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Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW

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Prof. Dr. Ingrid Schoberth<br />

Religiöse Individualität und Christusbekenntnis. 1<br />

Theologische und didaktische Perspektiven für den Religionsunterricht<br />

„Ich bestimme selbst, was ich glauben will und was nicht; wenn ich will, daß ich im<br />

Licht stehe, dann stehe ich im Licht und wenn ich will, daß ich im Dunkel stehe, dann<br />

stehe ich im Dunkeln“. Dieser Satz eines Schülers <strong>der</strong> 9. Klasse scheint mir<br />

signifikant für die Frage nach <strong>der</strong> religiösen Individualität. Er drückt ein starkes<br />

Verlangen aus nach Selbstbestimmung, gerade im Feld des Religiösen. Er<br />

signalisiert seine Entschlossenheit, seinen Glauben selbst in die Hand zu nehmen.<br />

Und er will auch nicht, daß man ihm seine schlechten Gefühle nimmt; wenn er schon<br />

Zeiten hat, in denen es dunkel ist, dann will er dafür selbst verantwortlich sein.<br />

In gewisser Weise spricht sich in diesem Votum des Schülers aus, was<br />

Religionsunterricht zum Ziel haben soll: eine religiöse Individualität, die auf<br />

Selbstbestimmung basiert. Respekt vor <strong>der</strong> religiösen Individualität <strong>der</strong> Schüler ist die<br />

Voraussetzung dafür, mit ihnen ins Gespräch zu kommen; und es ist eine gute<br />

protestantische Überzeugung, in Glaubensdingen sich nichts vorschreiben zu lassen.<br />

Und dennoch stehen Religionslehrerinnen und -lehrer hier vor einem Dilemma. Der<br />

zitierte Schüler wollte mit seiner Formulierung seine Versuche mit okkulten Praktiken<br />

legitimierten: Kann ich das einfach als legitime religiöse Selbstbestimmung auf sich<br />

beruhen lassen? Ist hier <strong>der</strong> Religionsunterricht zu seinem Ziel gekommen o<strong>der</strong><br />

braucht <strong>der</strong> Schüler nicht vielmehr Lernmöglichkeiten, mit dem, was ihn bedrängt,<br />

an<strong>der</strong>s umzugehen als in okkulten Praktiken? Verbirgt er hinter seiner<br />

entschlossenen Selbstbestimmung seine Unsicherheit und sein Suchen? Wie ist mit<br />

ihm ins Gespräch kommen, daß einerseits seine Individualität Raum findet und<br />

zugleich das zur Geltung kommt, was ich zunächst noch unbestimmt mit dem Wort<br />

„Christusbekenntnis“ umschreiben möchte? „Christusbekenntnis“ soll dabei für das<br />

Spezifische des Religionsunterrichts stehen. Darauf werde ich noch zurückkommen.<br />

Die gegenwärtige Religionspädagogik betont mit Recht die Bedeutung <strong>der</strong> religiösen<br />

Individualität <strong>der</strong> Schüler; Jürgen Henkys und Friedrich Schweitzer stellen heraus:<br />

„Wenn es <strong>der</strong> Religionspädagogik nicht gelingt, sich auf die individuelle Religion zu<br />

beziehen, läßt sich keines ihrer Ziele erreichen.“ 2 Sie haben auch weiterhin Recht,<br />

wenn sie davor warnen, die Jugendlichen und ihre Religiosität vorschnell als<br />

hedonistisch und indifferent zu charakterisieren, weil das leicht abschätzig werden<br />

kann und die Sachlage kaum trifft. Wie die verschiedenen Jugendstudien <strong>der</strong> letzten<br />

Jahre zeigen, sind die Jugendlichen keineswegs weniger moralisch; sie sind vielmehr<br />

unsicher. Sie verdienen zunächst Achtung und Respekt in ihrem Suchen nach<br />

eigenen Wegen; zumal <strong>der</strong> Schüler ja unzweifelhaft Recht hat: In Glaubensdingen<br />

kann ihm letztlich niemand etwas vorschreiben.<br />

1 Vortrag auf dem „Tag für Lehrerinnen und Lehrer in <strong>der</strong> ev. Kirche von Westfalen“ am 10.03.<strong>2006</strong> in<br />

Dortmund.<br />

2<br />

Jürgen Henkys/ Friedrich Schweitzer, Atheismus – Religion – Indifferenz. Zur Situation <strong>der</strong><br />

Jugend in beiden Teilen Deutschlands vor und nach dem Fall <strong>der</strong> Mauer, in: PTh 85, 1996, 490–507,<br />

501. Henkys/Schweitzer betonen weiter: „Es hilft nicht weiter, Jugendliche als egozentrisch o<strong>der</strong><br />

hedonistisch zu bezeichnen o<strong>der</strong> ihre Indifferenz zu beklagen. Solche Charakterisierungen von<br />

Jugend stehen in <strong>der</strong> Gefahr abschätzig zu werden, ... und ... Sündenböcke zu identifizieren, die für<br />

die Erfolglosigkeit <strong>der</strong> eigenen Arbeit verantwortlich gemacht werden können.“ (aaO).

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