Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW
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und <strong>der</strong> Lerngruppe verpflichtet? Beides gleichermaßen zu leisten, führt mitunter<br />
in professionsethische Dilemmata (vgl. Oser 1998), da Lehrer mit ihren<br />
Selektionsentscheidungen auch zur Erschwerung o<strong>der</strong> gar zum Scheitern von<br />
Bildungsprozessen und Bildungslaufbahnen beitragen (vgl. Cortina u.a. 2003,<br />
Helsper/Hummrich 2005, Baumert u.a. <strong>2006</strong>).<br />
- Damit geht – im Unterschied zu an<strong>der</strong>en Professionen – eine weitere Belastung<br />
des Arbeitsbündnisses einher: Schüler müssen zur Schule, da sie <strong>der</strong><br />
Schulpflicht bis zum Ende <strong>der</strong> Sekundarstufe I unterliegen. Im Unterschied zu<br />
an<strong>der</strong>en Professionen – etwa Ärzten, Therapeuten, Anwälten, Seelsorgern –<br />
kommen die Klienten <strong>der</strong> Lehrer nicht freiwillig zu ihnen, verbunden mit <strong>der</strong><br />
Möglichkeit <strong>der</strong> freien Anwahl <strong>der</strong> Professionellen. We<strong>der</strong> die Lehrer, noch die<br />
Schüler können auswählen. Somit ist für die Profession <strong>der</strong> Lehrer die<br />
Zwangskopplung <strong>der</strong> Normalfall, wodurch die Spannung von Zwang und<br />
Autonomie beson<strong>der</strong>s angespannt wird. Daraus resultieren auch die<br />
Assoziationen, die den Lehrer immer wie<strong>der</strong> in eine Nähe zum Dompteur und<br />
Wärter rücken, was Adorno in seinen Tabus über den Lehrberuf so eindrücklich<br />
gefasst hat. Ulrich Oevermann (1996) geht soweit, den Schulzwang als<br />
strukturelle Ursache vieler Belastungen und Probleme im Lehrerhandeln zu<br />
bestimmen und darin ein grundlegendes Hin<strong>der</strong>nis für die weitere<br />
Professionalisierung des Lehrberufs zu sehen.<br />
- Lehrerinnen und Lehrer sind – obwohl für Professionen insgesamt<br />
kennzeichnend – beson<strong>der</strong>s deutlich mit dem „Technologiedefizit“ konfrontiert:<br />
Zwar verfügen Lehrerinnen und Lehrer in aller Regel über ein ausdifferenziertes<br />
methodisches und (fach)didaktisches Wissen und Handlungsrepertoire (vgl.<br />
Bauer 1997), über die Gestaltung, den Aufbau, den Ablauf und die<br />
Aufeinan<strong>der</strong>folge von Fachinhalten über die Jahrgangsstufen hinweg. Sie<br />
müssen aber in beson<strong>der</strong>s komplexen, von vielen Rahmenbedingungen und<br />
Hintergründen beeinflussten sozialen Kontexten agieren, was eine systematische<br />
Kontrolle <strong>der</strong> Erfolgsbedingungen sehr erschwert.<br />
- Dies hängt auch damit zusammen, dass Lehrer mit vielen und zudem großen<br />
Gruppen von Schülern agieren. Das unterscheidet sie von allen Professionen,<br />
die vorrangig mit dyadischen Konstellationen und kleineren Fallzahlen zu tun<br />
haben. Das trägt zu einer beson<strong>der</strong>en Schwierigkeit im reflektierten Umgang mit<br />
Typisierungen und Verallgemeinerungen (so einer, Fall von etc.) einerseits und<br />
einer auf die spezifische Lerngruppe, Untergruppen o<strong>der</strong> die einzelnen Schüler<br />
bezogenen individuellen und einzelfallspezifischen Lerndiagnose bei. Denn <strong>der</strong><br />
Umgang mit großen Schülerzahlen erzwingt gewissermaßen Homogenisierung<br />
und Typisierung, auch die Konstruktion eines „Normschülers“, dem häufig nur ein<br />
kleiner Teil <strong>der</strong> Klasse entspricht. Und die große Schülerzahl erschwert<br />
individualisierende, einzelfallspezifische und differenzierende Perspektiven. Aus<br />
<strong>der</strong> Konfrontation mit Schülergruppen in Form von Klassen, die zumeist noch<br />
nicht volljährig und lebenspraktisch autonom sind, resultiert zudem eine äußerst<br />
komplexe triadische Struktur des pädagogischen Arbeitsbündnisses, das die<br />
an<strong>der</strong>er professioneller Arbeitsbündnisse an Komplexität deutlich übertrifft:<br />
Dieses muss individualisierend mit den einzelnen Schülern bestehen. Diese<br />
dyadischen Arbeitsbündnisse zwischen Lehrer und einzelnen Schülern müssen<br />
aber in den Kontext eines Bündnisses mit <strong>der</strong> gesamten Klasse als Lerngruppe<br />
eingebettet sein, das durch Gerechtigkeit und Gleichbehandlung aller<br />
gekennzeichnet sein muss. Und drittens muss – wegen <strong>der</strong> fehlenden<br />
Volljährigkeit – ebenfalls ein Arbeitsbündnis mit den Eltern geschlossen werden.<br />
Nicht nur deswegen, weil Eltern für die schulische Bildung ihrer Kin<strong>der</strong>