01.12.2014 Aufrufe

Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW

Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW

Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

- 38 -<br />

ja, was euch erwartet, wenn ihr nicht ...! O<strong>der</strong>: In einem halben Jahr wird sich ja<br />

zeigen, wer von euch bei dieser Arbeitshaltung den Übergang in die Oberstufe<br />

schafft...!<br />

- Für die Jugendlichen können im Extremfall daraus zusätzliche Belastungen<br />

resultieren, wie ein Jugendlicher im Wechsel von einer noch relativ stark<br />

autoritativ geführten Schule auf eine liberale Gesamtschule formulierte: „Und da<br />

hab ich gemerkt, die Lehrer machen dir hier den Druck nicht mehr. Und da muss<br />

ich mir den Druck selber machen, wenn ich mein Abi bekommen will.“ In diesem<br />

Fall werden Jugendliche auf sich verwiesen, auf ihre Selbstdisziplinierung, indem<br />

die Pädagogen die Jugendlichen bei ihren eigenen Selbständigkeitsansprüchen<br />

„packen“ und sie auf ihre eigene Verantwortlichkeit, ihre Zuständigkeit verweisen,<br />

also das „Konzept des „individualisierten Fähigkeitsbesitzers“, <strong>der</strong><br />

selbstverantwortlich etwas aus sich machen will und muss, auf die Jugendlichen<br />

beziehen.<br />

Kurz: Wenn Lehrerinnen und Lehrer immer weniger mit einer autoritären Haltung<br />

Jugendlichen gegenüber treten, so ist dies einerseits als eine Humanisierung <strong>der</strong><br />

pädagogischen Beziehungen zu würdigen. An<strong>der</strong>erseits sind damit die Zwänge nicht<br />

verschwunden, son<strong>der</strong>n an fern wirkende, kaum beeinflussbare systemische<br />

Drohungen übergegangen. Diese schweben wie ein Damoklesschwert über den<br />

Jugendlichen, denen es angesichts dessen, dass Pädagogen ihnen gegenüber<br />

weniger als personalisierte Kontrollmacht in Erscheinung treten, gelingen muss, sich<br />

selbst so zu disziplinieren und zu kontrollieren, dass sie ihre Bildungslaufbahn<br />

sicherstellen können.<br />

Vom Bildungsmoratorium zur Ambivalenz von Schule und Jugendkultur –<br />

zwischen „Leistungsaskese“ und „Erlebnisekstase“<br />

- Jugendliche leben nicht mehr nur in einem „Bildungsmoratorium“, also einer für<br />

Bildung, Fähigkeits- und Wissensaneignung vorgesehenen relativ entlasteten<br />

Zeit, die allerdings – angesichts <strong>der</strong> skizzierten Verän<strong>der</strong>ungen – durchaus<br />

immer stärker auch Ernstcharakter erhält. Sie leben gleichzeitig in einem<br />

jugendkulturellen Raum, <strong>der</strong> um Erlebnis und expressive Events zentriert und in<br />

den letzten Jahrzehnten enorm expandiert ist (vgl. schon Zinnecker 1987).<br />

- Diese unterschiedlichen Räume mit ihren unterschiedlichen Prinzipien <strong>der</strong><br />

Lebensführung, unterschiedlichen Erwartungen und Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

auszubalancieren, miteinan<strong>der</strong> zu vereinbaren, das Eine nicht auf Kosten des<br />

An<strong>der</strong>en zu vernachlässigen, das ist eine zentrale Hausfor<strong>der</strong>ung für<br />

Jugendliche. Jugendliche befinden sich also mitunter in einer Zerreißprobe<br />

zwischen dem gefor<strong>der</strong>ten Schülerhabitus des zielstrebigen, selbstkontrollierten<br />

und erfolgszentrierten Erwerbsmenschen (vgl. Fend 1991, <strong>2006</strong>) und dem<br />

jugendkulturellen Habitus des erlebnisorientierten, ekstatischen und expressiven<br />

Genussmenschen.<br />

- Dadurch, dass die Peers gleichermaßen in <strong>der</strong> Schule anwesend sind, kommt es<br />

zu einer jugendkulturellen Durchdringung <strong>der</strong> Schule. Jugend tritt damit innerhalb<br />

<strong>der</strong> Schule auch in einer nicht schulischen Form zu Tage. Jugendliche<br />

durchdringen damit den Unterricht, die Pausen, die Freizeiten <strong>der</strong> Schule mit<br />

jugendkulturellen Gehalten, Stilen, sinnlich-expressiven und erotischen<br />

Bedeutungen und Erfahrungen.<br />

- Bedeutsam ist, dass Jugendliche in <strong>der</strong> Schule, im Unterricht somit „zwei Stücke“<br />

vor unterschiedlichem Publikum aufführen: Was auf Seiten des offiziellen<br />

Unterrichts und <strong>der</strong> Lehrer Anerkennung und Applaus einbringt, kann auf Seiten

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!