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Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW

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1. Aufgaben des Lehrberufs als „pädagogischer Profession“<br />

Der Lehrberuf soll hier als Profession bestimmt werden: Professionen – die<br />

klassischen: etwa Medizin und Recht, Seelsorge, die neueren: etwa Therapeuten<br />

o<strong>der</strong> Pädagogen – sind durch verschiedene, für sie grundlegende Strukturmerkmale<br />

gekennzeichnet:<br />

- Sie verantworten zentrale gesellschaftliche Werte, knappe Güter, die sie<br />

„zuteilen“, herstellen o<strong>der</strong> ermöglichen: Für die Jurisprudenz die<br />

Wie<strong>der</strong>herstellung o<strong>der</strong> Ermöglichung von Gerechtigkeit, für die Medizin<br />

physische Gesundheit, zumindest die Erträglichkeit von Krankheit o<strong>der</strong> auch ein<br />

menschenwürdiges Sterben, für die Geistlichen das Seelenheil <strong>der</strong> Gläubigen,<br />

für die Psychotherapeuten die psychosoziale Integrität und das Lebensglück und<br />

für Pädagogen die Vermittlung von Wissen, Können, Kompetenzen, o<strong>der</strong>: <strong>der</strong><br />

Aufbau psychischer Strukturen, die zu lebenspraktischer Autonomie und<br />

gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit führen sollen, so dass Pädagogen<br />

schließlich im Lebenslauf zunehmend überflüssig werden.<br />

- Ihre Klienten sind dadurch gekennzeichnet, dass es ihnen an diesen zentralen<br />

Werten mangelt, sie diese noch nicht besitzen o<strong>der</strong> vorübergehend bzw.<br />

grundlegend von ihnen getrennt sind. Ihnen ist – zumindest in ihrem Empfinden –<br />

von Seiten an<strong>der</strong>er Ungerechtigkeit und Leid wi<strong>der</strong>fahren; sie sind physisch<br />

beeinträchtigt, leiden Schmerzen o<strong>der</strong> sind vom Tod bedroht; sie können und<br />

wissen vieles noch nicht, das sie zur eigenständigen Lebensführung, zur<br />

gesellschaftlichen Teilhabe und Selbsterhaltung benötigen. Professionelle<br />

beziehen sich somit auf eine lebenspraktische Krise ihrer Adressaten, die es<br />

gemeinsam mit ihnen so zu lösen und zu bewältigen gilt, dass neue<br />

Handlungsmöglichkeiten, lebenspraktischen Ressourcen und Kompetenzen<br />

entstehen können, die eine autonome Handlungsfähigkeit auf erweitertem<br />

Niveau (wie<strong>der</strong>) eröffnen können. Dies hat, auch wenn im Lehrberuf vor allem die<br />

Routine zu dominieren scheint, eine eminente Bedeutung: Denn Lehrer sind nur<br />

dann erfolgreich, wenn es ihnen gelingt „Krisen“ zu initiieren, ja sie sind geradezu<br />

verpflichtet immer wie<strong>der</strong> erreichte kognitive, sprachliche, symbolische<br />

Gewissheiten, im Sinne des erreichten Wissensstandes, unter Druck zu setzen,<br />

sie zu verflüssigen, in Bewegung zu bringen und so neue<br />

Erkenntnismöglichkeiten freizusetzen. Sie sind als Krisenagenten somit<br />

Agenten <strong>der</strong> Entstehung des Neuen! Sie scheitern dann, wenn es ihnen nicht<br />

gelingt Krisen zu initiieren. Und sie scheitern auch dann, wenn es ihnen nicht<br />

gelingt die initiierten Krisen in Kooperation mit den Schülern wie<strong>der</strong> zu schließen<br />

– aber immer nur vorläufig bis zur nächsten Kriseninitiierung.<br />

- Professionelle besitzen zur Intervention in <strong>der</strong>artigen Krisensituationen<br />

wissenschaftliche Wissensbestände, Fachsprachen, professionelles<br />

Können und Methoden, über das die Klienten in aller Regel nicht in gleichem<br />

Maße verfügen. Diese Wissensbestände und Kompetenzen bilden einerseits die<br />

Legitimationsgrundlage für das professionelle Handeln, das ja gegenüber dem<br />

alltäglichen Handeln eine vielfach gesteigerte Verpflichtung zur Begründung<br />

aufweist, kurz: Ich kann mein professionelles Handeln nur dann legitimieren,<br />

wenn ich in <strong>der</strong> Lage bin, es mit Bezug auf anerkanntes und legitimes Wissen zu<br />

verantworten. Zum an<strong>der</strong>en ermöglichen diese geson<strong>der</strong>ten Fachsprachen und<br />

Wissensbestände auch eine Art Eigenwelt <strong>der</strong> Professionellen, die sich damit<br />

auch gegenüber Einblicken ihrer Klientel abschirmen können und mit diesen

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