Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW
Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW
- 11 - - Zeit haben für die Schüler, für ihre Probleme, Hoffnungen, Wünsche – und lasse mich doch von meinen Stoffplänen hetzen, - gerade die schwächeren Schüler fördern – und finde mich damit ab, dass sie schwach begabt sind, - von Kollegen lernen – und bin froh, wenn sie aus meinem Unterricht bleiben, - meine Disziplinprobleme mit den Kollegen besprechen – und fürchte ihr Urteil, - die ganze Schule pädagogisch auf den Kopf stellen – und resigniere vor Klassenstärken, Zensuren, Erlassen, - politisch mithelfen die Schule schülergerechter zu machen – und zögere vor jedem vollen Engagement, - Erfolge sehen, durch sie Bestätigung, Lob erfahren – und spüre laufend Misserfolge, Versagen, Scheitern, - mit den Eltern eng zusammenarbeiten – und habe doch Angst vor deren Überheblichkeit, Gleichgültigkeit, Verallgemeinerung, Besserwisser-Ratschlägen, Anspruch, Überforderung, vor meiner Angst vor ihnen. In der Spannung zwischen geforderten Rahmenbedingungen und dem kritischen Blick auf die tatsächlichen, gesellschaftlichen wie persönlichen Möglichkeiten suchen wir eine evangelische Perspektive auf das Lehrer-Sein unter der Überschrift: Bilden als Beruf. II. Wenn wir im emphatischen Sinn von einem Beruf sprechen, dann reden wir von einer Schlüsselaufgabe, die sich einer Gesellschaft im Ganzen stellt. Politik beispielsweise ist ein Beruf nicht so sehr der Politiker, sondern der ganzen Gesellschaft. Erst von hier aus treten die besonderen Aufgaben derer in den Blick, die Politik zu ihrem Beruf machen. So haben wir es 1985 in der Demokratie-Denkschrift der EKD formuliert und im vergangenen Jahr bekräftigt. Recht ist ein Lebenselement der ganzen Gesellschaft. Deshalb gehört die Verantwortung für das Recht ebenso zu den gesellschaftlichen Schlüsselaufgaben wie diejenige für Gesundheit. Die Verkündigung des Evangeliums ist das Anliegen der ganzen christlichen Kirche; wegen dieses ihres gemeinsamen Berufs legt sie sich fest auf den Schlüsselberuf der Pfarrerin und des Pfarrers. Bilden ist in einem ganz herausgehobenen Sinn ein Beruf der ganzen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, deren Bildungsprozesse verkümmern, verkümmert selbst. Eine Gesellschaft, die vergisst, dass die professionellen Bildungsberufe stellvertretend für sie im Ganzen wahrgenommen werden, ist eine selbstvergessene Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die meint, sie könne sich ihren eigenen Bildungsaufgaben durch Delegation auf die Lehrerinnen und Lehrer entledigen, genügt den Minimalbedingungen einer verantwortlichen Gesellschaft nicht. Die Evangelische Kirche setzt sich dafür ein, dass Bildung als gesellschaftliches Schlüsselthema wieder ernst genommen wird. Dabei leiten uns fünf entscheidende Grundannahmen: 1) Wir gehen von einem subjektorientierten Bildungsverständnis aus. Menschen sind Subjekte ihres Bildungsprozesses, nicht nur Objekte der Bildungsanstrengungen anderer.
- 12 - 2) Wir gehen von einem ganzheitlichen Bildungsverständnis aus. Orientierungswissen ist so wichtig wie Verfügungswissen, Glaubenswissen braucht in allen Bildungsvorgängen seinen Ort. 3) Wir gehen von der Vorstellung lebenslangen Lernens aus. Bildung prägt die menschliche Biographie im Ganzen. 4) Wir gehen von einem gerechtigkeitsorientieren Ansatz von Bildung aus. Wir finden uns nicht damit ab, dass Bildungsferne sich vererbt. Dieser Ansatz prägt unser Engagement in den eigenen kirchlichen Bildungseinrichtungen ebenso wie unser Engagement im staatlichen Bildungswesen. 5) Wir orientieren uns am Leitbild einer gottoffenen Humanität. Der Sinn für die unantastbare Würde des Menschen und der Sinn für die Wirklichkeit Gottes gehören in unserem Verständnis zusammen. Verwurzelung in einer geklärten religiösen Identität und Dialogkultur sind uns deshalb in gleicher Weise wichtig. Das prägt unser Engagement für den Religionsunterricht wie für das pädagogische Klima im Ganzen in gleicher Weise. Beides ist in gleicher Weise notwendig. Ohne Zweifel ist gegenwärtig das Engagement für den Religionsunterricht in ganz besonderer Weise gefordert. Ich kenne kein Unterrichtsfach, an das gegenwärtig vergleichbar hohe Erwartungen gestellt würden. Das gilt im Blick auf die Identifikation der Lehrenden mit dem Fach und seinen Inhalten, von der stets zu erneuernden Motivation der Schülerinnen und Schüler, das Fach aus freien Stücken zu bejahen, wie der Eltern, den Besuch des Faches durch ihre Kinder zu unterstützen. Es gilt für den Dialog der Religionslehrerinnen und Religionslehrer mit ihren Kolleginnen und Kollegen, die nicht selten dem Religionsunterricht mit großen Reserven gegenüberstehen, aber zugleich von den Religionslehrerinnen und Religionslehrern Auskunft erwarten, sobald sie ihrer eigenen Unkenntnis in elementaren Fragen des Glaubenswissens und der religiösen Bildung ansichtig werden. Ein nicht unwichtiger Teil des Religionsunterrichts findet heute in den Lehrerzimmern statt. Religion ist ein Großthema des 21. Jahrhunderts. Die Vorstellung, dass religiöse Fragen an Bedeutung verlieren und deshalb auch an der Schule unwichtig werden, hat sich binnen weniger Jahre als unzutreffend erwiesen. Der Gedanke, dass gesellschaftliche Modernisierung automatisch zur Säkularisierung der Gesellschaft und damit zum Verschwinden religiöser Fragen führe, führt in die Irre. Dementsprechend wächst die Bedeutung des Religionsunterrichts an den Schulen. Es ist deshalb verfehlt, wenn man auf die heutige Situation mit der Einführung eines Einheitsfachs Ethik für alle Schülerinnen und Schüler meint reagieren zu sollen. In Berlin, so dergleichen für die Sekundarstufe I – also im Berliner Fall von der Jahrgangsstufe 7 an – geplant wird, muss man als Folge eine weitgehende Verdrängung des Religionsunterrichts aus diesem Bereich befürchten. Angesichts der Verdichtung des Unterrichts und der Erhöhung der Pflichtstundenzahl in diesen Jahrgangsstufen wird man von einer zusätzlichen Wahl des Religionsunterrichts (der nicht als ordentliches Unterrichtsfach gilt) kaum ausgehen können. Dabei wird der Ethikunterricht, der allen Religionen und Weltanschauungen gegenüber neutral sein soll, die Erwartung, dass Schüler in der Auseinandersetzung mit einer Lehrerpersönlichkeit eine eigene Position entwickeln können, nicht erfüllen können. Er wird eher an eine Art des Musikunterrichts erinnern, in dem der Lehrerin oder dem
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wir eine evangelische Perspektive auf das Lehrer-Sein unter <strong>der</strong> Überschrift: Bilden<br />
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Wenn wir im emphatischen Sinn von einem Beruf sprechen, dann reden wir von einer<br />
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hier aus treten die beson<strong>der</strong>en Aufgaben <strong>der</strong>er in den Blick, die Politik zu ihrem Beruf<br />
machen. So haben wir es 1985 in <strong>der</strong> Demokratie-Denkschrift <strong>der</strong> EKD formuliert und<br />
im vergangenen Jahr bekräftigt. Recht ist ein Lebenselement <strong>der</strong> ganzen<br />
Gesellschaft. Deshalb gehört die Verantwortung für das Recht ebenso zu den<br />
gesellschaftlichen Schlüsselaufgaben wie diejenige für Gesundheit. Die<br />
Verkündigung des Evangeliums ist das Anliegen <strong>der</strong> ganzen christlichen Kirche;<br />
wegen dieses ihres gemeinsamen Berufs legt sie sich fest auf den Schlüsselberuf<br />
<strong>der</strong> Pfarrerin und des Pfarrers.<br />
Bilden ist in einem ganz herausgehobenen Sinn ein Beruf <strong>der</strong> ganzen Gesellschaft.<br />
Eine Gesellschaft, <strong>der</strong>en Bildungsprozesse verkümmern, verkümmert selbst. Eine<br />
Gesellschaft, die vergisst, dass die professionellen Bildungsberufe stellvertretend für<br />
sie im Ganzen wahrgenommen werden, ist eine selbstvergessene Gesellschaft. Eine<br />
Gesellschaft, die meint, sie könne sich ihren eigenen Bildungsaufgaben durch<br />
Delegation auf die Lehrerinnen und Lehrer entledigen, genügt den<br />
Minimalbedingungen einer verantwortlichen Gesellschaft nicht.<br />
Die Evangelische Kirche setzt sich dafür ein, dass Bildung als gesellschaftliches<br />
Schlüsselthema wie<strong>der</strong> ernst genommen wird. Dabei leiten uns fünf entscheidende<br />
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1) Wir gehen von einem subjektorientierten Bildungsverständnis aus. Menschen sind<br />
Subjekte ihres Bildungsprozesses, nicht nur Objekte <strong>der</strong> Bildungsanstrengungen<br />
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