Lehrertag 2006 - Pädagogisches Institut der EKvW

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01.12.2014 Aufrufe

- 9 - Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber Bilden als Beruf – Lehrer sein in evangelischer Perspektive I. „Bilden als Beruf“ – damit verbinden sich für jeden und jede von Ihnen sehr unterschiedliche Assoziationen, Erfahrungen und Haltungen. Die Internet- Suchmaschine „Google“ findet bei einer Eingabe des Stichwortes „Lehrerbildung“ immerhin über 2,2 Millionen Verweise. Aber trotz der Fülle: scheinbar ist klar, was mit Lehrersein und Lehrerbildung gemeint ist. Die Kultusministerkonferenz hat im Jahr 2004 Standards für die Lehrerbildung verabschiedet, in denen sie die folgenden, von der Kultusministerkonferenz und den Lehrerverbänden gemeinsam formulierten Ziele aufgreift: 1. Lehrerinnen und Lehrer sind Fachleute für das Lehren und Lernen. Ihre Kernaufgabe ist die gezielte und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltete Planung, Organisation und Reflexion von Lehr- und Lernprozessen sowie ihre individuelle Bewertung und systemische Evaluation. Die berufliche Qualität von Lehrkräften entscheidet sich an der Qualität ihres Unterrichts. 2. Lehrerinnen und Lehrer sind sich bewusst, dass die Erziehungsaufgabe in der Schule eng mit dem Unterricht und dem Schulleben verknüpft ist. Dies gelingt umso besser, je enger die Zusammenarbeit mit den Eltern gestaltet wird. Beide Seiten müssen sich verständigen und gemeinsam bereit sein, konstruktive Lösungen zu finden, wenn es zu Erziehungsproblemen kommt oder Lernprozesse misslingen. 3. Lehrerinnen und Lehrer üben ihre Beurteilungs- und Beratungsaufgabe im Unterricht und bei der Vergabe von Berechtigungen für Ausbildungs- und Berufswege kompetent, gerecht und verantwortungsbewusst aus. Dafür sind hohe pädagogisch-psychologische und diagnostische Kompetenzen von Lehrkräften erforderlich. 4. Lehrerinnen und Lehrer entwickeln ihre Kompetenzen ständig weiter und nutzen wie in anderen Berufen auch Fort- und Weiterbildungsangebote, um die neuen Entwicklungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihrer beruflichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Darüber hinaus sollen Lehrerinnen und Lehrer Kontakte zu außerschulischen Institutionen sowie zur Arbeitswelt generell pflegen. 5. Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an der Schulentwicklung, an der Gestaltung einer lernförderlichen Schulkultur und eines motivierenden Schulklimas. Hierzu gehört auch die Bereitschaft zur Mitwirkung an internen und externen Evaluationen. Diese Punkte beschreiben einen sehr weiten Horizont gelingenden Lehrer-Seins und beruflicher Professionalität. Der Alltag von Lehrkräften sieht dagegen oft anders aus: Durch das schlechte Abschneiden bei internationalen Vergleichsstudien lastet auf Schule und Lehrern ein immenser öffentlicher und politischer Druck. Reformen im Schuljahrestakt verändern die Arbeitsbedingungen tiefgreifend. Einerseits werden Stundenzahlen und Klassengrößen erhöht, Aufgaben durch Schul-, Unterrichts-, und Programmentwicklung erweitert und Lehrkräfte auf differenzierte Fördermaßnahmen und Vergleichsarbeiten, Evaluation und Kontrolle verpflichtet. Andererseits werden finanzielle Ressourcen vermindert und Gehälter gekürzt.

- 10 - Die Karikatur des Lehrerberufs als des am besten bezahlten Halbtagsjobs der Republik sollte schon lange überholt sein, im Bild der Lehrer in der Öffentlichkeit ist sie nicht selten noch virulent. Lehrerhasser machen sie zur Projektionsfläche eigener Aggressionen. Das könnte vielleicht durchaus auch Anlass für einen Karikaturenstreit sein, der dann freilich ganz anders durchzufechten wäre als der Karikaturenstreit, den wir gegenwärtig erleben. Vielleicht liegt auch in einem verbreiteten Mangel an Anerkennung und Wertschätzung für den Beruf der Lehrerin und des Lehrers einer der Gründe für das mäßige deutsche Abschneiden bei den PISA-Untersuchungen. Im PISA-Wunderland Finnland beispielsweise verfügt der Lehrerberuf über höchste gesellschaftliche Anerkennung. Demgemäß sind es oft die Besten und Fähigsten eines Jahrgangs, die Lehrer werden. Neben den Schwierigkeiten, die sich aus einen Mangel an gesellschaftlicher Achtung und Unterstützung dieses Berufs ergeben, stehen die Lehrkräfte vor großen pädagogischen Herausforderungen, von denen ich einige nennen will. - Lernverhalten und Lernbedingungen der Schülerinnen und Schüler verändern sich, vor allem unter dem Einfluss von Medien und neuen Technologien. - Das Sozialverhalten der Schülerinnen und Schüler ist im Umbruch. Zu nennen sind beispielsweise Defizite in der Bereitschaft und Fähigkeit zu Kommunikation und Verständigung sowie mangelnde Toleranzbereitschaft und fehlende Umgangsformen. - Viele Kinder und Jugendliche erleben Krisen, die durch familiäre Umbrüche verursacht sind. - Gesamtgesellschaftliche Modernisierungs- und Globalisierungsprozesse wirken sich verunsichernd auf Orientierung und Verhalten Jugendlicher aus; das verbindet sich oft mit einem Rückgang der Anstrengungsbereitschaft, weil Jugendliche daran zweifeln, dass diese Anstrengung für irgend etwas nütze ist. - Verschärfte wirtschaftliche und gesellschaftliche Ausleseprozesse vermindern die künftigen beruflichen Chancen vieler Kinder und Jugendlicher und begünstigen konkurrenzorientierte Verhaltensweisen. Auf dem Hintergrund der geschilderten Bedingungen ist es verständlich, dass ein Aktionsplakat der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Erzieher in Deutschland große Resonanz fand, auf dem es heißt: Als Lehrer, als Lehrerin möchte ich eigentlich: - jedem einzelnen Schüler helfen – und muss ihn doch wie ein Achtundzwanzigstel Klasse behandeln, - Freude an der Arbeit in der Schule haben – und empfinde sie so häufig als Last, - den Schülern wirklich Partner sein – und muss doch laufend die Autorität herausspielen, - jeden Schüler ermutigen, bestärken, loben – und kritisiere, schimpfe, drohe, strafe jeden Tag,

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Die Karikatur des Lehrerberufs als des am besten bezahlten Halbtagsjobs <strong>der</strong><br />

Republik sollte schon lange überholt sein, im Bild <strong>der</strong> Lehrer in <strong>der</strong> Öffentlichkeit ist<br />

sie nicht selten noch virulent. Lehrerhasser machen sie zur Projektionsfläche eigener<br />

Aggressionen. Das könnte vielleicht durchaus auch Anlass für einen Karikaturenstreit<br />

sein, <strong>der</strong> dann freilich ganz an<strong>der</strong>s durchzufechten wäre als <strong>der</strong> Karikaturenstreit,<br />

den wir gegenwärtig erleben.<br />

Vielleicht liegt auch in einem verbreiteten Mangel an Anerkennung und<br />

Wertschätzung für den Beruf <strong>der</strong> Lehrerin und des Lehrers einer <strong>der</strong> Gründe für das<br />

mäßige deutsche Abschneiden bei den PISA-Untersuchungen. Im PISA-Wun<strong>der</strong>land<br />

Finnland beispielsweise verfügt <strong>der</strong> Lehrerberuf über höchste gesellschaftliche<br />

Anerkennung. Demgemäß sind es oft die Besten und Fähigsten eines Jahrgangs, die<br />

Lehrer werden.<br />

Neben den Schwierigkeiten, die sich aus einen Mangel an gesellschaftlicher Achtung<br />

und Unterstützung dieses Berufs ergeben, stehen die Lehrkräfte vor großen<br />

pädagogischen Herausfor<strong>der</strong>ungen, von denen ich einige nennen will.<br />

- Lernverhalten und Lernbedingungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler verän<strong>der</strong>n sich,<br />

vor allem unter dem Einfluss von Medien und neuen Technologien.<br />

- Das Sozialverhalten <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler ist im Umbruch. Zu nennen sind<br />

beispielsweise Defizite in <strong>der</strong> Bereitschaft und Fähigkeit zu Kommunikation und<br />

Verständigung sowie mangelnde Toleranzbereitschaft und fehlende<br />

Umgangsformen.<br />

- Viele Kin<strong>der</strong> und Jugendliche erleben Krisen, die durch familiäre Umbrüche<br />

verursacht sind.<br />

- Gesamtgesellschaftliche Mo<strong>der</strong>nisierungs- und Globalisierungsprozesse wirken<br />

sich verunsichernd auf Orientierung und Verhalten Jugendlicher aus; das verbindet<br />

sich oft mit einem Rückgang <strong>der</strong> Anstrengungsbereitschaft, weil Jugendliche daran<br />

zweifeln, dass diese Anstrengung für irgend etwas nütze ist.<br />

- Verschärfte wirtschaftliche und gesellschaftliche Ausleseprozesse vermin<strong>der</strong>n die<br />

künftigen beruflichen Chancen vieler Kin<strong>der</strong> und Jugendlicher und begünstigen<br />

konkurrenzorientierte Verhaltensweisen.<br />

Auf dem Hintergrund <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Bedingungen ist es verständlich, dass ein<br />

Aktionsplakat <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Erzieher in Deutschland große<br />

Resonanz fand, auf dem es heißt:<br />

Als Lehrer, als Lehrerin möchte ich eigentlich:<br />

- jedem einzelnen Schüler helfen – und muss ihn doch wie ein Achtundzwanzigstel<br />

Klasse behandeln,<br />

- Freude an <strong>der</strong> Arbeit in <strong>der</strong> Schule haben – und empfinde sie so häufig als Last,<br />

- den Schülern wirklich Partner sein – und muss doch laufend die Autorität<br />

herausspielen,<br />

- jeden Schüler ermutigen, bestärken, loben – und kritisiere, schimpfe, drohe, strafe<br />

jeden Tag,

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