Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW
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sogenannten „höhersymbolischen Sinnwelten“ auch Barrieren <strong>der</strong> Zugänglichkeit<br />
errichten (vgl. Schütze 1996).<br />
- Die Beziehungsstruktur zwischen Klienten und Professionellen ist daher auch<br />
asymmetrisch, durch eine ungleiche Machtverteilung gekennzeichnet, weil sich<br />
Klienten in <strong>der</strong> Regel in einer krisenhaften o<strong>der</strong> bedürftigen Situation befinden,<br />
von den Interventionen <strong>der</strong> Professionellen abhängig sind und ihnen zugleich <strong>der</strong><br />
umfassende Einblick in die Wissensbestände, die Hintergründe und die<br />
Grundlagen <strong>der</strong> professionellen Entscheidungen fehlen. Professionelle haben<br />
somit häufig die Definitionsmacht, greifen mitunter tief in die Persönlichkeit und<br />
die physische o<strong>der</strong> psychosoziale Integrität ihrer Klientel ein. Daraus resultiert<br />
auch die Gefahr, die von Professionellen ausgehen kann, wenn sie<br />
unangemessen, mit falscher Diagnose, unachtsam, vorschnell verallgemeinernd,<br />
mit zu wenig Zeit, unter zu starkem äußeren Handlungsdruck etc. entscheiden<br />
und handeln müssen. Professionelle können damit selbst zur<br />
Problemgenerierung, ja zur Verschärfung von lebenspraktischen Krisen<br />
beitragen, die sie ja im Zusammenspiel mit ihrer Klientel eigentlich lösen o<strong>der</strong><br />
bearbeiten sollen. Und diese Risiken wachsen in dem Maße, in dem<br />
Professionelle immer umfassen<strong>der</strong> in lebenspraktische Entscheidungen, den<br />
Lebensverlauf, die Entwicklung <strong>der</strong> Person, die Definition und Kontrolle dessen,<br />
was angemessen, „normal“ und Standard ist, einbezogen sind. Für Lehrkräfte ist<br />
dies evident, denn einerseits ist die unterschiedliche För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Kompetenzentwicklung für den weiteren Lebensweg von großer Bedeutung und<br />
zum an<strong>der</strong>en greifen sie ganz entscheidend mit ihren Leistungsbewertungen,<br />
Bildungsgangentscheidungen und <strong>der</strong> Vergabe von Abschlüssen in die<br />
jugendliche Selbstentwicklung und die zukünftige Chancenstruktur ihrer Klientel<br />
ein.<br />
- Zudem sind Professionelle in ein grundlegendes Dilemma eingerückt: Sie<br />
müssen handeln, müssen entscheiden, selbst wenn sie sich unsicher sind, die<br />
Diagnose ungewiss, die Sachlage nicht klar und die Gründe für die Komplikation<br />
offen erscheinen. Sie unterliegen einem Entscheidungszwang können nicht<br />
Nicht-Handeln. Wenn <strong>der</strong> Unterrichtsverlauf ins Stocken gerät, sich in <strong>der</strong> Klasse<br />
Unruhe verbreitet, die Schüler uninteressiert erscheinen o<strong>der</strong><br />
Verständnisprobleme auftauchen, immer wie<strong>der</strong> dieselben Fehler auftreten, noch<br />
so gut gemeinte Aktivierungsvorschläge versanden, in all diesen Fällen müssen<br />
von Lehrern blitzschnell und unter teilweise starkem Handlungsdruck,<br />
Entscheidungen getroffen werden. Dies macht die Riskanz des professionellen<br />
Handelns aus, dass ja nicht nur Handeln in Selbstverantwortung, son<strong>der</strong>n<br />
zugleich in Verantwortung für An<strong>der</strong>e ist.<br />
- Zugleich befinden sich die Professionsakteure in einer eher unglücklichen<br />
Position: Bei aller Macht und Überlegenheit, die sie besitzen, können sie ihre<br />
Ziele – Gesundung, psychisches Wohlbefinden, Gottesglaube, Wissen und<br />
Können – nicht unproblematisch durch ihr eigenes Tun erreichen. Sie benötigen<br />
die Mitwirkung ihrer Klientel, ja, das was erreicht werden soll, ist gerade nur<br />
auf Seiten <strong>der</strong> Klienten herzustellen, die daran mitwirken, mitarbeiten, sich<br />
anstrengen und aktiv sein müssen. Was Professionelle erreichen wollen, liegt auf<br />
<strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en und dem direkten Zu- und Eingriff entzogen: Den Satz des<br />
Pythagoras kann <strong>der</strong> Lehrer/die Lehrerin zwar methodisch geschickt, interessant,<br />
medial vielfältig und an die Vorerfahrungen <strong>der</strong> Schüler anknüpfend vermitteln,<br />
aber nicht stellvertretend für die Schüler verstehen. Auf die Seite <strong>der</strong> Aneignung,<br />
den eigentlichen Bildungsprozess, <strong>der</strong> ein konstruktiver psychischer, emotionaler<br />
und kognitiver Vorgang ist, können Lehrkräfte nur mittelbar Einfluss nehmen.