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Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW

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erleichtert sagen: Gott sei Dank! – nicht für alle Jugendlichen gleichermaßen. Dies<br />

gilt aber insbeson<strong>der</strong>e für Jugendliche, die durch schulisches Scheitern und<br />

Versagenskarrieren gekennzeichnet sind und die Lehrer als signifikante,<br />

vertrauensvolle und anerkennende An<strong>der</strong>e benötigen, um überhaupt wie<strong>der</strong> Mut für<br />

schulische Bildungsprozesse zu schöpfen und sich fachlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen zu<br />

stellen. Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e auch für Jugendliche, die biographisch und von ihren<br />

Lebenszusammenhängen stark belastet o<strong>der</strong> destabilisiert sind und verständnisvolle<br />

und emphatische Lehrer benötigen, damit sich nicht auch noch ihre schulische<br />

Situation destabilisiert. Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e auch für Jugendliche, die über<br />

schulische Bildung Transformationen und Verän<strong>der</strong>ungen gegenüber ihrem<br />

Herkunftsmilieu anstreben (vgl. etwa das Beispiel von Tobias Silone) und hier Lehrer<br />

benötigen, die als Bildungsanwälte, Impuls- und Ratgeber und mitunter auch als<br />

Identifikationsfiguren dienen können. Das bedeutet nicht, dass Lehrer nun entgrenzt<br />

für alles zuständig sein müssen – also als Lehrer zugleich auch noch als Seelsorger,<br />

Sozialpädagoge, Jugend- o<strong>der</strong> Familientherapeut, Berufsberater etc. fungieren<br />

sollen.<br />

Wenn die Diagnosen tragen, dass Jugendliche stärker an selbstbestimmten,<br />

eigenständigen Entscheidungsmöglichkeiten und früheren Autonomieansprüchen<br />

orientiert sind und diese auch an Schule und Lehrer herantragen und dies zum einen<br />

in kritische Einschätzungen <strong>der</strong> Schule als eines fremdbestimmten Raumes münden<br />

kann, dies zum an<strong>der</strong>en aber auch zu kommunikativer Dauerbelastung und<br />

Entsicherung führen kann, dann gilt es für Lehrerinnen und Lehrer beides<br />

anzunehmen: Zum einen gilt es die Schule als jugendlichen Partizipationsraum<br />

zu stärken und die Autonomieansprüche <strong>der</strong> Jugendlichen stärker zur Geltung<br />

kommen zu lassen. Dies kann bis zu mehr o<strong>der</strong> weniger weit reichenden Modellen<br />

<strong>der</strong> Just-Community gehen, wie sie Lawrence Kohlberg entwickelt hat (vgl. etwa<br />

Oser/Althof 1992). Darin aber gilt es zum an<strong>der</strong>en übergreifend gültige, gemeinsam<br />

gestaltete und beschlossene Mindestregeln und Rituale zu institutionalisieren, in<br />

<strong>der</strong>en Rahmen weiterhin grundlegende Aushandlungen möglich sind, mittels <strong>der</strong>er<br />

aber zugleich ein verbindliches Regelwerk geschaffen wird, das Strukturen setzt und<br />

Orientierung ermöglicht, also: kommunikativ erzeugte Mindestverbindlichkeit und<br />

strukturgebende Verlässlichkeit, auf <strong>der</strong> Grundlage großer<br />

Partizipationsmöglichkeiten. Allerdings etwas, das mit neuen Schülergenerationen<br />

immer wie<strong>der</strong> erneuert und eventuell auch verän<strong>der</strong>t werden muss, weil das, was mit<br />

Schülerinnen und Schülern vor sechs Jahren ausgehandelt worden ist, angesichts<br />

einer neuen Schülergeneration bereits wie<strong>der</strong>um als außen- und fremdgesetzt<br />

erscheint.<br />

Wenn die Gesamtdiagnosen zu den Verän<strong>der</strong>ungen im Verhältnis von Schule und<br />

Jugend bilanziert werden, dann wird deutlich, dass daraus eine größere<br />

Störanfälligkeit, Fragilität und Erschwernisse für die Errichtung von<br />

Arbeitsbündnissen zwischen Lehrern und Schülern resultieren. Zu den skizzierten<br />

strukturellen Problemen und Belastungen bei <strong>der</strong> Errichtung eines professionellen<br />

Arbeitsbündnisses für Lehrerinnen und Lehrer kommen weitere Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

hinzu, die mit <strong>der</strong> Verschiebung von Machtbalancen, <strong>der</strong> Autonomisierung von<br />

Jugendlichen, dem Verlust von absichernden Traditionsstützen und Gratiskräften auf<br />

Seiten <strong>der</strong> Lehrer, <strong>der</strong> stärkeren Begründungsbedürftigkeit schulischer Prozesse<br />

angesichts konkurrieren<strong>der</strong> Lernmöglichkeiten – um nur einiges zu nennen –<br />

einhergehen. Man mag das beklagen und die große Anstrengung und Kraft bis hin<br />

zur Erschöpfung, die das auch kostet, anführen. Darin liegen an<strong>der</strong>erseits auch

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