Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW
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Gestalt, stehen Lehrende und Schüler in einer unaufhebbaren Solidarität, die sie vor<br />
wechselseitigen Leistungsüberfor<strong>der</strong>ungen schützen kann und zu einer<br />
Grundhaltung personaler Wertschätzung und gegenseitiger Vergebung ermutigt.<br />
Eine für Schüler glaubwürdige Verlässlichkeit entwickelt sich langfristig erst im<br />
pädagogischen Alltag. Eine grundlegende Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Lehrerrolle<br />
und -persönlichkeit ist jedoch schon im Studium unverzichtbar. Die herkömmliche<br />
Aufspaltung <strong>der</strong> Ausbildung in eine Erste und Zweite Phase lässt für die<br />
Studierenden nur wenig Raum, sich schon im Studium mit den Motiven ihrer<br />
Studienwahl, ihren Erwartungen und ihrer Eignung im Blick auf die künftige<br />
Berufspraxis und Berufsrolle selbstkritisch auseinan<strong>der</strong> zu setzen. Dazu gehört auch<br />
die biographische Selbstreflexion, gerade auch im Blick auf die Wahl von Bilden als<br />
Beruf, ein Nachdenken beispielsweise darüber, aus welcher Familie künftige<br />
Lehrerinnen und Lehrer selbst stammen, wie sie Erziehung im Elternhaus und in <strong>der</strong><br />
Schule erlebt haben.<br />
Solche Selbstreflexion ist ein notwendiges Element <strong>der</strong> Freiheit. Die biographischen<br />
Konsequenzen fehlen<strong>der</strong> Selbstreflexion zeigen sich in diesem – wie in an<strong>der</strong>en –<br />
Berufen sonst zu spät, wenn sich eine unüberbrückbare Diskrepanz zwischen<br />
Erwartungen, Eignung und konkreten Anfor<strong>der</strong>ungen auftut. Nicht nur im Blick auf die<br />
jeweils individuellen Berufswege, son<strong>der</strong>n auch hinsichtlich <strong>der</strong> Inhalte und<br />
Vermittlungsformen des Studiums ist es bei Professionen im engeren Sinn des<br />
Wortes unumgänglich, die fachliche Ausbildung mit einer eingehenden Reflexion des<br />
späteren Berufsfeldes zu verschränken. Das tritt heute immer stärker in den<br />
Hintergrund, weil<br />
Professionalität nur noch als Fachlichkeit verstanden wird. Dementsprechend wird<br />
nur noch nach <strong>der</strong> Befähigung, nicht mehr aber nach <strong>der</strong> persönlichen Eignung eines<br />
Menschen für einen Beruf gefragt. Das ist einen Engführung, die sich schon längst<br />
als Irrweg erweisen hat. Aber sie prägt beispielsweise auch die Thesen <strong>der</strong><br />
Kultusministerkonferenz und <strong>der</strong> Lehrerverbände, mit denen ich diesen Vortrag<br />
begonnen habe.<br />
4. Lehrer und Lehrerinnen brauchen Zeit.<br />
Für Bildung ist das Wechselspiel zwischen persönlicher Bildungsgeschichte und<br />
Lebensgeschichte charakteristisch. Lebensgeschichtliche Gezeiten und Bildung als<br />
innere Lebensgestaltung gehören zusammen. Lehr- und Lernvorhaben können nicht<br />
ohne Schaden an den lebensgeschichtlichen Momenten vorbei geplant und<br />
durchgesetzt werden. Die Identität eines Menschen besteht letztlich aus seiner<br />
Lebensgeschichte im Ganzen.<br />
Durch die gesamte pädagogische Diskussion zieht sich wie ein roter Faden die<br />
Einsicht in die Bedeutung einer lebensphasengerechten Bildung. Dabei ist zu<br />
bedenken, dass wir auf das Lernen von Menschen nie einen direkten Zugriff haben<br />
und beanspruchen dürfen. Bildung ist ein Vorgang im Innern und damit zugleich<br />
individueller Natur. Es ist ein aktiver, letztlich selbstorganisierter Prozess des<br />
Subjekts, <strong>der</strong> allerdings angeregt werden muss.<br />
Für die geistige Selbstorganisation ist einerseits gesammelte Anstrengung,<br />
an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong> schöpferische Moment eines unerwarteten Einfalls charakteristisch.<br />
In beiden Hinsichten ist Zeit einzuräumen; unter Druck und Angst kann nicht im