Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW
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ja, was euch erwartet, wenn ihr nicht ...! O<strong>der</strong>: In einem halben Jahr wird sich ja<br />
zeigen, wer von euch bei dieser Arbeitshaltung den Übergang in die Oberstufe<br />
schafft...!<br />
- Für die Jugendlichen können im Extremfall daraus zusätzliche Belastungen<br />
resultieren, wie ein Jugendlicher im Wechsel von einer noch relativ stark<br />
autoritativ geführten Schule auf eine liberale Gesamtschule formulierte: „Und da<br />
hab ich gemerkt, die Lehrer machen dir hier den Druck nicht mehr. Und da muss<br />
ich mir den Druck selber machen, wenn ich mein Abi bekommen will.“ In diesem<br />
Fall werden Jugendliche auf sich verwiesen, auf ihre Selbstdisziplinierung, indem<br />
die Pädagogen die Jugendlichen bei ihren eigenen Selbständigkeitsansprüchen<br />
„packen“ und sie auf ihre eigene Verantwortlichkeit, ihre Zuständigkeit verweisen,<br />
also das „Konzept des „individualisierten Fähigkeitsbesitzers“, <strong>der</strong><br />
selbstverantwortlich etwas aus sich machen will und muss, auf die Jugendlichen<br />
beziehen.<br />
Kurz: Wenn Lehrerinnen und Lehrer immer weniger mit einer autoritären Haltung<br />
Jugendlichen gegenüber treten, so ist dies einerseits als eine Humanisierung <strong>der</strong><br />
pädagogischen Beziehungen zu würdigen. An<strong>der</strong>erseits sind damit die Zwänge nicht<br />
verschwunden, son<strong>der</strong>n an fern wirkende, kaum beeinflussbare systemische<br />
Drohungen übergegangen. Diese schweben wie ein Damoklesschwert über den<br />
Jugendlichen, denen es angesichts dessen, dass Pädagogen ihnen gegenüber<br />
weniger als personalisierte Kontrollmacht in Erscheinung treten, gelingen muss, sich<br />
selbst so zu disziplinieren und zu kontrollieren, dass sie ihre Bildungslaufbahn<br />
sicherstellen können.<br />
Vom Bildungsmoratorium zur Ambivalenz von Schule und Jugendkultur –<br />
zwischen „Leistungsaskese“ und „Erlebnisekstase“<br />
- Jugendliche leben nicht mehr nur in einem „Bildungsmoratorium“, also einer für<br />
Bildung, Fähigkeits- und Wissensaneignung vorgesehenen relativ entlasteten<br />
Zeit, die allerdings – angesichts <strong>der</strong> skizzierten Verän<strong>der</strong>ungen – durchaus<br />
immer stärker auch Ernstcharakter erhält. Sie leben gleichzeitig in einem<br />
jugendkulturellen Raum, <strong>der</strong> um Erlebnis und expressive Events zentriert und in<br />
den letzten Jahrzehnten enorm expandiert ist (vgl. schon Zinnecker 1987).<br />
- Diese unterschiedlichen Räume mit ihren unterschiedlichen Prinzipien <strong>der</strong><br />
Lebensführung, unterschiedlichen Erwartungen und Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
auszubalancieren, miteinan<strong>der</strong> zu vereinbaren, das Eine nicht auf Kosten des<br />
An<strong>der</strong>en zu vernachlässigen, das ist eine zentrale Hausfor<strong>der</strong>ung für<br />
Jugendliche. Jugendliche befinden sich also mitunter in einer Zerreißprobe<br />
zwischen dem gefor<strong>der</strong>ten Schülerhabitus des zielstrebigen, selbstkontrollierten<br />
und erfolgszentrierten Erwerbsmenschen (vgl. Fend 1991, <strong>2006</strong>) und dem<br />
jugendkulturellen Habitus des erlebnisorientierten, ekstatischen und expressiven<br />
Genussmenschen.<br />
- Dadurch, dass die Peers gleichermaßen in <strong>der</strong> Schule anwesend sind, kommt es<br />
zu einer jugendkulturellen Durchdringung <strong>der</strong> Schule. Jugend tritt damit innerhalb<br />
<strong>der</strong> Schule auch in einer nicht schulischen Form zu Tage. Jugendliche<br />
durchdringen damit den Unterricht, die Pausen, die Freizeiten <strong>der</strong> Schule mit<br />
jugendkulturellen Gehalten, Stilen, sinnlich-expressiven und erotischen<br />
Bedeutungen und Erfahrungen.<br />
- Bedeutsam ist, dass Jugendliche in <strong>der</strong> Schule, im Unterricht somit „zwei Stücke“<br />
vor unterschiedlichem Publikum aufführen: Was auf Seiten des offiziellen<br />
Unterrichts und <strong>der</strong> Lehrer Anerkennung und Applaus einbringt, kann auf Seiten