zum ‚Eigentlichen’ verbraucht werden. Bei<br />
Bil<strong>der</strong>n besteht immer die Gefahr, daß man etwas Bestimmtes damit will, bis dahin,<br />
daß ein Lehrer sagt: „seht ihr denn nicht, daß ...“ Damit wäre für die Schüler <strong>der</strong><br />
Raum <strong>der</strong> eigenen Wahrnehmungen verschlossen, bevor er eröffnet ist. So<br />
verständlich es ist, daß man seine Ziele im Religionsunterricht auch erreichen will –<br />
die Chance <strong>der</strong> Arbeit mit Bil<strong>der</strong>n besteht darin, daß das Ungeordnete und noch<br />
Unvernünftige zur Sprache kommt. Ein Bild ist eine Einladung, aus sich<br />
herauszugehen, um neu zu sehen. Das ist nicht ohne Risiko für den geplanten<br />
Unterrichtsablauf. Aber an diesem Risiko hängt die Möglichkeit des Lernens im<br />
Religionsunterricht.<br />
3<br />
‚Religion’ bei ReligionslehrerInnen. Religionspädagogische Zielvorstellungen und religiöses<br />
Selbstverständnis in empirisch-soziologischen Zugängen. Berufsbiographische Fallanalysen und eine<br />
repräsentative Meinungserhebung unter evangelischen ReligionslehrerInnen in Nie<strong>der</strong>sachsen; hg.<br />
von Andreas Feige u.a., Münster 2000.