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Thema: Pflanzenverwendung<br />

Werkstoff Pflanze<br />

Heiner Luz | Klaus-Dieter Bendfeldt | Ulrich Franke<br />

Impulse aus der Planungspraxis zur Gestaltung mit Pflanzen mit<br />

dem Schwerpunkt Stauden im öffentlichen Raum für die <strong>norddeutsche</strong><br />

<strong>Kulturlandschaft</strong><br />

Heft 2<br />

InK_Landschaft – <strong>Institut</strong> <strong>norddeutsche</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong>, Lübeck


Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<br />

http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />

Thema: Pflanzenverwendung<br />

WERKSTOFF PFLANZE<br />

Impulse aus der Planungspraxis zur Gestaltung mit Pflanzen mit dem Schwerpunkt Stauden<br />

im öffentlichen Raum und im Wohn- und Arbeitsumfeld für die <strong>norddeutsche</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong><br />

InK_Landschaft – <strong>Institut</strong> <strong>norddeutsche</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong>, Lübeck. Ltg. Ulrich Franke<br />

1. Aufl. – Schwerin: Oceano, 2009<br />

ISBN 978-3-941148-03-1<br />

© 2009 Oceano<br />

1. Auflage 2009, 200 Stk.<br />

Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Verwertung in anderen<br />

<strong>als</strong> den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf deshalb der schriftlichen Einwilligung des<br />

Urhebers.<br />

Konzeption: BHF Landschaftsarchitekten,<br />

www.bhf-ki.de<br />

Grafikdesign: Stamp Media im Medienhaus Kiel,<br />

Druck: Schmidt & Klaunig im Medienhaus Kiel,<br />

www.medienhaus-kiel.de<br />

Titelbild: BHF Landschaftsarchitekten, Kiel-Schwerin<br />

Bilderfassung /-redaktion: Ulrich Franke<br />

Printed in Germany<br />

ISBN 978-3941148031


Thema: Pflanzenverwendung<br />

Werkstoff Pflanze<br />

Impulse aus der Planungspraxis zur Gestaltung mit Pflanzen mit<br />

dem Schwerpunkt Stauden im öffentlichen Raum und im Wohn-<br />

und Arbeitsumfeld für die <strong>norddeutsche</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong><br />

Heiner Luz | Klaus-Dieter Bendfeldt | Ulrich Franke<br />

InK_Landschaft – <strong>Institut</strong> <strong>norddeutsche</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong>, Lübeck<br />

Heft 2<br />

Oceano 2009


Inhalt ���������������������������������������������������������������������������������<br />

Vorwort } 9<br />

PflanzenVerwendung <strong>als</strong> schöne Kunst } 11<br />

Von der staude bis zum baum } 23<br />

Stauden, ein immer aktuelles Thema } 26<br />

Gehölze, geformt mit Messer, Sichel, Schere } 33<br />

Pflanzen <strong>als</strong> grüne Baustoffe } 40<br />

Von Acer bis Ulmus – Bäume in der Stadtlandschaft } 43<br />

Und wie geht es weiter? } 46<br />

stauden: schön und Von „ewiger beständigKeit“ } 51<br />

Pflanzen sind gleichrangige Baustoffe } 52<br />

Koordinierung der Sorten } 55<br />

Epimedium Arten und Sorten } 58<br />

Geranium Arten und Sorten } 60<br />

Hemerocallis Arten und Sorten } 62<br />

Hosta Arten und Sorten } 66<br />

staudenwiesen und staudenbänder } 73<br />

Iris-Minzen-Wiese } 81<br />

Röhricht } 81<br />

Riem-Haide } 82<br />

Kultur und Lieferung der Stauden } 82<br />

Bodenvorbereitung und Pflanzung der Stauden } 83<br />

Pflanzdichte und Pflege } 86<br />

Staudenbänder } 89<br />

literatur } 99<br />

bildnachweis } 101<br />

7


Vorwort ������������������������������������������������������������������������������<br />

Das „InK_Landschaft - <strong>Institut</strong> <strong>norddeutsche</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong>, Lübeck“<br />

erarbeitet Forschungsbeiträge aus dem Bereich Bauwesen zum Thema<br />

<strong>Kulturlandschaft</strong>, die in unregelmäßiger Heftreihe publiziert werden.<br />

Ziel ist es, Forschungsbeiträge und aktuelle Diskussionen zum Thema<br />

<strong>norddeutsche</strong> <strong>Kulturlandschaft</strong> sowohl für Experten <strong>als</strong> auch für Interessierte<br />

zugänglich zu machen.<br />

Das InK_Landschaft ist an BHF Landschaftsarchitekten Kiel/ Schwerin<br />

und durch die Lehrtätigkeit von Ulrich Franke inhaltlich auch an die Hochschule<br />

Lübeck gekoppelt.<br />

Für die überwiegend ländlich geprägten Räume in Schleswig-Holstein<br />

und Mecklenburg-Vorpommern sollen Impulse der Heftreihe Lösungswege<br />

zu Aspekten der Landschafts-, Stadt- und Ortsplanung in Norddeutschland<br />

anregen.<br />

Heft 2 beleuchtet Aspekte der Pflanzenverwendung aus dem Blickwinkel<br />

der beruflichen Praxis des Landschaftsarchitekten.<br />

Besonderer Dank gilt Frau Landschaftsarchitektin Christina Kautz, Berlin<br />

für das Lektorat, meinen beiden Partnern im Büro BHF für die Unterstützung<br />

der Publikation und meiner Frau Ninette, mit der ich auf unzähligen<br />

Exkursionen zu Gartenschätzen in England, Holland und Deutschland<br />

die Begeisterung für die schöne Gartenkunst teilen darf.<br />

Ulrich Franke,<br />

Lübeck im Oktober 2009<br />

9


PflanzenVerwendung <strong>als</strong> schöne Kunst �����������������������������������<br />

Ulrich Franke<br />

in mecklenburg-Vorpommern<br />

wirkten Peter Joseph<br />

lenné und Karl foerster<br />

Die Ergebnisse der Gartenkultur wirken in der <strong>norddeutsche</strong>n<br />

<strong>Kulturlandschaft</strong> wie Akupunkturen an einem Körper: sie setzen<br />

winzige Impulse in einer riesigen Fläche, aber sie können fördernde<br />

Wirkung entfalten. Als Orientierungspunkt für gelungene Stauden-<br />

oder Stauden-Gehölzpflanzungen gilt in Norddeutschland<br />

vor allem das Arboretum in Ellerhoop. Landschaftsarchitektur<br />

versteht sich dabei <strong>als</strong> Teil der Schönen Künste und nicht <strong>als</strong> eine<br />

technische Disziplin.<br />

Macht es Sinn das Naturgut Pflanze, hier Stauden und Gehölze, mit<br />

einer kulturellen Leistung wie „Gestaltung mit Pflanzen“ in Zusammenhang<br />

zu bringen? Pflanzen sind doch „ganz von alleine“ schön! Mit Pflanzen<br />

Kulturleistungen hervorzubringen, erschien der Naturgartenbewegung in<br />

den 1980er Jahren fragwürdig. Pflanzenverwendung kann jedoch weit mehr<br />

leisten <strong>als</strong> einen ökologischen Beitrag zu einer „heilen Umwelt“. In der über<br />

Jahrhunderte nachhaltig vom Menschen geprägten <strong>norddeutsche</strong>n Landschaft<br />

kann Pflanzenverwendung über den landschaftsökologischen Aspekt<br />

hinaus <strong>Kulturlandschaft</strong> gestalten. Die Gestaltung mit Pflanzen reicht dabei<br />

von Alleen und Feldhecken in der Landschaft über das öffentliche Grün,<br />

das Wohn- und Arbeitsumfeld in der Stadt bis zu den Parks der Schlösser<br />

und Herrenhäuser. In Mecklenburg-Vorpommern wirkten bekannte<br />

Gestalter wie Peter Joseph Lenné, der mit seinen Beiträgen zum Schweriner<br />

Schloßpark, zum Landschaftspark in Ludwigslust, in Neustrelitz, Kummerow,<br />

Remplin, Zarrentin und Basedow zahlreiche Spuren vorbildlicher<br />

Arbeiten mit dem Werkstoff Pflanze hinterließ 1 . Wenig bekannt ist, dass<br />

der Staudengärtner Karl Foerster von 1889–1891 sein Handwerk in der<br />

Schlossgärtnerei am Hof des Herzoges in Schwerin gelernt hat. Eine solide<br />

Pflanzenkompetenz galt für den Gestalter von Parks und Gärten im 19. und<br />

20. Jh. <strong>als</strong> Grundvoraussetzung für sein berufliches Wirken.<br />

1 Weingart, Ralf: Peter Joseph Lenné, Parks und Gärten in Mecklenburg-Vorpommern in Staatliches<br />

Museum Schwerin (Hrsg.): Garten – vom Blumenbild zum digitalen Garten, Schwerin 2009.<br />

11


12<br />

gartenschauen<br />

<strong>als</strong> wanderzirkus<br />

Künstler unsichtbar<br />

in der zweiten reihe<br />

Auch bei Aufgaben im 21. Jh. sind nach wie vor Wissen und Erfahrung<br />

in der Pflanzenverwendung gefordert. Für einen wirtschaftlichen Erfolg<br />

erscheint die erschöpfende Befassung mit dem Thema Pflanzenverwendung<br />

nach der Grammatik der Honorarordnung in der beruflichen Praxis jedoch<br />

geradezu hinderlich.<br />

Die Veranstalter von Gartenschauen und ihre Beauftragten bedienen<br />

sich bei der Pflanzplanung seit Jahren in einer Art Wanderzirkus bundesweit<br />

einem exklusiven Kreis von Spezialisten.<br />

Christine Orel, Herzogenaurach Buga Schwerin 2009, LGS Bingen 2008,<br />

Buga München 2005, IGA Rostock 2003,<br />

Buga Potsdam 2001<br />

Petra Pelz, Magdeburg Buga Ronneburg 2007, LGS Wernigerode<br />

2006, LGS Zeitz 2004, IGA Rostock 2003,<br />

Buga Magdeburg 1999<br />

Hanne Roth, Filderstadt LGS Rosenheim 2009, Buga Schwerin<br />

2009, LGS Neu-Ulm 2008, LGS Marktredwitz<br />

2006, LGS Winsen an der Luhe 2006<br />

Abb. 1: Zu den Spezialisten in der Staudenverwendung zählen Landschaftsarchitektinnen, die unter anderem<br />

für Gartenschauen Bepflanzungsplanungen schufen. Quelle: Werkauswahl nach Eigenauskunft<br />

der Planungsbüros und der Veranstalter der Gartenschauen.<br />

Christian Meyer, Berlin LGS Reichenbach 2009, Buga Schwerin<br />

2009, LGS Rathenow 2006, LGS Bad<br />

Wildungen 2006, LGS Zeitz 2004, IGA<br />

Rostock 2003, Buga Potsdam 2001<br />

Ingrid Gock, Lübeck Buga 2009 Schwerin<br />

Abb. 2: Auch Bepflanzungsplaner mit fundierter Ausbildung <strong>als</strong> Staudengärtner und Gartenbauingenieur,<br />

die nicht die Berufsbezeichnung Landschaftsarchitekt führen, wirken an Bepflanzungsplanungen<br />

mit.<br />

Ingrit Gock schuf die Bepflanzungsplanung u.a. für die so genannten<br />

Mandarinen auf der Schwimmenden Wiese. In den Publikationen der<br />

Fachzeitschriften 2 sind keine Hinweise auf die maßgebliche Beteiligung<br />

der Bepflanzungsplaner zu finden. Die beauftragten Landschaftsarchitekten<br />

erscheinen so <strong>als</strong> Verfasser der Pflanzbilder, wie beispielsweise<br />

Breimann&Bruun, Hamburg für die so genannten Mandarinen auf der<br />

Buga Schwerin 2009. Festzustellen ist, dass die Autoren der spektakulären<br />

Pflanzenbilder auf Gartenschauen, die Künstler von Kulturleistungen mit<br />

Pflanzen, regelmäßig (noch?) unsichtbar in der zweiten Reihe bleiben.<br />

2 Garten+Landschaft Heft 6/2009 und Stadt+Grün Heft 6/2009


Um die kulturelle Leistung der Pflanzplanung in Norddeutschland zu<br />

bewahren und für die Zukunft zeitgenössische gartenkulturelle Leistungen<br />

hervorzubringen, ist Kompetenz in der Pflanzenverwendung eine grundlegende<br />

Bedingung.<br />

Klaus-Dieter Bendfeldt bietet im ersten Kapitel einen Blick in den<br />

Rückspiegel der Geschichte und zeigt an ausgewählten Pflanzengruppen<br />

auf, wie sich die Pflanzenverwendung und das Gestalten mit dem grünen<br />

Baustoff Pflanze in den vergangenen 50 Jahren entwickelt hat. Der Autor<br />

ist Landschaftsarchitekt und beschäftigt sich seit mehr <strong>als</strong> 50 Jahren intensiv<br />

mit dem Thema Pflanzenverwendung. Als erfahrener Praktiker hat er<br />

mehrere Jahre <strong>als</strong> Dozent an der Höheren Gartenbauschule Osnabrück,<br />

heute FH Osnabrück gelehrt. In der Fachzeitschrift „Neue Landschaft“ des<br />

Patzerverlages Berlin, erschienen die Beiträge in der Erstfassung 3 . Für dieses<br />

Heft wurden die Beiträge überarbeitet und ergänzt. Eine schlaglichtartige<br />

Betrachtung der Meilensteine in der Pflanzenverwendung kann dazu beitragen,<br />

den Zuwachs von Kompetenz in der Pflanzenverwendung wieder mehr<br />

in den Vordergrund der Landschaftsarchitektur zu stellen. Das Wissen und<br />

die Erfahrung in der Pflanzenverwendung sind das Ergebnis einer gärtnerischen<br />

Kulturleistung.<br />

Abb. 3: Der Garten des 21. Jahrhunderts auf der Bundesgartenschau 2009 in Schwerin interpretiert<br />

Teppichbeetmotive des 19. Jh. auf der Schwimmenden Wiese mit den so genannten Mandarinen in<br />

originellen Pflanzbildern. Foto: Astrid Neussel.<br />

Aktuelle Trends wie die nierenförmigen Teppichbeete knüpfen an bekannte<br />

Motive aus der Geschichte der Pflanzenverwendung an.<br />

3 Bendfelt, K.-D.: Von der Staude bis zum Baum – 50 Jahre Pflanzenverwendung in Neue Landschaft<br />

Heft 10/ 2005, Seite 52–62, Die Pflege beginnt mit dem Bepflanzungsplan (vielleicht) in Neue<br />

Landschaft Heft 2/2008, Seite 39–43 und Stauden – schön und von „ewiger Beständigkeit“ in Neue<br />

Landschaft Heft 12/ 2008, Seite 47–52.<br />

13


14<br />

Kulturgeschichte<br />

aufregungskultur unter<br />

marketingaspekten<br />

aufsplittung im berufsfeld<br />

der landschaftsarchitekten<br />

Präriestaudenpflanzungen<br />

Die Vorläufer der nierenförmigen Mandarinen auf der Buga Schwerin<br />

2009, die Teppichbeete des 19. Jh., sind im benachbarten Garten des<br />

Schweriner Schlosses in restaurierter Fassung zu sehen. Allgemein gelten<br />

Teppichbeete <strong>als</strong> spießbürgerlicher Ausdruck eines überkommenen<br />

wilhelminisch-gründerzeitlichen Geschmacks. Ornamentale Teppichbeete<br />

sind deshalb unter zeitgenössischen Designern verpönt. Entscheidend ist<br />

beim Beispiel der Teppichbeete auf den Schwimmenden Wiesen in Schwerin<br />

2009 nicht, ob die Entwerfer Breimann&Bruun die Kulturgeschichte<br />

dieser Pflanzenverwendung kannten, oder ob sie die Anspielung auf die<br />

Beete am Schloss mit einem Augenzwinkern zitieren. Maßgeblich bei diesem<br />

Beispiel ist die Feststellung, dass für sämtliche Ergebnisse der zeitgenössischen<br />

Pflanzenverwendung Anknüpfungspunkte in der Geschichte zu<br />

finden sind. Die Feststellung ist banal, denn <strong>als</strong> Kulturleistung entwickelt<br />

sich auch die Pflanzenverwendung wie alle Künste kontinuierlich. Der Blick<br />

soll hier auf die behaupteten so genannten Innovationen gelenkt werden:<br />

Durch Weglassungen kann die Aufregungskultur unter Marketingaspekten<br />

bedient werden. Das dient vordergründig dem Landschaftsarchitekten<br />

und dem Veranstalter. Bei genauer Betrachtung dürfte die Aufsplittung im<br />

Berufsfeld der Landschaftsarchitekten in den Projektverantwortlichen und<br />

den Bepflanzungsplaner zu einem tiefgreifenden Wandel des Berufsbildes<br />

führen.<br />

In den letzten Jahren brachten vor allem Präriestauden, wie sie Neil<br />

Diboll in Wisconsin, USA in seiner Prairie Nursery produziert, Impulse für<br />

Pflanzungen im öffentlichen Grün. Bei Präriestaudenpflanzungen begünstigt<br />

in Norddeutschland ein in der Regel später Austrieb der Präriestauden<br />

die Spontanbesiedlung der Flächen mit Löwenzahn, Disteln aber auch mit<br />

invasiven Arten.<br />

Zum Thema Präriestaudenpflanzungen publizierte Prof. Dr. Norbert<br />

Kühn, TU Berlin seine Forschungsergebnisse in einer Beitragsreihe in<br />

der Fachzeitschrift Stadt + Grün, Hefte 7, 8 und 9 (2005), die zu einer<br />

aktuellen und umfassenden Behandlung des Themas „Werkstoff Pflanze“<br />

unverzichtbare Aspekte beleuchten. Auch Cassian Schmidt forscht <strong>als</strong><br />

Leiter des Sichtungsgarten Hermannshof in Weinheim, Dr. Hans Simon<br />

im Berggarten Hannover zu Präriepflanzen und der Botanische Garten<br />

an der Universität Sheffield, ebenso Marc Rajan Köppler mit einer


staudenwiesen<br />

Versuchsfläche auf dem Bersarinplatz in Berlin 4 . Der Münchner Landschaftsarchitekt<br />

Heiner Luz stellt seine kreativen Denkansätze zu prägnanten<br />

Staudenpflanzungen und Staudenwiesen im zweiten Kapitel vor.<br />

Ob ein Planungsansatz wie die Parallelen Gärten von Heiner Luz in eine<br />

Sackgasse führt, oder Impulse für einen Perspektivwechsel bieten, wie es<br />

bei seinen Staudenwiesen mit Aspektbildnern der Fall sein könnte, ist bei<br />

Pflanzungen mit experimentellem Charakter ergebnisoffen. Sicher ist, dass<br />

die Bodenvorbereitung im Hinblick auf die Pflegekosten von Präriestaudenpflanzungen,<br />

Ansaatverfahren 5 und Staudenwiesen eine zentrale Rolle<br />

spielt (Peter Kiermeier 2009).<br />

Bei Vegetationsbildern, wie den Staudenwiesen auf der Buga München<br />

2005, beeinflusst die Bodenvorbereitung ganz wesentlich den Konkurrenzdruck<br />

der verwendeten Stauden untereinander und die Verdrängung<br />

der Pflanzung durch Spontanvegetation. Die Glasgow Caledonian University<br />

und die Universität Kassel haben zu Staudenwiesen, insbesondere zur<br />

Bodenvorbereitung geforscht.<br />

Abb. 4: Im Wohnumfeld einer Großsiedlung schafft eine Wieseansaat im Sommer eine reizvolle Struktur-<br />

und Farbwirkung in einer monoton wirkenden Rasenfläche. Wiesen im Wohnumfeld gelten verbreitet<br />

<strong>als</strong> ungepflegte Grünflächen und erfahren eher Akzeptanz, wenn sie ablesbar geometrisch gestaltet<br />

und so einfacher zu pflegen sind. Landschaftsarchitekten: BHF, Kiel-Schwerin.<br />

4 http://www.stauden.de/cms/staudenverwendung/staudenprojekte/bersarinplatz_index.<br />

php?navid=92 vom 26.10.2009.<br />

5 Kiermeier, P.: Die Pflege der Staudenrabatte, Vortrag am 04.10.2009 im Rahmen Gartenpraxis-<br />

Seminar Aktualität und Zukunft der Staudenrabatte, Bildungsstätte Gartenbau Grünberg vom<br />

02.–04.10.2009.<br />

15


16<br />

Verwendung von wenigen<br />

arten in großer stückzahl<br />

Pflegekosten<br />

rituell vorgetragene<br />

Pflegenotstände<br />

Eine vielversprechende Strategie zur Pflegeminimierung von Staudenpflanzungen<br />

ist die Verwendung von wenigen Arten in großer Stückzahl,<br />

wie sie Wolfgang Oehme, Baltimore seit den 1970er Jahren in den USA<br />

praktiziert. Mit der Strategie größere Gruppen von 15–30 Stück langlebiger<br />

Stauden zu kombinieren, realisierte Christine Orel für die Friedrich Ebert-<br />

Anlage in Frankfurt a.M. 1.500 m 2 ästhetisch anspruchsvolle Pflanzungen<br />

im öffentlichen Raum, die dauerhaft bestehen können. Eiben mit Formschnitt<br />

und Rosen bilden klassisch das Gerüst für die Stauden- und Gräsergruppen.<br />

Formschnittgehölze erhöhen allerdings die Herstellungskosten.<br />

Die Pflanzung ist mit einer Bewässerungsanlage ausgestattet und mit einer<br />

Granitsplittmulchschicht 2/11 zur Verminderung der Spontanvegetation<br />

5 cm hoch abgedeckt. Der scharfkantige Splitt soll neben dem Mulcheffekt<br />

Hunde von den Flächen fernhalten. Die Pflanzung wirkt mit Gruppen<br />

aus Paeonien, Rosen und so genannten Funktionierern wie, Geranium,<br />

Gräsern, Boltonia asteroides ‚Snowbank‘ oder Artemisia plakativ. Zwiebelpflanzen<br />

wie Allium wurden erst ein Jahr nach den Stauden gepflanzt. Die<br />

Pflegekosten betragen für diese Pflanzung im Jahr 6,– bis 10,– €/m 2 (Christine<br />

Orel 2009). Gegenüber Rasenflächen mit 3,– €/m 2 ist das zwar immer<br />

noch mindestens das Doppelte, aber eben nicht das Zehnfache wie 30,– bis<br />

35,– €/m 2 für ein Schmuckbeet 6 .<br />

Um den Anforderungen der öffentlichen Grünflächen in einer Phase<br />

schrumpfender Ressourcen aktiv begegnen zu können, sind kreatives<br />

Denken und mutige Versuche in der Pflanzenverwendung notwendig.<br />

Das erscheint viel versprechender <strong>als</strong> das rituell vorgetragene Jammern der<br />

Fachleute über unzulängliche Pflege bei zu schmalem Budget. Die Rahmenbedingungen<br />

sind schließlich für den Landschaftsarchitekten nicht beeinflussbar.<br />

Ein kurzer Blick auf die Rahmenbedingungen ist zwar entlarvend,<br />

ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Ausgaben für Grünflächen zu<br />

gering ausfallen: Bereits bei flüchtiger Betrachtung der rituell vorgetragenen<br />

Pflegenotstände in den Kommunen verdichtet sich der Eindruck, dass eine<br />

Gewichtsverlagerung zugunsten von öffentliche Grünflächen möglich sein<br />

6 Orel, C.: Sparen ohne billige Wirkung, Vortrag am 03.10.2009 im Rahmen Gartenpraxis-Seminar<br />

Aktualität und Zukunft der Staudenrabatte, Bildungsstätte Gartenbau Grünberg vom 02.–<br />

04.10.2009.


wertschätzung<br />

könnte. Am Beispiel der Stadt Schwerin 7 lässt sich skizzenhaft aufzeigen wie<br />

eine Erhöhung der Ausgaben für Grünfl ächenpfl ege um 106.000,– € im<br />

Jahr einzuordnen ist. In der Sphäre der Politik gilt eine solche Erhöhung <strong>als</strong><br />

„positives Zeichen“. Die Gesamtausgaben betragen 300,1 Millionen Euro<br />

und die Investitionen im Baubereich 22 Millionen Euro im Jahr 2009.<br />

� Ausgaben<br />

im sozialen<br />

Bereich<br />

� Investitionen<br />

in den Baubereich<br />

� Andere Ausgaben<br />

� Zusätzliche<br />

Ausgaben für<br />

Grünfl ächenpfl<br />

ege<br />

Abb. 5: Ausgabenstruktur Haushalt der Landeshauptstadt Schwerin für 2009. Quelle: Landeshauptstadt<br />

Schwerin 8 .<br />

Die Gründe für kategorisch vorgetragene Einschränkungen bei den<br />

Pfl egemöglichkeiten der Kommunen sind im Bereich der Wirtschaftspsychologie<br />

zu suchen. Eine gründliche Untersuchung zu den Wirkungsmechanismen<br />

in Verwaltung und Politik könnte Motive wie Selbstentlastung,<br />

fehlende Leistungsanreize, sinkende Anerkennung und Wegfall von Möglichkeiten<br />

des Statuszuwachses für Führungskräfte herausarbeiten. Trotz<br />

einer grundsätzlich besonders hohen Wertschätzung von Grünfl ächen<br />

bei breiten Bevölkerungsgruppen (Wulf Tessin 2009) ist es zu Beginn des<br />

21.Jh. nicht gelungen die Wertschätzung in eine Verschiebung zugunsten<br />

der Ausgaben für Grünfl ächen zu wandeln. Stattdessen erfahren öff entliche<br />

Grünfl ächen eine Zuwendung, nach dem Prinzip, das bei Hauseigentümern<br />

gilt: Der Garten wird schön gemacht, wenn alles andere eingerichtet ist.<br />

Um in Politik und Gesellschaft eine erhöhte Wahrnehmung und Aufmerksamkeit<br />

zu erhalten dürfte ein Prinzip der Konzentration sein. Maßnahmen<br />

7 Die Landeshauptstadt Schwerin hat im Jahr 2009 knapp unter 100.000 Einwohner.<br />

8 Quelle: http://www.schwerin.de/www/live.php?internet_navigation_id=875&internet_inhalt_<br />

id=2781 vom 30.04.2009<br />

17


18<br />

im öffentlichen Grün müssen vor allem dort Aufmerksamkeit erzeugen, wo<br />

das Publikum besonders günstig erreicht werden kann. Die Beschränkung<br />

auf die besonderen Orte ist längst gängige Praxis. Eine Fokussierung auf<br />

den Frühling ist strategisch weniger verbreitet. Im März-April können mit<br />

Frühjahrsblühern in den öffentlichen Grünflächen mit geringen Herstellungs-<br />

und Pflegekosten spektakuläre Knalleffekte geschaffen werden: Die<br />

Tulpenblüte gilt <strong>als</strong> Inbegriff des Winterendes. Das Thema „Grün und<br />

Natur“ gerät zu diesem Zeitpunkt mit uneingeschränkt positiver Konnotation<br />

ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Diese Aufmerksamkeit gilt es, zu<br />

diesem Zeitpunkt strategisch zu nutzen um Ressourcen für das Stadtgrün zu<br />

generieren.<br />

Innovative Tulpen-Pflanzungen, die zum Teil auch mit Gräsern kombiniert<br />

werden wie sie auf der Bundesgartenschau in Schwerin 2009 zu sehen<br />

waren, verlassen mit Bonbonfarben oder monochromen Pflanzungen in<br />

rosa, lila und weiß die Sehgewohnheiten altbacken-spießiger Tulpenbeete in<br />

rot-gelb.<br />

Abb. 6: Tulpenbeete in monochromen Farben erzeugen im Frühjahr spektakuläre Pflanzbilder, die<br />

mediales Interesse erwecken können. Die Tulpen-Gräser-Pflanzungen, hier mit Nasella tenuissima und<br />

Tulpen wie Triumph-Tulpe ‚Gabriella‘, Triumph-Tulpe ‚Rosalie‘, Einfache Tulpe ‚Picture‘, Einfache späte<br />

Tulpe ‚Pink Diamond‘, Viridiflora-Tulpe ‚China Town‘ und Viridiflora-Tulpe ‚Groenland‘, gehörten zu den<br />

Höhepunkten der Bundesgartenschau 2009 in Schwerin. Foto: Ulrich Franke


eharrungsvermögen<br />

anspruch <strong>als</strong><br />

Kunstgattung<br />

Ein Perspektiv- und Strategiewechsel bei kommunalen Haushalten<br />

zugunsten der Freiraumgestaltung und des öffentlichen Grüns ist zwar möglich,<br />

aber unwahrscheinlich. Deshalb sollen hier Möglichkeiten des aktiven<br />

Handelns betrachtet werden, die aus einem Verharren in einer Opfersituation<br />

herausführen könnten.<br />

Die Gärtnerzunft ist eine besonders veränderungsscheue, erdverbundene<br />

Berufsgruppe mit enormem Beharrungsvermögen. Das hat seinen guten<br />

Grund, denn das Naturgut Pflanze ist an Standortbedingungen gebunden<br />

und verhält sich unkundigen Gestaltungsversuchen gegenüber sperrig. Die<br />

Planerzunft unterliegt dagegen den Marktbedingungen der Aufregungskultur.<br />

Von den Landschaftsarchitekten werden ständig neue originelle<br />

Schöpfungen erwartet, wenn sie die Aufmerksamkeit des Publikums und<br />

vor allem der Auftraggeber erhalten wollen. Die Pflanzenverwendung nach<br />

den Lebensbereichen (Richard Hansen/Friedrich Stahl 1981) gilt <strong>als</strong> Lehrmeinung<br />

und gute fachliche Praxis, aber heute <strong>als</strong> wenig aufregend. Prof.<br />

Dr. Peter Kiermeier studierte bei Richard Hansen und gab das anerkannte<br />

Wissen zur Pflanzenverwendung nach den Lebensbereichen wiederum an<br />

seine Schüler wie Christine Orel und Hanne Roth weiter, die nach den<br />

Bedingungen der Aufregungskultur auch Pflanzbilder für Gartenschauen<br />

kreieren – auf der soliden Grundlage der guten fachlichen Praxis. Diese<br />

Pflanzenbilder können <strong>als</strong> Hinweis der zeitgenössischen Gartenkultur mit<br />

einem Anspruch <strong>als</strong> Kunstgattung verstanden werden. Kreative Pflanzenverwendung,<br />

welche die Lebensbereiche und Standortbedingungen des<br />

Werkstoffs Pflanze missachtet, wird scheitern. Anders <strong>als</strong> beim Routinedenken<br />

ist der Ausgang beim kreativen Denken bekanntermaßen ungewiss<br />

und Fehler sind nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, denn die<br />

Lösung bleibt vorerst im Ungefähren. Ohne Lernprozesse kann es aber zu<br />

keinem neuen Wissen kommen, auch das ist allgemein bekannt. Vielleicht<br />

geht es beim Thema Pflanzenverwendung weniger darum „das Rad neu zu<br />

erfinden“, sondern eher darum, Wissen aus gartenkulturellen Blütezeiten zu<br />

bewahren oder wieder zu entdecken.<br />

In England, dem Mutterland der Pflanzenverwendung und der Gartenkultur,<br />

debattieren Experten und Gartenliebhaber seit 2007 heftig zum<br />

Thema „Wie modern darf ein Garten sein?“ Der Hausgarten ist ein kleiner<br />

19


20<br />

Teilbereich der Landschaftsarchitektur, gilt<br />

aber <strong>als</strong> Experimentierfeld in der Pflanzenverwendung.<br />

Die Umbauplanungen für<br />

Hadspen Gardens, ein typisch englisches<br />

Gartenkunstwerk der bekannten Gartenarchitektin<br />

Penelope Hobhouse und Sitz<br />

der Familie Hobhouse seit 1775, sahen<br />

eine radikal postmodern-minimalistische<br />

Komposition vor. Die Haltung von Alejandro<br />

Zaero-Polo – Mitinhaber des jungen<br />

entwurfsverfassenden Büros Foreign Office<br />

Architects – der feststellte, dass die Kultur<br />

der Gartengestaltung im Pittoresken steckengeblieben<br />

sei, provozierte die Fachwelt.<br />

Der Bauherr rief daraufhin auf einer eigens<br />

eingerichteten Website www.thehadspenparabola.com<br />

zum weltweit offenen Planungswettbewerb<br />

auf und initiierte eine Gartenkulturdebatte,<br />

die das Londoner Museum<br />

of Garden History begleitete. Die Beispiele<br />

Splice Garden und Hadspen Gardens legen<br />

die Vermutung nahe: Die Gartenkunst ist<br />

vormodern. Zumindest, wenn Pflanzen verwendet<br />

werden. Gilt diese Feststellung, dann<br />

gilt für Norddeutschland: Gartenkultur ist<br />

romantisch. Auch wenn sich zeitgenössische<br />

Gartenkunst noch so minimalistisch generiert:<br />

mit Pflanzenverwendung wäre sie demnach im Kern romantisch. Ein<br />

Blick auf den Siegeszug der Stauden aus den englischen Cottage Garden<br />

und ihren Staudenrabatten zu Beginn der Epoche der Romantik Ende des<br />

18. Jh. in die Gärten und Parks in Europa und der Neuen Welt im 19. und<br />

20. Jh. und auf die Kultur- und Wirkungsgeschichte der Romantik stärken<br />

diese Vermutung.<br />

Sicher ist, dass viel stärker <strong>als</strong> in der Architektur, der Bildhauerei oder<br />

der Malerei Werke der Garten- und Landschaftsarchitektur eine weitere<br />

Abb. 7: Der „Splice Garden“ auf dem Dachgarten des Whitehead<br />

<strong>Institut</strong>e in Cambridge Massachusetts lotete 1986 die Grenzen der<br />

Gartenkultur in der Moderne aus. Alle „Pflanzen“ sind aus Kunststoff<br />

hergestellt. Die Provokation erzeugte internationale Aufmerksamkeit<br />

und unterstützte im medialen Architekten-Starsystem die Karriere der<br />

Landschaftsarchitektin Martha Schwartz, Cambridge, USA.<br />

gartenkultur<br />

ist romantisch


Dimension besitzen: die Zeit. Traditionalisten der englischen Gartenhochkultur,<br />

Vertreter der Naturgartenbewegung und minimalistische Designer<br />

müssen sich den Naturgesetzmäßigkeiten, die beim Wandel mit der Zeit<br />

wirken, stellen. Erfahrungswissen aus der gärtnerischen Praxis ist unentbehrlich<br />

um mit Pflanzen Schöne Kunst oder zumindest solide Pflanzungen<br />

zu schaffen. Dazu muss man sich die Hände schmutzig machen, wie die<br />

Gärtner sagen.<br />

21


Von der staude bIs zum baum ��������������������������������������������������<br />

K.-D. Bendfeldt<br />

Erst in dem gekonnten Umgang und der Gestaltung mit der<br />

Pflanze zeigt sich der wahre Landschaftsarchitekt. Klaus-Dieter<br />

Bendfeldt, freischaffender Landschaftsarchitekt BDLA, zeichnet<br />

in diesem Beitrag die Geschichte der Pflanzenverwendung in den<br />

vergangenen 50 Jahren nach und lässt Menschen vor unserem<br />

Auge erscheinen, die in ganz unterschiedlicher Weise mit diesem<br />

Thema umgegangen sind. Diese Gestalter haben auch Zeichen in<br />

ihrer Zeit gesetzt.<br />

Wer weiß es noch, wie es 1955 in den Anfangszeiten des Wirtschaftswunders<br />

war? Da hilft vielleicht ein Blick in das Jahresverzeichnis der schon<br />

dam<strong>als</strong> auf dem Markt etablierten Zeitschrift „Garten und Landschaft“.<br />

Rund 100 Textbeiträge wurden in diesem Jahr in ihr veröffentlicht. Davon<br />

Abb. 8: Bornim, der unter Denkm<strong>als</strong>chutz stehende Senkgarten Karl Foersters. Jahrzehntelang Vorbild<br />

in der Vergesellschaftung von Stauden, Rosen und edlen Gehölzen. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

23


24<br />

begrünung<br />

von trümmerschutt<br />

beschäftigten sich elf Beiträge schwerpunktmäßig mit den Themen Pflanze/Pflanzenverwendung.<br />

Die Sichtung des Ritterspornsortimentes wurde<br />

abgeschlossen. Von 17 Standardsorten mit drei und zwei Sternen waren<br />

13 Züchtungen von Karl Foerster aus den Jahren 1920 bis 1937. Seltene<br />

Blumenzwiebeln wurden besprochen, Richard Hansen veröffentlichte eine<br />

Liste von erprobten Kletterrosen und Karl Foerster teilte seine Erfahrungen<br />

über die Verwendung der blauen Kaiserwinde (Ipomea coerulea Praecox)<br />

mit. Willy Alverdes (1896 bis 1980) schrieb über die Wiederbepflanzung<br />

des „Großen Tiergarten“ zu Berlin. Über die Begrünung von Trümmerschutt,<br />

die Bepflanzung der Emsaue und der Kuranlagen in Freudenstadt<br />

wurde berichtet. Gestritten wurde über die unterschiedlichen Ansichten zur<br />

Straßenbepflanzung. Der Höhepunkt des Gartenjahres war aber die von<br />

Hermann Mattem geplante Bundesgartenschau in Kassel, die dritte nach<br />

dem Kriege. Auch über sie wurde gebührend berichtet.<br />

Abb. 9: Bornimer-Kompositionen mit Rittersporn, Gräsern, Schafgarben, Brennender Liebe, Sonnenauge<br />

und Sonnenbraut. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

Die Pflanzenverwendung lässt sich mit Sicherheit aus ganz unterschiedlichen<br />

Blickwinkeln betrachten. Unter pragmatischen Gesichtspunkten,<br />

das heißt Orientierung auf das Nützliche, sind Pflanzen im Landschaftsbau<br />

und in der Landschaftsarchitektur „grüne Baustoffe“. Sie werden zwar nach


Pflanzenverwendung ist<br />

mehr <strong>als</strong> nur einfache<br />

begrünung<br />

Abb. 10: Hermannshof in Weinheim. Präriepflanzung mit Echinacea, Coreopsis, Liatris und Gräsern.<br />

Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

Qualitätsnormen gehandelt, aber nicht in die Zwangsjacke von DIN-<br />

Normen gesteckt. Pflanzen sind aber mehr <strong>als</strong> nur „grüne Baustoffe“. Und<br />

Pflanzenverwendung ist mehr <strong>als</strong> nur einfache Begrünung. Pflanzenverwendung<br />

hat immer mit Gestaltung zu tun und ist daher ein wesentlicher<br />

Bestandteil des Planungsprozesses. Erfolg beim Einsatz dieser „Baustoffe“<br />

hat nur, wer die Ansprüche der Pflanze in Übereinstimmung mit den vorhandenen<br />

oder neu zu schaffenden Standortfaktoren bringen kann.<br />

Man könnte sich nun fragen: Wie hat sich in den vergangenen fünfzig<br />

Jahren die Verwendung von Stauden entwickelt? Gibt es eine Renaissance<br />

der Formgehölze oder eine Kübelpflanzenmode?<br />

Sind clumps (Baumgruppen), eine von Kent (1685 bis 1748) entwickelte<br />

Pflanzmethode, auch noch heute ein Gestaltungselement oder sind<br />

barocke Alleen wieder im Kommen? Ist die Verwendung von Rollrasen eine<br />

typische Form der Pflanzenverwendung und wo ist die Verwendung von<br />

Vegetationsmatten einzuordnen? Sind kunstvoll geschnittene Kiefern <strong>als</strong><br />

grüne Skulpturen eine Reminiszenz (wenn auch eine japanische) an die chinesischen<br />

Einflüsse (anglo-chainois) in der englischen Gartenkunst in der<br />

Mitte des 18. Jahrhunderts? Oder wird hier nur geschickt ein neuer Markt<br />

25


26<br />

treppen-wege-mauerngestaltungen<br />

mit wärmeliebenden<br />

stauden<br />

„bornimer schule“<br />

aufgebaut? Die Entwicklung der Pflanzenverwendung in den vergangenen<br />

50 Jahren soll betrachtet werden unter folgenden Gesichtspunkten:<br />

− Stauden, ein immer aktuelles Thema,<br />

− Gehölze, geformt mit Messer, Sichel, Schere,<br />

− Pflanzen <strong>als</strong> grüne Baustoffe, ingenieurbiologische Bauweisen,<br />

− von Acer bis Ulmus, Bäume in der Stadtlandschaft.<br />

Stauden, ein immer aktuelles Thema<br />

Beginnen wir mit 1955 und einem Blick auf das Titelbild der Zeitschrift<br />

„Garten und Landschaft“ Heft 1. Es ist sicherlich kein Zufall, dass<br />

hier ein Bild aus einem Hausgarten von Adolf Haag (1903 bis 1966) zum<br />

Jahresbeginn gezeigt wird. Wir sehen eine seiner berühmten Treppen-Wege-<br />

Mauerngestaltungen in perfekter Trockenmauerwerkstechnik und meisterlich<br />

bepflanzt mit Steinen und wärmeliebenden Stauden. Im Mittelpunkt<br />

aller gartenkünstlerischen Bemühungen der fünfziger und sechziger Jahre<br />

stand der Hausgarten. Neben einzelnen Bäumen und besonderen Solitärgehölzen<br />

waren Stauden und Rosen die beherrschenden Pflanzen in diesen<br />

Gärten. Aus ihnen wurden Vegetationsbilder mit hohem künstlerischen Anspruch<br />

gestaltet, die überwiegend ihren Ursprung in der „Bornimer Schule“<br />

hatten.<br />

Bornim bei Potsdam, die Staudengärtnerei von Karl Foerster (1874 bis<br />

1970), war der Ausgangspunkt einer neuen Sichtweise in der Stauden/Pflanzenverwendung.<br />

Schon einige Titel seiner vielen Bücher zeigen den radikalen<br />

Wandel gegenüber der Teppichbeetgartenkultur des 19. Jahrhunderts.<br />

„Winterharte Blütenstauden und Sträucher der Neuzeit“ (1911), „Der<br />

Steingarten der sieben Jahreszeiten“ (1936) oder der „Einzug der Gräser<br />

und Farne in die Gärten“ (1957) waren Bücher, die ein neues Verständnis<br />

weckten für die jeweiligen Pflanzenbiographien, für eine standortorientierte<br />

Vergesellschaftung von Pflanzen aus allen Erdteilen. Er erfand das „Dünengärtchen“,<br />

den „Meeresstaudengarten“ oder den „Trockenheitsgarten“ und<br />

stellte für alle diese Vegetationsbilder entsprechende Pflanzenlisten zusammen.<br />

Foerster verband Theorie und Praxis in kongenialer Weise. Als Pflanzenzüchter<br />

entwickelte er unter anderem die Sortimente von Delphinium<br />

(insgesamt waren es 110 Sorten), Phlox paniculata, Astern, Heliopsis und<br />

Helenium. Als Gestalter entwickelte er fein abgestimmte Farbskalen oder


Abb. 11: Buga 2001 Potsdam: Sondergarten für den Staudenzüchter Ernst Pagels, Leer, mit seinen<br />

Züchtungen von Achillea, Miscanthus, Salvia, Euphorbia und anderen. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

Farbklänge, zum Beispiel in dunkelblau-weiß-kräftigrot, hellblau-weißrosa<br />

oder gelb-rot. 1927 wird Hermann Mattern (1902 bis 1972) Leiter des<br />

Entwurfsbüros bei Karl Foerster. Es kommt Herta Hammerbacher (1900<br />

bis 1985) dazu. So entsteht die Arbeitsgemeinschaft Foerster-Mattern-<br />

Hammerbacher. Sie entwickeln und realisieren die „modernen“ Vegetationsbilder<br />

aus Stauden-Rosen-Gräsern und Solitärgehölzen, die auch heute noch<br />

Leitbilder für viele Staudenpflanzungen sind.<br />

1939 präsentiert Hermann Mattern auf der von ihm gestalteten Reichsgartenschau<br />

in Stuttgart diesen „Neuen Stil“ der Pflanzenverwendung an<br />

an zahlreichen überraschenden und beeindruckenden Beispielen. Der alte<br />

Steinbruch und die Hanglage des Killesbergs sind eine ideale Kulisse für die<br />

mit hohem künstlerischen Anspruch entwickelten Pflanzenkompositionen.<br />

Großzügige Astilbenpflanzungen im Schatten eines Robinienwäldchens,<br />

das Tal der Rosen, ein Königskerzenhang, geballte Rittersporn- und Margeritenpflanzungen<br />

vor hohen Steinbruchwänden, terrassierte Staudenhänge<br />

und (man glaubt es kaum) einen Garten der Wildflora. Alles meisterhaft<br />

gestaltet im Zusammenspiel von Bodenrelief, Mauern, Treppen, Wegen und<br />

Blicken auf die Stadt und in die Landschaft.<br />

Warum dieser Rückblick in die Zeit vor 1939? In der Staudenverwendung<br />

wurde nach dem Kriege nahtlos da wieder angeknüpft, wo sie 1939<br />

27


28<br />

richard hansen hatte<br />

bei foerster gearbeitet<br />

aufgehört hatte. Ehemalige Mitarbeiter von Karl Foerster hatten den Krieg<br />

überlebt und waren jetzt <strong>als</strong> freischaffende Gartenarchitekten tätig. In Hamburg<br />

zum Beispiel Gustav Luettge (1903 bis 1968), dessen Pflanzungen von<br />

Rhododendron und den sie begleitenden Stauden beispielhaft wurden. Hermann<br />

Thiele (1908 bis 1993) aus Nürnberg war bei Karl Foerster vor dem<br />

Kriege Leiter der Staudenvermehrung. Die Bepflanzungspläne seiner vielen<br />

Hausgärten zeigen deutlich die Weiterführung der „Bornimer Schule“.<br />

Abb. 12: Im Barockgarten des Schlosses Het Loo, Appeldorn: 1684 gepflanzt und mit großer Kunstfertigkeit<br />

geschnitten (1984 nach alten Vorlagen restauriert). Kübel-, Kugel- und Kegelpflanzen. Laubengänge<br />

aus Hainbuche und Buxushecken — heute wie dam<strong>als</strong> beliebte grüne Gestaltungselemente.<br />

Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

Auch die von ihm geplanten Außenanlagen am Deutschen Pavillon auf der<br />

Wiener Internationalen Gartenschau 1964 zeigten umfangreiche Staudenpflanzungen,<br />

wobei die Sortimente von Rittersporn, Eisenhut, Astilben,<br />

Phlox und Astern besonders unter dem Gesichtpunkt der Staudensichtung<br />

vergesellschaftet wurden.<br />

Die Staudensichtung begann 1948 mit der Gründung des „<strong>Institut</strong>es<br />

für Stauden, Gehölze und angewandte Pflanzensoziologie“ an der Fachhochschule<br />

Weihenstephan.<br />

Und wieder war es ein „Foersterianer“, der mit der Leitung des <strong>Institut</strong>es<br />

und der Sichtungsarbeit beauftragt wurde. Richard Hansen (1912 bis<br />

2001) hatte 1932/33 in Bornim bei Foerster gearbeitet und entwickelte


Pflanzenkompositionen<br />

nach den bornimer-regeln<br />

sehr pflegeintensiv<br />

Abb. 13: Der „Neo-Renaissancegarten“ des Hotels Kempinski am Flughafen München.<br />

Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

nun die „Lebensbereiche der Stauden“ auf der Grundlage von pflanzensoziologischen<br />

Erkenntnissen. Gleichzeitig wurde mit der Sichtung der Staudensortimente<br />

und der Neuheitenprüfung begonnen, um Anzuchtstätten<br />

und Verwendern verlässliche Aussagen über den Gartenwert von Stauden<br />

zu geben. Trotz dieser Grundlagenforschung und Weiterentwicklung in<br />

der Staudenverwendung blieben Stauden-Rosen-Gehölzpflanzungen „à la<br />

Bornim“ immer noch tonangebend in der Gartenarchitektur. Sie blieben<br />

auch gartenschauwürdig. Auf der Bundesgartenschau 1981 in Kassel plante<br />

Marianne Foerster (Tochter von Karl Foerster) in Zusammenarbeit mit dem<br />

Staudengärtner Heinz Hagemann aus Hannover (ehemaliger Obergärtner<br />

in Bornim) einen Karl Foerster-Garten. 1985 auf der Buga in Berlin entwarf<br />

der Hamburger Gartenarchitekt Günther Schulze (1927 bis 1994) den<br />

Karl-Foerster-Gedächtnisgarten.<br />

Bei aller Begeisterung und garten-künstlerischer Vorliebe für Pflanzenkompositionen<br />

nach den Bornimer-Regeln kann nicht übersehen werden,<br />

dass viele dieser Pflanzengemeinschaften sehr pflegeintensiv sind, besonders<br />

wenn es sich um die Gruppe der Pracht- und Beetstauden mit ihren Begleitern<br />

handelt. Die Zielvorstellung, langlebige und sich selbst erhaltende<br />

Staudenpflanzungen zu schaffen durch bewusst zusammengestellte Pflanzengemeinschaften,<br />

ist häufig nur schwer zu realisieren.<br />

29


30<br />

naturgartenbewegung<br />

Abb. 14: Geschnitten wird überall. Der Park Andre Citroen in Paris (gebaut um 1990). Im Vordergrund<br />

grüne Wände aus Magnolia grandiflora, daneben Hainbuchenblöcke, Höhe sechs bis acht Meter. Foto:<br />

K.-D. Bendfeldt<br />

Sachkundige Pflege und hohe Pflegekosten sind daher auch das Problem<br />

vieler Staudenpflanzungen im öffentlichen Bereich. Das hatte auch Karl<br />

Foerster schon erkannt, <strong>als</strong> er in seinem Buch „Ein Garten der Erinnerung“<br />

schrieb: „Die eine Hälfte der Gartengestaltung ist dem Gesetz der Prachtentfaltung<br />

ohne Rücksicht auf das Wildnisleben der Pflanze unterworfen<br />

und schließt sich an geometrische Umgebungen der Pflanzung an, während<br />

auf der anderen Seite die Wildnisgartenkunst das natürliche Vorkommen<br />

der Pflanze in der Wildnis an passenden Gartenplätzen nachbildet und sich<br />

hierbei aber auch veredelter und fremdbeheimateter Wildnisgartengestalten<br />

bedient, die in das geschaffene Naturbild hineinpassen“. Hier entwickelte<br />

sich schon der Gedanke des Naturgartens.<br />

Die siebziger Jahre wurden dann auch die Jahre der Naturgartenbewegung.<br />

Die Väter dieser Bewegung, zum Beispiel der Schweizer Schwarz<br />

oder der Holländer Le Roy, sahen den „Naturgarten“ <strong>als</strong> eine ökologische<br />

Lebensgemeinschaft von Boden, Pflanzen und Tieren, in der das Gewöhnliche<br />

und Unscheinbare einen hohen Stellenwert hat. Dass die stärkere Einbeziehung<br />

von Wildstauden in Bepflanzungs- und Entwicklungskonzepte<br />

keine zeitweilige Modeerscheinung war, beweisen zum Beispiel die BdB-<br />

Handbücher „Wildstauden“, die sich intensiv diesem Thema widmeten.<br />

Auch die Einbeziehung der Ruderalflora, die sich <strong>als</strong> Spontanvegetation auf<br />

Industriebrachen oder stillgelegten Gleisanlagen entwickelt, in das Thema<br />

Wildstauden muss hier ebenfalls genannt werden. Ökologische Prioritäten


Pflanzungen mit wenigen<br />

arten/sorten in großer<br />

stückzahl<br />

Präriemischpflanzungen<br />

in der Pflanzenverwendung können durchaus zu ästhetisch schönen Vegetationsbildern<br />

führen. Sie brauchen keine Gegensätze sein. Allerdings wird es<br />

in vielen Fällen ohne das „Prinzip des gelenkten Zufalls“ zu keiner befriedigenden<br />

Lösung kommen. Aus allen Erdteilen ist das Sortiment der Stauden<br />

zusammengetragen worden, das uns heute zur Verfügung steht.<br />

Genauso grenzüberschreitend sind natürlich Ideen und neue Konzepte<br />

in der Verwendung der Stauden <strong>als</strong> Gestaltungselemente in unseren Gärten<br />

und Parks. Bepflanzungskonzepte mit hoher Arten- und Sortenzahl bei<br />

kleiner Stückzahl der Pflanzeneinheit ergeben interessante Vegetationsbilder,<br />

sind aber pflegeintensiv. Der Konkurrenzkampf der Arten und die Dynamik<br />

der Vegetationsentwicklung geht immer in Richtung Veränderung eines Bepflanzungskonzeptes.<br />

Alles Statische ist der Vegetation fremd. Pflanzungen<br />

mit wenigen Arten/Sorten in großer Stückzahl waren ein neues Konzept<br />

in der Pflanzenverwendung. Die Gartenarchitekten Wolfgang Oehme und<br />

James van Sweden entwickelten in den USA etwa ab 1970 in ihren Gärten<br />

solche einprägsamen Bildmotive. Langlebige, ausdrucksstarke Stauden, begrenzt<br />

auf wenige Arten, aber in großen Stückzahlen, war ihre neue Idee der<br />

Staudenverwendung. Rudbeckia fulgida „Goldsturm“, Achilea filipendulina<br />

„Parkers Var.“ mit Miscanthus sinensis oder großblumige Hemerocallispflanzungen<br />

im Zusammenspiel mit Hosta-Sorten, die Kombinationsmöglichkeiten<br />

sind vielfältig und hochinteressant. Starke Farben, unterschiedliche<br />

Blattstrukturen und immer wieder Gräser sind die Komponenten<br />

ihrer Vegetationsbilder. Ein Konzept, das auch bei uns Anklang findet und<br />

zum Beispiel auf der Buga Potsdam 2001 mit dem Salviensortiment an den<br />

Böschungshängen realisiert wurde.<br />

Der innovative Umgang mit der Pflanze und den Pflanzengesellschaften<br />

ist ein nie endender ökologischer und künstlerischer Prozess bei dem sich<br />

auch immer wieder zeigt, dass das Potential der Pflanzen in vielen Fällen<br />

noch keineswegs ausgeschöpft ist. 1960 wurde der Park einer Fabrikantenvilla,<br />

der Herrmannshof in Weinheim an der Bergstraße, von Hans Luz zu<br />

einem Staudenschaugarten umgeplant. Urs W<strong>als</strong>er entwarf die Bepflanzung,<br />

der Schaugarten entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem privaten<br />

Sichtungsgarten. Seit 2001 werden dort Versuche mit Pflanzenarten<br />

und Pflanzengesellschaften der nordamerikanischen Prärie durchgeführt.<br />

Präriemischpflanzungen für trockene Böden, feucht-nasse Standorte oder<br />

31


32<br />

gräser, gräser, gräser<br />

Präriestauden für den Gehölzrand sind nach den Erfahrungen im Herrmannshof<br />

auch für europäische Verhältnisse attraktive, aber pflegeextensive<br />

Pflanzungen. In einer Pflanzenliste für Präriepflanzungen auf trockenem<br />

Boden werden in Heft 5/2004 der „Gartenpraxis“ 62 Pflanzenarten aufgeführt,<br />

die auf diesen Standorten heimisch sind. Dazu gehört eine Reihe von<br />

Gattungen, die auch heute schon mit vielen Arten in unseren Staudensortimenten<br />

vertreten sind. Agastache, Aster, Coreopsis, Echinacea, Gaillardia,<br />

Helianthus, Oenothera, Rudbeckia, Solidago oder Yucca sind solche Arten.<br />

Gleiches gilt für die Pflanzengesellschaften auf frischen Böden oder am<br />

Gehölzrand. Dass für diese neuartige Form der Bepflanzung Interesse und<br />

Nachfrage besteht, zeigt das Saatgutangebot und auch das Pflanzenangebot<br />

von fast allen Arten bei Spezialfirmen in Deutschland. Korrekterweise muss<br />

natürlich ergänzt werden, dass diese Form der Bepflanzung im Präriestil,<br />

das heißt die Verwendung standortgerechter, heimischer Stauden massiert<br />

und großflächig, von dem Landschaftsgestalter Jens Jensen (1860 bis 1951),<br />

einem in Chicago tätigen Dänen, zuerst entwickelt wurde.<br />

Aber nicht nur in den Vereinigten Staaten versuchte man neue Wege<br />

in der Staudenverwendung zu gehen, auch in Holland wurden neue Wege<br />

beschritten. 1982 eröffnete der Gartengestalter Piet Oudolf mit Partnern eine<br />

eigene Gärtnerei, da er das vorhandene Staudensortiment für seine Planungen<br />

<strong>als</strong> unbefriedigend empfand. Er wollte Pflanzen mit großer Natürlichkeit,<br />

einem dynamischen und spannungsreichen Charakter. Pflegeleicht sollten sie<br />

sein, keinen Ausbreitungsdrang durch Ausläufer haben und möglichst subtile<br />

Farben und ausdrucksvolle Blattformen. Das Monarda- und Astanna-Sortiment<br />

wurde weiter entwickelt. Echinops, Polygnum amplexicaule-Sorten,<br />

Filipendula rubra oder Veronica virginica-Sorten erscheinen immer wieder in<br />

seinen Staudenrabatten und immer wieder Gräser, Gräser, Gräser.<br />

Bei diesem Stichwort „Gräser“ taucht wieder der Name eines „Foersterianers“<br />

auf: Ernst Pagels aus Leer/Ostfriesland, 1936 Gärtnergehilfe bei Karl<br />

Foerster, der bedeutendste Staudenzüchter nach Foerster. In der Pflanzenliste<br />

der Gärtnerei Pagels werden zurzeit 35 unterschiedliche Miscanthus-<br />

Sorten angeboten. Mit diesen Miscanthus sinensis-Sorten entwickelt Piet<br />

Oudolf seine Pflanzungen.<br />

Foerster hatte es mit seinem Buch „Der Einzug der Gräser und Farne“<br />

vorausgesehen. Das heutige Salvien- oder Achillea-Sortiment gäbe es ohne


„es wird durchgeblüht ...“<br />

den Züchter Pagels nicht. Die Stauden mit ihren Blüten, Samenständen<br />

und kontrastierenden Blattformen werden dann von Oudolf kombiniert<br />

mit sehr formalen Strukturen seiner Gartengestaltungen.<br />

Der Rückblick auf die Staudenverwendung begann mit der Reichsgartenschau<br />

1939 in Stuttgart. Er soll beendet werden mit einem Rückblick<br />

auf die IGA 1993 in Stuttgart. Auch hier waren umfangreiche großflächige<br />

Staudenpflanzungen zu sehen, die vom Büro Hans Luz und Partner gestaltet<br />

wurden. Das Konzept dieser Staudenverwendungen orientiert sich an<br />

den Vegetationsbilder natürlicher Pflanzengesellschaften, die ja sehr stark<br />

von „Aspektbildnern“ geprägt werden. Lutz und Partner pflanzten diese Aspektbildner<br />

großflächig und ergänzten sie mit Begleitern und verschiedenen<br />

hohen Gräsern. Dieses neue „Vergesellschaftungskonzept“ spiegelt sich dann<br />

auch in den Blütenzeiten wider. Es gibt überwiegend einen Blühaspekt im<br />

Frühjahr/Sommer und Herbst. Foersters Slogan „Es wird durchgeblüht ...“<br />

ist nun bei diesem Gestaltungsansatz nicht mehr ganz zutreffend.<br />

Gehölze, geformt mit Messer, Sichel, Schere<br />

Plinius d. Jüngere (61 bis 113 n. Chr.) ließ seine Buchsbaumhecken,<br />

seine Buchsbaumfiguren und Buchstaben von griechischen Gärtnersklaven<br />

(Topiarii) schneiden. Griechen und Römer hatten <strong>als</strong>o schon früh erkannt,<br />

dass es Gehölzarten gibt, die schnittverträglich sind und ein hohes Regenerationsvermögen<br />

besitzen. Mit dem Zusammenbruch des römischen Reiches<br />

gingen diese gärtnerischen Kenntnisse und Erfahrungen verloren. Sieht man<br />

einmal von den Buchsbaumeinfassungen in den Klostergärten des Mittelalters<br />

ab, dann wurden erst wieder in der Renaissance bewusst geformte Gehölze<br />

ein bedeutendes Gestaltungselement. In den Gärten der Päpste, Kardinäle<br />

oder der Medici wurden Gehölze zu Hecken geformt und zu geometrischen<br />

Figuren geschnitten. Sie wurden zu Elementen eines architektonischen<br />

Gestaltungsprinzips, wie zum Beispiel der Garten der Villa Lante in Bagnaia,<br />

erbaut 1566 bis 1586 für den Kardinal Gambara. Oder Villandry, der Renaissancegarten<br />

im Tal der Loire, mit seinen Terrassengärten, erbaut ab 1532. Im<br />

Zeitalter des Barocks wurde dann das Schneiden und Formen von Gehölzen<br />

zur höchsten Kunstfertigkeit entwickelt. Nachdem Heinrich IV. (1589 bis<br />

1610) seinem Hofgärtner Claude Mollet 1595 erlaubt hatte, Buchsbaum<br />

(Buxus sempervirens „Suffrutticosa“) für Beeteinfassungen zu verwenden,<br />

33


34<br />

messer, schere<br />

und sichel<br />

konnten die filigranen Muster barocker Parterreformen realisiert werden. Der<br />

Buchsbaum <strong>als</strong> Einfassung wurde damit hoffähig. Hecken, Laubengänge, geschnittene<br />

Baumreihen, spitze Taxuspyramiden mit Messer, Schere und Sichel<br />

geschnitten bestimmen das Pflanzenbild dieser Gärten.<br />

So wurde der Pflanzenwuchs dem Staats- und Gestaltungsprinzip des<br />

Barock untergeordnet. Vaux-le-Vicomte, Versailles oder Herrenhausen<br />

sind herausragende Beispiele dieses Zeitalters der Gartenkunst. Geschnitten<br />

wurde in allen europäischen Gärten. Berühmt waren zum Beispiel die<br />

Knotengartenmuster, die in England sehr verbreitet waren. Auf engem<br />

Raum wurden hier mit fließenden Buchsbaumlinien komplizierte grüne<br />

Ornamente gestaltet. Zu allen Zeiten wurde in der Gartenkunst nicht nur<br />

mit Pflanzen gestaltet, die Pflanze, das Gehölz selbst, wurde immer wieder<br />

zum Gestaltungsobjekt. Was wäre der Garten von Hidcote Manor (ab 1907<br />

von Lawrence Johnstons angelegt) ohne die Heckenwände aus Eiben, Stechpalmen,<br />

Hainbuchen oder Buchen, mit denen die Gartenräume geschaffen<br />

wurden. Er konnte nur realisiert werden, weil das Schneiden von Gehölzen<br />

eine uralte gärtnerische Tätigkeit ist. Erst diese „Handwerkskunst“ schafft<br />

die Voraussetzungen, um geformte Pflanzen zum Mittel der Gartenkunst zu<br />

machen.<br />

Wie groß war nun der Gestaltungswille, der Griff zu Schere und Messer<br />

– vor 50 Jahren? Es gab geschnittene Baumdächer aus Platanen an Uferpromenaden,<br />

kastenförmige Kastanien auf Friedhöfen oder in Parkanlagen,<br />

Lindenwände <strong>als</strong> Windschutz vor den Bauernhäusern in der Elbmarsch.<br />

Einfassungen aus Buxus auf Friedhöfen oder in Bauerngärten waren nie aus<br />

der Mode gekommen und Hecken aus Hainbuche, Rotbuche oder Eibe<br />

waren nie in Vergessenheit geraten. Aber das geschnittene oder beschnittene<br />

Gehölz, die bewusst geformte Pflanze oder Pflanzengruppe war vor 50<br />

Jahren kein bedeutendes Element der Gartengestaltung. Das zeigt ein Blick<br />

in den Katalog der dam<strong>als</strong> führenden Baumschule Timm u. Co., Elmshorn,<br />

von 1956. Von Buxus sempervirens var. arborescens wurden Kugeln von<br />

20/25 Zentimeter bis 40/50 Zentimeter Durchmesser angeboten zum Zehnerpreis.<br />

Pyramiden, Höhe 40/50 bis 100/125 Zentimeter, ebenfalls zum<br />

Zehnerpreis. Als Einzelpflanzen wurde eine Größe von 100 bis 175 Zentimeter<br />

im Katalog geführt. Bei der Gattung Taxus wurde bis auf Heckenpflanzen<br />

keine „Formpflanze“ angeboten. Man kann <strong>als</strong>o davon ausgehen,


skandinavien<br />

1955<br />

dass weder eine Nachfrage noch ein über Buxuskugeln hinausgehendes<br />

Angebot von Formpflanzen vorhanden war. Als Gestaltungselemente, außer<br />

in historischen Anlagen, lagen sie nicht im „Trend“.<br />

Der Trend, wieder stärker mit geformen Pflanzen Gärten zu gestalten,<br />

begann in Skandinavien. 1955 fand in Kopenhagen die „Jubiläumsausstellung<br />

der königlich dänischen Gartengesellschaft“ statt. 17 dänische Gartenarchitekten<br />

planten Themengärten, in denen neben streng geschnittenen<br />

Hecken auch immer wieder geformte und beschnittene Gehölze Verwendung<br />

fanden. 1966 wurde von C. Th. Sörensen (1893 bis 1970), Gartenarchitekt<br />

und Professor an der Kunstakademie in Kopenhagen, das Buch<br />

„39 Haveplaner“ herausgegeben. 39 mal dasselbe kleine Grundstück mit<br />

immer dem gleichen Hausgrundriss, aber 39 ganz verschiedenen Gärten.<br />

Gärten zum Beispiel mit Hecken aus Buxus oder Taxus, Ornamente aus<br />

Buxus, Taxuskugeln und ein Garten mit großen grünen Skulpturen aus<br />

Buxus. Als bei uns noch das Zeitalter der Bodendecker war, mit Lonicera<br />

pileata, Symphoricarpus x chenaultii „Hancock“ oder Cotoneaster dammeri<br />

„Skogsholm“ u. a., bepflanzte man in Dänemark große und kleine<br />

Flächen mit jungen Heckenpflanzen von Rotbuchen oder Stiel-Eichen, die<br />

dann <strong>als</strong> Bodendecker durch Schnitt auf eine Höhe von 50/70 Zentimeter<br />

gehalten wurden. Auf der internationalen Gartenschau in Hamburg 1963<br />

gab es ebenfalls Themengärten/Hausgärten zu sehen. Einen davon entwarf<br />

der schwedische Gartenarchitekt Gunnar Martinson (er übersetzte auch<br />

das Buch von C. Th. Sörensen 1979 ins Deutsche, „39 Gartenpläne für ein<br />

Stück Land“). Von einer Hainbuchenhecke umgeben, gruppierte er auf ca.<br />

270 Quadratmetern Grundfläche kubisch geschnittene vier Heckenkörper<br />

aus Spiraea x vanhouttei sowie einen Teppich von Cotula squalida, wobei<br />

die Heckenkörper höhenmäßig gestaffelt waren. Das Kontrastprogramm zu<br />

diesen geometrischen Formen waren dann ganz gezielt gesetzte Solitärstauden<br />

wie Helianthus salicifolius oder Miscanthus sacchariflorus.<br />

Der Verfasser dieser Rückschau ist der Ansicht, dass mit diesem Garten<br />

von Martinson (um mit Karl Foerster zu sprechen), der „Wiedereinzug<br />

der von Gärtnerhand geformten Gehölze in unsere Gärten und Anlagen“<br />

begann. Geschnittene Hecken aus Eiben, Liguster oder Buxus, Kuben,<br />

Pyramiden oder Kugeln aus den gleichen Gehölzen, großzügig mit schwach<br />

wachsendem Buxus bepflanzte und geschorene Flächen wurden wieder ent-<br />

35


36<br />

Abb. 15: Sommerlinde im freien Stand. Der natürliche Habitus<br />

eines Baumes beansprucht sehr viel Platz. Sehen wir deshalb so<br />

wenige solcher „Gestaltungselemente“? Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

Abb. 16: Kastenlinden in Reih und Glied, ein durch die Jahrhunderte<br />

bewährtes Element der Gartenkunst. Die hohe Schnittverträglichkeit<br />

und das große Regenerationsvermögen ist bei der<br />

Linde unübertroffen. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

deckte Gestaltungselemente der Gartenkunst. Der Formenkanon dieser<br />

Renaissance der Formgehölze ist rationeller, geometrischer <strong>als</strong> die arabeskenhaften<br />

und verspielten Formen des Barock, aber nicht weniger eindrucksvoll.<br />

Zwischen 1955 (Kassel) und 2003 (Rostock) wurden 25 Internationale und<br />

Bundesgartenschauen veranstaltet und über 50 Landesgartenschauen in<br />

den einzelnen Bundesländern. Die Gestaltungskonzepte, die vorhandenen<br />

landschaftlichen und städtebaulichen Gegebenheiten (zum Beispiel Flussniederungen,<br />

Truppenübungsplätze, Mülldeponien, alte Zechenanlagen),<br />

Ansprüche und Forderungen der Auftraggeber, nie waren sie gleich, auch<br />

wenn bei bestimmten Ausstellungsthemen gewisse Ähnlichkeiten durchaus<br />

erkennbar waren. Auf fast jeder Gartenschau, die auch immer ein Spiegelbild<br />

ihrer Zeit und damit der Gartenarchitektur ist, wurde die durch exakten<br />

Schnitt geformte Pflanze <strong>als</strong> architektonisches Gestaltungselement in Anlehnung<br />

an historische Vorbilder, zur Raumbildung, <strong>als</strong> grafische Signatur oder<br />

<strong>als</strong> grüne Skulptur verwendet. 1977 auf der Bundesgartenschau in Stuttgart


innovative<br />

gestaltungsmöglichkeiten<br />

mit hecken<br />

plante und baute Hans Luz kleine, streng mit Taxuseinfassungen gegliederte<br />

Sondergärten in Kombination mit kleinen und großen Kegelstümpfen, ebenfalls<br />

aus Eiben. Zu diesen dunkelgrünen Vor- und Hintergründen gesellten<br />

sich dann rosa und rote Busch- und Hochstammrosen. Eine klassische, an<br />

historische Vorbilder erinnernde Lösung.<br />

1997 auf der Bundesgartenschau in Gelsenkirchen/Nordsternpark<br />

beeindruckten mich sehr stark die aufgereihten, kubisch geschnittenen<br />

Heckenblöcke und kastenförmig geschnittene Linden. Sie erinnerten an die<br />

einmal hier auf dem Zechengelände gestandenen Güterwaggons mit Kohle<br />

oder Koks. Buxus, kurz gehalten, ein grünes Tablett. Auf ihm stehen Kugeln<br />

und Halbkugeln in allen Größen. Zylinder, Kegel, spitze Pyramiden oder<br />

Würfel stehen auf Rasenflächen, in Platten- und Pflasterflächen, auf wassergebundenen<br />

Decken oder repräsentativ in Marmorkiesflächen. Immergrüne<br />

Würfel in unterschiedlichen Größen- und Höhenabstufungen stehen einzeln<br />

(selten), zu Paaren, in vierer oder sechser Gruppen in Innenhöfen von<br />

Verwaltungsgebäuden oder akzentuieren Eingangsbereiche. Grüne geometrische<br />

Körper werden kombiniert mit Einfassungen/Sockeln aus spiegelndem<br />

Edelstahl oder Cortenstahlblechen (Terracotta ist für den Hausgarten).<br />

Durchaus alles überzeugende Lösungen.<br />

Große Vielfalt und innovative Gestaltungsmöglichkeiten lassen sich<br />

mit Hecken realisieren. Hecken aus Taxus, Buxus, Thuja, Chamaecyparis,<br />

Berberis, Hainbuche, Hartriegel, Liguster oder Feldahorn. Hecken kniehoch,<br />

hüfthoch oder mannshoch <strong>als</strong> strukturierende flächengliedernde oder<br />

raumbildende grüne Architekturelemente. Häufig dabei im Spannungsfeld<br />

zur frei sich entwickelnder Pflanzung oder im Zusammenspiel mit Naturformen<br />

der Spezies „Fastigiata“ oder „Globosum“.<br />

Quercus robur „Fastigiata“, zypressenähnlich, stehen gereiht in einem<br />

Raster aus schiefwinklig dazu angeordneten Heckenkompositionen aus<br />

Buxus und Taxus. Dieser Parterregarten auf der Tiefgarage des Hotels<br />

Kempinski am Flughafen in München wurde von dem Gartenarchitekten<br />

Peter Walker aus San Francisco entworfen. Ein schräg vom Gebäude ausgehendes<br />

Wegenetz gliedert die Fläche in gleichmäßige Quadrate. Sie werden<br />

eingefasst von kniehohen, breiten Buxushecken. In einer Ecke jedes Heckenquadrates<br />

steht ein Heckenkubus aus Taxus. Ergänzend zum Wegenetz<br />

durchzieht die Rasenfläche innerhalb eines Karrees noch einmal ein schräg<br />

37


38<br />

verlaufender schmaler Weg. Alle Wegeflächen haben einen grauen Belag<br />

aus Splitt, der farblich kontrastiert wird durch Flächen mit rotem Splitt in<br />

den Heckenquadraten. Je drei Säuleneichen stehen in 12 der 20 Karrees.<br />

Die perfekt geschnittenen Hecken, die kurz geschorenen Rasenflächen, die<br />

farbigen Splittbeläge und die „Zypresseneichen“ ergeben die Inszenierung<br />

eines postmodernen Renaissancegartens. Im weiteren Bereich dieser Komposition<br />

gibt es Heckenkuben aus Feldahorn, spitze Taxuspyramiden und<br />

geschnittene niedrige Heckenbänder aus Lavendel.<br />

Unverwechselbar sollte ein Ort sein, das wusste schon Plinius. 1957 bot<br />

die Baumschule Timm und Co. Buxuskugeln bis 50 Zentimeter Durchmesser<br />

in begrenzter Stückzahl auf einer halben Katalogseite an. Das ließ auf<br />

eine unbedeutende Nachfrage schließen. Beendet man diese Betrachtungen<br />

mit einem Blick zum Beispiel in den Katalog 2005 der Baumschule Bruns,<br />

dann findet man dort auf 20 Katalogseiten von Acer campestre bis Taxus<br />

baccata ein beinah verwirrendes Angebot von Formgehölzen aus unterschiedlichen<br />

Gehölzarten und in vielfältigen Größensortierungen. Über<br />

7.000 Buxuskugeln in den Größen 20/25 Zentimeter bis 100/110 Zentimeter<br />

Durchmesser. Etwa 2.000 Buxuskegel, über 300 Taxuskugeln bis<br />

110/120 Zentimeter Durchmesser, aber auch Buxuskugeln mit einem<br />

Durchmesser von 180/200 Zentimeter sind zu bekommen. Aus diesen<br />

Zahlen lässt sich aber auch ableiten, dass Buxuskugeln und Taxuskegeln<br />

zu „Allerweltspflanzen“ geworden sind und mit ihnen eher dekoriert <strong>als</strong><br />

gestaltet wird.<br />

Tendenzen in der Gestaltung sind aber sicherlich mit dem Angebot<br />

und der Nachfrage nach geschnittenen/geformten Baumkronen zu belegen.<br />

Lindenkronen in Kastenform, <strong>als</strong> Dachform- oder Spalierwand gezogen.<br />

Platanen in gleichen Formen, Hainbuchenhochstämme mit Kegelkronen<br />

oder ebenfalls <strong>als</strong> Kasten- oder Spalierkrone sind heute hochwertige Erzeugnisse<br />

der Baumschulkulturen. Dieser Bedarf hat sich ganz eindeutig aus<br />

Gestaltungsprinzipien entwickelt, bei denen klare geometrische Ordnungsprinzipien<br />

den Entwurf bestimmten. Dass hierbei häufig aus der Architektur<br />

die Leitlinien vorgegeben wurden, schwächt nicht die Eigenständigkeit<br />

dieser gartenkünstlerischen Entwicklung ab.<br />

Nun lassen sich Pflanzen nicht nur durch Schnitt in geometrische<br />

Formen zwingen, auch die freie Form, die Verfremdung des natürlichen Ha-


Abb. 17: Bonsai-Pflanzen soweit man blicken kann. Wird hier ein „Markt gemacht“ oder gibt es überzeugende<br />

Gestaltungsansätze für ihre Verwendung in der „Gartenkunst“? Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

bitus ist bei regenerationsfähigen Pflanzen kein Problem. Bonsai heißt das<br />

Zauberwort neuer Pflanzenformen, die durch intensive Schnittmaßnahmen<br />

(die Japaner sind die Lehrmeister) ein artfremdes Aussehen erhalten. Feldahorn<br />

und Hainbuche, Kornelkirsche und das Pfaffenhütchen, auch Ilex und<br />

natürlich die vielen Kiefernarten lassen sich durch japanische Trimmschnitte<br />

zu durchaus akzeptablen grünen Skulpturen, aber auch zu skurrilen Gestal-<br />

Abb. 18: Die Sommerlinde, geschnitten <strong>als</strong> Kugelbaum, führt <strong>als</strong> „Alleeraupe“ der Topografie folgend<br />

durch die Feldflur auf eine kleine barocke Schlossanlage. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

39


40<br />

„grüner baustoff‘ – biologische<br />

eigenschaften<br />

technisch nutzen<br />

Abb. 19: Konzerthain im Landschaftspark München-Riem.<br />

Zeitlose geometrische Baumpflanzung mit Heckenquadern aus<br />

Cornus mas. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

ten verfremden. Japanische Gärten waren primär Ausdrucksträger religiöser<br />

Ideen, in denen Pflanzen nicht die dominierende Rolle spielten wie in der<br />

europäischen Gartenkunst. Bonsaipflanzen fangen an, aus dem Schatten<br />

japanischer Gärten zu treten und in europäischen Gärten eine dominierende<br />

Rolle zu übernehmen.<br />

Pflanzen <strong>als</strong> grüne Baustoffe<br />

Als ich 1950 meine Gärtnerlehre begann, wurden die meisten Sedumarten<br />

durch Triebstecklinge oder Teilung von älteren Pflanzen vermehrt.<br />

Der Begriff und die Technik der „Sprossenansaat“ waren unbekannte<br />

Dinge. Schadhafte Stellen auf Rasenplätzen wurden mit Rasenplaggen<br />

ausgebessert, die außerhalb des Spielfeldrandes gestochen wurden. Rollrasen<br />

kannten wir nicht. Die Verwendung von Weidenfaschinen zur Hangsicherung<br />

war eine bewährte Methode und Erlen waren zur Sicherung<br />

von Bach- und Flussufern gegen Auskolkungen hervorragend geeignet. Es<br />

gibt <strong>als</strong>o im Garten- und Landschaftsbau und in der Landschaftsplanung<br />

Aufgabenbereiche oder Tätigkeitsfelder, in denen die Pflanze ein „grüner<br />

Baustoff‘ ist, dessen biologische Eigenschaften sich technisch nutzen<br />

lassen. Die Verwendung von Pflanzen oder Pflanzenteilen unter diesem<br />

Gesichtspunkt wird im weitesten Sinne <strong>als</strong> eine ingenieurbiologische Bauweise<br />

bezeichnet. Hier stehen nicht Farbe- oder<br />

Blütenreichtum, eleganter Habitus oder beeindruckende<br />

Herbstfärbung im Vordergrund des<br />

Verwendungszweckes, sondern artspezifische<br />

biotechnische Eigenschaften einer Pflanze oder<br />

Pflanzengruppe. Hohes Regenerationsvermögen,<br />

schnelle Wurzelbildung, dichtes Faserwurzelwerk<br />

oder Unempfindlichkeit gegen erdfreie<br />

Anzucht sind einige dieser Eigenschaften, die in<br />

den vergangenen 50 Jahren im Zusammenhang<br />

mit der Architekturentwicklung, dem Städtebau,<br />

der Verkehrsplanung und den ökologischen<br />

Ansprüchen zu neuen Aufgabengebieten<br />

und Verwendungsmöglichkeiten geführt<br />

haben.


„rasenschulen“<br />

Abb. 20: Die Gestaltung der Wände einer großen Sporthalle in Paris. (Wir würden sofort nach den<br />

Kosten für Pflege und Unterhaltung fragen). Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

Das Arbeiten mit Rasenplaggen oder Rasensoden ist eine alte Arbeitsweise,<br />

zum Beispiel im Deich- und Wasserbau wie auch im Landschaftsbau.<br />

Rasenspielfelder mit hohen Qualitätsansprüchen oder kurzen Bauzeiten<br />

ließen sich aber nicht damit realisieren. Es entstanden etwa ab 1960 die<br />

ersten „Rasenschulen“. Spezielle Gräsermischungen wurden auf präparierte<br />

Vegetationsflächen <strong>als</strong> Intensivkulturen angebaut und zu homogenen<br />

Rasenteppichen mit dichter, optimal verwurzelter Grasnabe entwickelt.<br />

Mit speziellen Maschinen wurden diese Flächen geschält und kamen dann<br />

in Rollen von 0,40 x 2,50 Meter zum Einsatz auf Rasenspielfeldern, zur<br />

Böschungssicherung, auf Dächern von Tiefgaragen oder <strong>als</strong> bewusst eingesetztes<br />

ästhetisches Architekturelement bei der Gestaltung eines Baukörpers.<br />

Bei der Verwendung von Rollrasen auf Spielfeldern stehen die sportfunktionellen<br />

Eigenschaften des Rasenteppichs im Vordergrund. Beim grünen<br />

Rasendach sind es vorwiegend die klimatischen und ökologischen Gesichtspunkte,<br />

die für die Verwendung des Rollrasens sprechen. Damit wären wir<br />

beim Thema Dachbegrünung, bei dem die Pflanzenverwendung ganz neue<br />

Möglichkeiten entwickelte.<br />

Ab 1960 begann die Begrünung von Dächern an Bedeutung zu gewinnen.<br />

Zunächst wurden bewährte gärtnerische Kultur- und Pflanzmethoden<br />

praktisch „aufs Dach“ transportiert. Mit mäßigem Erfolg. 1977 wird auf der<br />

Bundesgartenschau in Stuttgart die Sonderschau „Dachbegrünung“ gezeigt.<br />

41


42<br />

lebendverbau<br />

von uferzonen<br />

„alpinen“ – in<br />

töpfen kultiviert<br />

Sie vermittelte völlig neue Erkenntnisse über Vegetationssubstrate, Entwässerungstechniken<br />

und den Einbau neuartiger Baustoffe. Diese Entwicklung<br />

hatte auch Auswirkungen auf die bisher eher traditionelle Pflanzenverwendung.<br />

Die Flächenbegrünung mit Sedumsprossen oder Sedumtriebstücken<br />

der Arten Sedum albuni und Sedum sexangulare war nun ein sicheres<br />

Verfahren einer dünnschichtigen Dachbegrünung. Mit Tochterrosetten von<br />

Sempervivum tectorum oder mit Brutzwiebeln von Allium-Arten ließen<br />

sich ebenfalls Begrünungserfolge erreichen. Ein wesentlicher Fortschritt<br />

in der extensiven Dachbegrünung war dann die Entwicklung von Vegetationsmatten.<br />

Die Kombination von Vlies-, Faser- oder Fadengeflecht-<br />

Vegetationsmatten mit zum Beispiel Sedum-Moos-Kräuter- oder Sedum-<br />

Gras-Kräuter-Pflanzengemeinschaften ermöglichte die Begrünung von<br />

Steildächern. Sie vermindern das Risiko von Wind- oder Wassererosion oder<br />

lassen die Begrünung bei ungünstigen Ansaatzeiten zu. Ähnliche Entwicklungen<br />

vollzogen sich im Wasserbau, an der Nahtstelle zwischen Land und<br />

Wasser. Buschlagen, Faschinen oder Steckhölzer aus Weiden waren Anfang<br />

der fünfziger Jahre bewährte ingenieurbiologische Bauweisen. Halmpflanzungen<br />

von Röhricht oder vor Ort gewonnenes Pflanzmaterial von Iris<br />

pseudacorus ergänzen den Lebendverbau von Uferzonen. Stand der Technik<br />

sind heute ökologisch orientierte Bauweisen, die natürlichen Entwicklungen<br />

sehr nahe kommen. Vegetationsbulte mit Topfballen, Röhrricht-Vegetationsmatten<br />

(können aufgerollt werden wie Rollrasen), vorbepflanzte Vegetationsfaschinen<br />

oder Schwimmkampen (System Bestmann) sind effiziente<br />

grüne Baustoffe oder Bausysteme, die neben ihren ökologischen Vorteilen<br />

auch landschaftspflegerische Gestaltungselemente sind.<br />

Pflanzzeit in den vergangenen Jahrhunderten waren bis auf geringe Ausnahmen<br />

wenige Wochen im Herbst oder Frühjahr. Für Staudengärtnereien,<br />

die Baumschulen, den Garten- und Landschaftsbau und die Bauleitungen<br />

ist die auch sehr stark witterungsabhängige Pflanzzeit fast immer ein „stressiges“<br />

Termingeschäft. In meiner Lehrzeit wurden Stauden zu 90 Prozent<br />

<strong>als</strong> Ballenpflanzen versandt. Nur Polsterstauden und die „Alpinen“ wurden<br />

in Töpfen kultiviert. In den Baumschulen war der gestochene Ballen und<br />

die „nackte Wurzel“ Stand der Versandtechnik (Clematis u. a. natürlich<br />

mit Topfballen). Heute werden Stauden fast ausnahmslos mit Topfballen<br />

geliefert. Wer konnte sich 1955 vorstellen, dass man heute Alleen im vollbe


äume die wichtigsten<br />

generationsübergreifenden<br />

gestaltungselemente<br />

laubten Zustand ohne Anwachsverluste pflanzen kann? Neuartige Ballenmatten<br />

machen es möglich. Bei vorgefertigten Heckenelementen, Höhe bis<br />

5,50 Meter gibt es keine Wartezeiten für den Bauherren mehr. Gartenräume<br />

entstehen über Nacht. In der Pflanzenverwendung sind <strong>als</strong>o nicht nur neue<br />

Einsatzgebiete erschlossen worden, auch die Anzucht- und Kulturmethoden<br />

haben sich weiterentwickelt zum Vorteil der Erzeuger und Verwender.<br />

Wurzelechte Rosen <strong>als</strong> Bodendecker, die mit dem Mähbalken zurückgeschnitten<br />

werden können, gehören zumindest <strong>als</strong> Randgruppe auch in diese<br />

Rubrik „neue grüne Baustoffe“, zusammen mit kalkfreundlichen Rhododendronsorten<br />

der Inkarho-Gruppe.<br />

Von Acer bis Ulmus — Bäume in der Stadtlandschaft<br />

Lancelot „Capability“ Brown (1716 bis 1783), der berühmteste englische<br />

Landschaftsgärtner und königliche Gartenbaudirektor, pflanzte mit<br />

Vorliebe in seinen Parkschöpfungen (zum Beispiel Blenheim Palace, Warwick<br />

Castle) großflächig Bäume <strong>als</strong> Jungpflanzen in Höhen von 125 bis<br />

150 Zentimeter. Diese Parklandschaften erreichten ihre volle Schönheit erst<br />

im viktorianischen Zeitalter. Brown selbst erlebte <strong>als</strong>o die geplante räumliche<br />

Wirkung seiner Kompositionen nicht mehr. Friedrich II. (1740 bis<br />

1786) ließ auf dem Wasser- und Landwege große Weiß-Tannen aus Schlesien<br />

für seine Gärten in Potsdam kommen. Er wollte ohne lange Wartezeiten<br />

möglichst schnell einen fertigen Garten bzw. eine Parkanlage haben.<br />

Im Park von Wörlitz (erbaut von 1771 bis 1790) sind heute noch etwa<br />

200 Bäume zu bewundern, die in der Entstehungszeit des Landschaftsgartens<br />

gepflanzt wurden. Diese Beispiele zeigen, dass Bäume die wichtigsten<br />

generationsübergreifenden Gestaltungselemente in der Landschaftsarchitektur<br />

sind. Baumgröße und Kronenform, Blätter, Blüten und Blattfarben,<br />

Schnittverträglichkeit und Anpassungsfähigkeit an normalerweise baumfeindliche<br />

Standorte bestimmen ihre Verwendung <strong>als</strong> bedeutendes grünplanerisches<br />

Gestaltungsmittel in der Landschaft, dem Städtebau und der<br />

Architektur.<br />

Unabhängig von den einzelnen Epochen der Gartenkunst, des Städtebaues<br />

lassen sich von der Renaissance über den Barockgarten, den „englischen“<br />

Landschaftsgarten und der Freiraumplanung im 20. Jahrhundert<br />

immer die gleichen Strukturen oder ähnlichen Gestaltungselemente in<br />

43


44<br />

1972 – olympia-Park,<br />

münchen<br />

bäume,<br />

paarweise gepflanzt<br />

der Verwendung von Bäumen erkennen. Die sechziger und siebziger Jahre<br />

waren die Zeit des Wohnungsbaues. Bäume wurden gepflanzt, malerisch<br />

verteilt in den Abstandsflächen zwischen den Wohnblöcken. Dann kam<br />

1972 der Olympia-Park in München. Günther Grimzek entwickelte ein<br />

Konzept der Baumpflanzungen, das sich im Zusammenspiel von Wasser<br />

und Topografie heute zu einem grandiosen Landschaftspark entwickelt hat.<br />

Linden <strong>als</strong> Leitbäume begleiten die Hauptwege, am Rande der Wasserflächen<br />

dominieren die Silberweiden, der riesige fächerförmige Parkplatz<br />

wurde einheitlich mit Rosskastanien bepflanzt. An besonderen Punkten im<br />

Gelände stehen Gruppen von Säuleneichen, Hängeeschen oder Ginkgobäume.<br />

Ein neuer Typ von Landschaftspark, beeindruckend durch die Verwendung<br />

des bedeutendsten grünen Gestaltungsmittels Baum, war entstanden.<br />

1981 vergab der BDLA Preise für „Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte<br />

Zonen“. Kein Preisträger verzichtete auf die Verwendung von Bäumen<br />

<strong>als</strong> stadtbildprägendes Grünelement in seinen Entwürfen. Die Baumreihe<br />

herrschte vor. Kleine Baumgruppen akzentuierten Plätze oder besondere<br />

Punkte im Stadtbild. Vereinzelt tauchten Baumkarrees auf aus kleinkronigen<br />

Bäumen.<br />

So betrachtet bringt ein Rückblick auf 50 Jahre Pflanzenverwendung<br />

vielleicht nicht völlig neue Erkenntnisse in der Verwendung von Bäumen.<br />

Im Hinblick jedoch auf ihre Bedeutung <strong>als</strong> „grünes Bauelement“ kann man<br />

ihn jedoch nicht unterlassen. Zumal Bäume <strong>als</strong> Solitär im Hausgarten, <strong>als</strong><br />

Hausbaum am Bauernhaus, <strong>als</strong> grünes Architekturelement auf einem Stadtplatz<br />

oder <strong>als</strong> Zeichen in der Landschaft sind eine immer neue Konstante in<br />

unserem Gestaltungsrepertoire.<br />

Bäume, paarweise gepflanzt, finden wir am Eingangstor der alten Friedhofsmauer,<br />

vor dem Hauseingang einer Jugendstilvilla oder sie beschirmen<br />

einen Gartenpavillon. Ein nicht häufiges, aber auch heute noch ein immer<br />

wiederkehrendes Motiv der Gartengestaltung.<br />

Bäume, gruppenweise gepflanzt und kunstvoll in der Landschaft arrangiert,<br />

waren das Markenzeichen von „Capability“ Brown und danach in<br />

allen Landschaftsparks zu finden. Solche Baumgruppen (clumps) sind auch<br />

heute noch ein immer wiederverwendetes gestaltetes Element, wenn auch<br />

formal weiter entwickelt. Elypsenförmige Lindengruppen stehen zum Beispiel<br />

in einer weißen Splittfläche innerhalb großer Rasenflächen (Entwurf


alleebäume<br />

sind gärtnerische<br />

Kunstprodukte<br />

Gunnar Martinson und Carl Bauer). Peter Walker arrangiert eine Gruppe<br />

von enggepflanzten Birken auf einer Ziegelsplittfläche (weiße Stämme, roter<br />

Belag) auf der Tiefgarage des Hotels Kempinsky am Flughafen München.<br />

Bäume <strong>als</strong> Baumreihe, die Aneinanderreihung gleicher Elemente, gradlinig<br />

oder geschwungen, waren und sind ein beliebtes Gestaltungselement im<br />

Stadtraum, im Park oder der Landschaft. Mit der Zunahme geometrischer<br />

Gestaltungsmuster in den vergangenen Jahrzehnten in der Freiraumplanung<br />

gewannen Baumreihen <strong>als</strong> ein bedeutendes gartenkünstlerisches<br />

Gestaltungselement einen hohen Stellenwert in der Freiraumplanung. Auf<br />

fast keinem Wettbewerbsentwurf einer Landes- oder Bundesgartenschau,<br />

einem städtebaulichen Rahmenplan oder einer größeren Parkanlage fehlen<br />

sie <strong>als</strong> ordnendes, gliederndes oder raumbildendes Gestaltungselement. Die<br />

eindrucksvollsten Räume bilden dabei zum Beispiel perfekt kastenförmig<br />

geschnittene Linden, ein unübertroffenes Beispiel ist der Place des Vosges in<br />

Paris.<br />

Bäume in zwei Reihen parallel nebeneinander aufgestellt sind eine Allee.<br />

Als Gestaltungselement wurde sie in der Renaissance entwickelt und wird<br />

im Barock zum bedeutendsten Stilmittel der Gartenkunst, <strong>als</strong> „allee simple“<br />

(zweireihig) und „allee double“ (vierreihig). Alleebäume sind gärtnerische<br />

Kunstprodukte. Im Freistand entwickeln die meisten Baumarten ihre Krone/Astwerk<br />

bis zum Boden. Der Alleebaum benötigt den aufgeschnittenen<br />

Stamm in wechselnder Höhe, besonders dann, wenn die Allee ein Element<br />

städtebaulicher Gestaltung wird. 50 Jahre sind für das Alter und die Wirkung<br />

einer Allee noch kein all zu großer Zeitraum, um die Frage nach ihrer<br />

heutigen Bedeutung zu beantworten. Hans Schiller (1902 bis 1991), ehemaliger<br />

Gartendirektor der Stadt Fürth, ist 1955 der Ansicht, dass die Allee<br />

ihre Bedeutung gegenüber der Baum-Einzelstellung eingebüsst hat (Pareys<br />

Gartenbau Lexikon, 5. Auflage 1955). Die Entwicklung in den vergangenen<br />

Jahrzehnten zeigt ein anderes Bild. Besonders in städtebaulichen Planungen,<br />

Konzepten für Gartenschauen oder regionalen Parkanlagen ist die Allee<br />

ein häufig eingesetztes Gestaltungselement, wenn auch nicht mehr in der<br />

formalen Strenge und „Endlosigkeit“ barocker Anlagen.<br />

Bäume, im Abstand von 4,50 x 4,50 Meter gepflanzt, stehen auf einer<br />

Fläche aus weißem Splitt vor einem weißen Gebäude. Acer platanoides<br />

„Globosum“ im Raster gepflanzt vor der Fassade und im Eingangsbereich<br />

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46<br />

stiel-eiche und linde –<br />

die am meisten<br />

verwendeten<br />

baumarten<br />

der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn<br />

(1992 geplant und gebaut von dem WienerArchitekten Gustav Peichl).<br />

Baumgärten, Baumkarrees, Baumdächer in strenger Ordnung <strong>als</strong> Quadratraster,<br />

Quinconces oder freigeordnet waren zu allen Zeiten der Bau- und<br />

Gartenkunst ein sparsam eingesetztes, aber beeindruckendes Gestaltungselement<br />

für unterschiedliche Nutzungen. Von dem Beginen-Hof in Brügge<br />

über das Platanenbosket im Schlossgarten von Veitshöchheim zum Kastaniendach<br />

der Kurhaus-Kolonaden in Baden-Baden (schon 1750 vorhanden)<br />

führt ein roter Faden zum Beispiel zum Baumgarten aus 30 weißrindigen<br />

Birken (Betula utilis „Doorenbos“) auf der Landesgartenschau 1990 in Sindelfingen<br />

von Jörg Stötzer oder den Bosketten aus Prunus serrulata „Kanzan“<br />

im Schlossgarten Rastatt von Gunnar Martinson.<br />

Vergleicht man die Verwendung des Gestaltungselementes Baum in den<br />

einzelnen Epochen der Gartenkunst, dann stellt man fest: Grundsätzlich<br />

hat sich nichts geändert. Der Einzelbaum, die Baumreihe, die Allee oder<br />

das Baumdach sind bedeutende Gestaltungsmittel gewesen und geblieben.<br />

Das Interessante aber daran ist, dass sich auch die verwendeten Baumarten<br />

kaum geändert haben. Im Zeitalter des Barock waren Stiel-Eiche, Linde,<br />

Ulme und Rosskastanie (in dieser Reihenfolge) die am meisten verwendeten<br />

Baumarten. Anhand der Verkaufszahlen einer großen überregionalen Baumschule<br />

lautet die Reihenfolge heute Stiel-Eiche, Linde, Ahorn, Platane.<br />

Erweitert hat sich das Sortiment gegenüber dem Barock nur bei Linde und<br />

Spitz-Ahorn. Bäume <strong>als</strong> Gestaltungselemente sind nicht nur generationsübergreifend,<br />

sondern auch zeitlos. Aber sind sie nur Gestaltungselemente?<br />

Auf der Expo 2000 in Hannover realisierte Dieter Kienast (1945 bis 1998)<br />

seine „Allee der vereinigten Bäume“ mit 460 Bäumen aus 273 Gattungen,<br />

Arten und Sorten, in vier Reihen auf einer Länge von über einem Kilometer.<br />

Eine Metapher für das friedliche Miteinander auf dieser Welt.<br />

Und wie geht es weiter?<br />

Einen Rückblick beendet man am besten mit einem Ausblick, wenn<br />

auch nur hypothetisch. Wie wird sich die Pflanzenverwendung, wie werden<br />

sich die Gestaltungsvorstellungen in den kommenden Jahren weiterentwickeln?<br />

Welche Anforderungen und welche Möglichkeiten wird die<br />

Architekturentwicklung uns bieten? Sind bei den Staudenpflanzungen die


„Mixedborders“, die Kombination von Stauden<br />

und Sommerblumen im Vormarsch? Christopher<br />

Loyd demonstriert diese interessanten<br />

farbkräftigen Vegetationsbilder schon lange in<br />

seinem Garten in Great Dixter. Schon 1985<br />

(Garten und Landschaft Heft 8/85) schrieb<br />

Richard Hansen ein eindringliches Plädoyer<br />

für die gemeinsame Verwendung von Stauden<br />

und Sommerblumen bei Berücksichtigung der<br />

gleichen Standortansprüche. Auch im Sichtungsgarten<br />

in Weihenstephan werden heute<br />

kombinierte Pflanzungen von Stauden, Sommerblumen<br />

und Rosen in kräftigen Farben zu<br />

unterschiedlichen Blütezeiten erprobt. Oder sind<br />

es die linearen Staudenpflanzungen von Heiner<br />

Lutz und Urs Walter in den „Parallelen Gärten“<br />

auf der Bundesgartenschau in München, die wir<br />

in den kommenden Jahren auf Gartenschauen,<br />

in Wettbewerben oder öffentlichen Anlagen<br />

sehen werden. Oder sind Staudenmischpflanzungen<br />

mit festen Mengenverhältnissen, aber<br />

in zufälliger Anordnung verteilt und gepflegt<br />

durch einen jährlichen Maschinenrückschnitt, ein Weg in die Zukunft der<br />

Staudenverwendung? Häuser mit „grünem Pelz“ sind eine uralte Geschichte.<br />

Blauregen und wilder Wein wie beim Verwaltungsgebäude der Swiss-Re-<br />

Versicherung in München Unterföhring (Architekten: BRT Bothe, Richter,<br />

Teherani, Hamburg, Landschaftsarchitekt für Hecke/Außenanlagen Peter<br />

Kluska, München) deuten auf eine neuartige Symbiose von Architektur und<br />

Landschaftsarchitektur hin.<br />

Noch zukunftsweisender ist vielleicht das „Grüne Park-Haus“ der Architekten<br />

Burckhart + Partner, Zürich, mit den Landschaftsarchitekten Raderschall<br />

AG aus Meilen. Ein 17 Meter hohes Stahlgerüst, Grundfläche 100<br />

x 35 Meter, erhielt eine „Wandfläche“ aus 10.000 Quadratmeter Stahlseilen<br />

und Stahlnetzen <strong>als</strong> Kletterwand für 1.200 Kletterpflanzen in 100 verschiedenen<br />

Arten. Zu besichtigen im MFO-Park in Zürich-Nord auf dem<br />

Abb. 21: Internationale Gartenschau 2003 Rostock. Bauen mit<br />

Stahl und dem „grünen Baustoff“ Efeu. Pavillon im holländischen<br />

Garten. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

häuser mit<br />

„grünem Pelz“<br />

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48<br />

Gelände einer ehemaligen Maschinenfabrik. Mit grünen Wänden aus Efeu<br />

bauten die Architekten Kempe Thill, Rotterdam, den holländischen Pavillon<br />

auf der internationalen Gartenbauausstellung in Rostock. Gepflanzt in<br />

etagenweise angeordneten Stahlkästen, bewässert über Tropfbewässerung,<br />

entwickelte der Haftwurzelkletterer Efeu über ein Stahlgitter (Maschenweite<br />

25 x 25 Zentimeter) geschosshohe grüne Wände.<br />

Egal, in welche Richtung sich die künftige Pflanzenverwendung entwickeln<br />

wird, eines wird sich nicht verändern: „Nichts gedeiht ohne Pflege,<br />

und die vortrefflichsten Dinge verlieren durch unzweckmäßige Behandlung<br />

ihren Wert.“ (Lenné, 1789 bis 1866)


stauden: schön und Von „ewIger beständIgKeIt“ ��������������������������<br />

K.-D. Bendfeldt<br />

Cotoneasterwüsten, Loniceramonokulturen, Symphoricarpusdickichte<br />

und Wildrasenflächen sind nicht die letzte Antwort<br />

auf die Bepflanzung von Flächen im öffentlichen Raum. Es gibt<br />

viele Stauden, die sich für dauerhafte Bepflanzungskonzepte mit<br />

geringen Pflegeansprüchen eignen und zu passabel aussehende<br />

„Pflanzenbildern“ vergesellschaftet werden können.<br />

Fürstbischof Johann Conrad von Lemmingen (1595–1612) hatte in<br />

seinem Terrassengarten an der Willibaldsburg bei Eichstatt im Taubental<br />

eine Sammlung von ca. 1.100 Pflanzen. Dabei war es der besondere Stolz<br />

der Renaissancefürsten, wenn in ihren Repräsentationsgärten nicht nur ein-<br />

Abb. 22: Von diesen Flächen gibt es zahlreiche im urbanen Umfeld. Standartbegrünung wäre das<br />

berühmte Unterholz aus der Provinz SetschuanlWestchina, Lonicera pileata. Auch andere Lösungen<br />

müssten möglich sein. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

51


52<br />

vier Jahreszeiten im<br />

hinblick auf die stauden/<br />

Pflanzenverwendung sieben<br />

Jahreszeiten<br />

hohe dauerhaftigkeit<br />

heimische Arten, sondern auch möglichst alle dam<strong>als</strong> bekannten asiatischen,<br />

afrikanischen oder amerikanischen Arten kultiviert wurden. In den Wirren<br />

des 30-jährigen Krieges verwahrloste der Garten. Überlebt hat ihn eines<br />

der berühmtesten Bücher der botanischen Buchillustration, der „Hortus<br />

Eystettensis“. Es erschien erstm<strong>als</strong> 1613 und stellte den Pflanzenbestand<br />

des Gartens auf 306 großformatigen, kolorierten Kupferstichdrucken dar:<br />

Systematisch geordnet wurde diese Sammlung nach den Blüte- und Jahreszeiten<br />

Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Karl Foerster (1874–1970)<br />

machte 322 Jahre später in seinem Buch „Garten <strong>als</strong> Zauberschlüssel“ aus<br />

diesen vier Jahreszeiten im Hinblick auf die Stauden /Pflanzenverwendung<br />

sieben Jahreszeiten: Winter, Vorfrühling, Früh1ing, Frühsommer, Hochsommer,<br />

Herbst, Spätherbst. Er erfand auch die „Lebenden Gartentabellen“<br />

(erschienen 1940), wo das gesamte Staudensortiment nach einer Vielzahl<br />

von Gesichtspunkten im Hinblick auf seine Verwendung in etwa 140 Listen<br />

und Tabellen eingeteilt wurde. Dabei gab es so spezielle Listen wie den<br />

„Schmerzlosen Rasenersatz“, „Industrieluft und Stadthelden“ oder „Moderne<br />

und dekorative Staudengräser“. Es fehlte aber, wie auch in anderen<br />

Veröffentlichungen, eine Tabelle in der Stauden nach ihren möglichen<br />

Altersgrenzen erfasst wurden. Von manchen Stauden ist ja bekannt, dass sie<br />

sich durch eine hohe Dauerhaftigkeit, Foerster spricht von „ewiger Beständigkeit“,<br />

auszeichnen. Hierzu gehören unter anderem Cimicifugen, Paeonien,<br />

Rudbeckia nitida, die Gattungen Bergenia, Helleborus, Hosta und<br />

viele Gräser und Farne.<br />

Diese Beständigkeit könnte unter den heutigen Anforderungen an pflegeleichte,<br />

nachhaltige und sich jahreszeitlich unterschiedlich darstellende<br />

Pflanzungen durchaus ein Argument für eine größere Verwendung dieser<br />

dauerhaften Stauden sein.<br />

Pflanzen sind gleichrangige Baustoffe<br />

Der finanzielle Rahmen und die Qualifikation der Pflegekräfte für die<br />

Betreuung gärtnerischer Anlagen werden auch in Zukunft bescheiden bleiben.<br />

Ob daran ein neuer Studiengang „Arboristik“ zum „Bachelor of Sience<br />

Arboristik“ die Wende bringen kann, erscheint mir mehr <strong>als</strong> zweifelhaft.<br />

Der Pflegegärtner mit, einer fundierten Ausbildung in Baumschule und<br />

Staudengärtnerei ist und bleibt der „Spezialist“ für die Pflege und Entwick


christopher lloyd<br />

Piet oudolf<br />

Abb. 23: Das können wir uns nicht mehr leisten. Äußerst differenzierte Pflanzungen mit großer Artenvielfalt<br />

erfordern aufwendige Pflegemaßnahmen, dam<strong>als</strong> wie heute. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

lung von Pflanzungen. Solange aber Stein-Stahl-Holz und Pflanzen nicht<br />

gleichberechtigte und gleichrangige Baustoffe sind, wird auch ein „Bachelor“<br />

nichts daran ändern können. Das sollte aber nicht dazu führen, dass<br />

man gelungene Stauden- oder Stauden-Gehölzpflanzungen nur noch auf<br />

Gartenschauen oder in besonders repräsentativen Anlagen vorfindet.<br />

Schön anzuschauen sind sie, die kontrastreichen Mischpflanzungen von<br />

Christopher Lloyd, die man in vielen Gartenbüchern bewundern kann.<br />

Vielfalt und Dauerhaftigkeit in Staudenpflanzungen zu erreichen erfordert<br />

aber während der Vegetationszeit umfangreich gärtnerische Arbeiten. Neben<br />

der Bodenbearbeitung und Düngung lassen sich solche Vegetationsbilder<br />

nur durch Auslichten, Anbinden, Zurückschneiden, Teilen und Verpflanzen<br />

über längere Zeiträume erhalten. Auch die Großstauden- und Gräserpflanzungen<br />

von Piet Oudolf, die zurzeit Furore machen sind eine neue<br />

überzeugende künstlerische Ausdrucksform im Gestalten mit Pflanzen. Die<br />

großflächigen stilisierten Prärielandschaften aus Großstauden und Gräsern<br />

im Lurie-Park in Chicago (eröffnet 2004) werden sich bei uns, wenn<br />

überhaupt, nur auf Gartenschauen realisieren lassen. Sie sind ebenso wie<br />

Lloyd‘s Farbsymphonien keine Lösung für unsere „Alltagsprobleme in der<br />

Pflanzenverwendung“. Staudenpflanzungen in Reihen auf schmalen langen<br />

53


54<br />

„gras ist das<br />

haar der erde“<br />

Abb. 24: Aber auch Pflanzungen mit nur einer Art (dies ist keine Teeplantage, sondern eine Hangbepflanzung<br />

mit Parthenocissus quinquefolia) sind langfristig ohne einen minimalen Pflegeaufwand nicht<br />

zu halten. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

Beeten mit nur wenigen Arten und Sorten (Heiner Luz, BUGA München<br />

2005) könnten eine Entwicklung sein, die uns auf der Suche nach pflegeextensiven,<br />

nachhaltigen und passabel aussehenden „Pflanzenbildern“ weiterführt.<br />

(Probleme durch nicht immer zufrieden stellende Arten- und Sortenwahl<br />

und durch zu enges Pflanzen waren hier wohl ausstellungsbedingt).<br />

Etwas näher kann man dem Thema Dauerhaftigkeit und Schönheit<br />

mit stark auf Gräsern und entsprechenden Begleitpflanzen reduzierten<br />

Vegetationsbildern kommen. Gräser (Molinia oder Pannicum) z.B. in<br />

Flächen von Bergenia ‚Rosa Zeiten‘, die sich in den Wintermonaten und<br />

Vorfrühlingswochen durch eine auffallende rote Blattfärbung auszeichnet<br />

sind dauerhaft und schön. Im Sommer blühen zwischen den Gräsern z. B.<br />

einige Staudenclematis der Gruppen C. x diversifolia oder C. integrifolia.<br />

„Gras ist das Haar der Erde“ sagt Karl Foerster in seinem 1957 erschienenen<br />

Buch „Einzug der Gräser und Farne in die Gärten“. Wie immer hat er<br />

schon vor über 50 Jahren vorausgesehen, welches pflanzliche Potential uns<br />

in der Gruppe der Süß- und Sauergräser mit ihren etwa 7.000 Arten zur<br />

Verfügung steht. Es gibt im öffentlichen und halböffentlichen Bereich eine<br />

Vielzahl von profanen kleinen und größeren Flächen, die statt mit Lonicera<br />

pileata, Cotoneasterarten, Symphoricarpus ‚Hancock‘, kränkelnden Rosen<br />

oder Efeu durchaus ästhetisch befriedigend und mit geringem Pflegeaufwand<br />

auch mit Stauden bepflanzt werden können. Ähnliche Überlegungen


„langzeitpflanzen“<br />

werden auch in England verfolgt, wo Noel Kingsbury in Sheffield Staudenzusammenstellungen<br />

erprobt, die sich für Verkehrsinseln, Straßenränder<br />

oder öffentliche Plätze im städtischen Bereich eignen könnten. Alles unter<br />

dem Gesichtspunkt einer minimierten Pflege.<br />

Koordinierung der Sorten<br />

Für die Entwicklung der Pflanzen sind die Standortfaktoren wichtig,<br />

besonders gilt das auf extremen Standorten. Die Verbreitung der Arten wird<br />

aber im Wesentlichen durch eine starke Konkurrenz der Arten untereinander<br />

(Konkurrenzdruck) bestimmt. Dabei gibt es ausgesprochen konkurrenzstarke<br />

Pflanzen, die in artenreichen Pflanzengesellschaften langfristig<br />

(ohne Pflegeeingriffe) ihre Nachbarn vollständig verdrängen können. Will<br />

man auf Langzeitwirkung angelegte Bepflanzungskonzepte realisieren, dann<br />

ist die Koordinierung der unterschiedlichen Lebensdauer der Arten und<br />

Sorten ein Problem, dem bisher wenig Beachtung geschenkt wurde. Im<br />

Hinblick auf die Dauerhaftigkeit von Bepflanzungskonzepten mit geringen<br />

Pflegeansprüchen wäre es daher nahe liegend, Stauden mit annähernd<br />

gleicher Lebenserwartung und Konkurrenzstärke zu benachbaren und zu<br />

vergesellschaften. Die „optische Qualität“ solcher Konzepte sollte dabei aber<br />

nicht in den Hintergrund geraten, da sie ja für den Betrachter das Bild einer<br />

Pflanzung bestimmt. Ziel solcher Überlegungen müsste es sein, mit wenigen<br />

Pflanzenarten und Sorten robuste Pflanzungen von geringer Vielfältigkeit,<br />

aber gleichem Konkurrenzverhalten und gleichen Standortansprüchen bei<br />

minimalen Pflegeansprüchen zu entwickeln.<br />

Solche Konzepte könnten <strong>als</strong> reine Staudenpflanzungen oder auch <strong>als</strong><br />

Stauden-Gehölzpflanzungen entwickelt werden, ohne dabei ins „minimalistische“<br />

abzugleiten. Auch wenn es bei Foerster noch keine Tabelle oder<br />

Liste gab über die „ewige Beständigkeit“ von Staudenarten oder Sorten,<br />

es gibt eine ganze Anzahl solcher „Langzeitpflanzen“ in den Staudensortimenten,<br />

die sich für solche Aufgaben eignen. Sie müssten mindestens<br />

folgende Kriterien erfüllen:<br />

− Langlebigkeit<br />

− Konkurrenzstark<br />

− Möglichst tiefgehendes Wurzelsystem<br />

− Trockenheitsverträglichkeit<br />

55


56<br />

Abb. 25: Kleinstrukturierte Pflanzung mit hoher Artenzahl und<br />

inzwischen obligatorischer Bodenabdeckung mit Kies 8/16 im<br />

jugendlichen Alter von 2 Jahren. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

− Horstbildend<br />

− Kriechender Wurzelstock oder nur kurze Ausläufer<br />

− Gute Struktur<br />

− langfristig gesundes Laub und nicht zu wenig Blattmasse<br />

− Guter und schneller Austrieb nach Rückschnitt<br />

− Geringe Neigung zum Versamen, möglichst vegetative Ausbreitung<br />

− auch winter- oder immergrün<br />

Abb. 26: Die gleiche Pflanzung im Herbst und einige Jahre später.<br />

Nur die Gräser sind geblieben und das Falllaub deckt den<br />

Kies zu. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

Mit einer solchen Liste sind natürlich noch längst nicht alle möglichen<br />

Probleme einer zukünftigen nachhaltigen Bepflanzung gelöst. Keine<br />

Wurzelunkräuter im Boden, unterschiedliche Anfangsentwicklungen der<br />

Pflanzen (Hosta und Hemerocaillis z.B. langsame Starter, Geraniumarten<br />

im Allgemeinen schnelle Wachser). Wie behandelt man bei nicht zu dichter<br />

Pflanzung (Hosta oder Hemerocallis 1–2 Pflanzen pro Quadratmeter) die<br />

Pflanzenzwischenräume während der 2–3 Jahre nach der Pflanzung? Den<br />

Boden offen halten oder Nischenkultur mit verträglichen „Einjährigen“<br />

der Optik wegen? Diesen Fragen soll hier nicht nachgegangen werden, sie<br />

sollten einer gesonderten Betrachtung vorbehalten bleiben.<br />

Die folgenden Arten- und Sortenbeschreibungen sind <strong>als</strong> Anregungen<br />

und Hinweise zu diesem Thema gedacht. Eine systematische Bearbeitung


Überlebensstrategien<br />

im Rahmen der Staudensichtung wäre sicherlich wünschenswert. Nach<br />

Cotoneasterwüsten, Loniceramonokulturen, Symphoricarpusdickichten<br />

und Wildrasenflächen würden wir einiges an ästhetischer Qualität in der<br />

<strong>norddeutsche</strong>n <strong>Kulturlandschaft</strong> zurück gewinnen.<br />

Stauden von „Ewiger Beständigkeit“<br />

− Aconitum Arten/Sorten<br />

− Anemone japonica Hybriden<br />

− Aruncus Arten/Sorten<br />

− Asarum europaeum<br />

− Bergenia Sorten<br />

− Brunnera macrophylla<br />

− Epimedium Arten/Sorten<br />

− Eryngium Arten/Sorten<br />

− Geranium Arten/Sorten<br />

− Helleborus Arten/Sorten<br />

− Hemerocallis Arten/Sorten<br />

− Lythrum Arten/Sorten<br />

− Rodgersia Arten/Sorten<br />

− Solidago Arten/Sorten<br />

− Hosta Arten/Sorten<br />

− Waldsteinia Arten<br />

Farne<br />

− Adiantum pedatum<br />

− Athyrium felix-femina<br />

− Dryopteris Arten<br />

− Phyllitis scolopendrium<br />

− Polypodium vulgare<br />

− Polystichum Arten<br />

(Die Aufstellung ist keinesfalls vollständig und ist nur <strong>als</strong> Hinweis auf besonders<br />

robuste und dauerhafte Arten gedacht).<br />

Alle Pflanzen haben die verschiedensten Überlebensstrategien entwickelt<br />

um sich auf guten oder weniger guten Standorten innerhalb einer<br />

Vegetationsgemeinschaft langfristig behaupten zu können. In vielen Fällen<br />

kommt dabei dem Faktor „Feuchtigkeit“ eine bedeutende Rolle zu. Auf<br />

vielen kleinen und größeren Pflanzflächen im städtischen Umfeld, in den<br />

Randzonen von Gebäuden oder unter vorhandenen Gehölz- und Baumbeständen<br />

ist z.B. der „trockene Schatten“ standortbestimmend. Da wir nicht<br />

nur eine zufrieden stellende Entwicklung der Bepflanzung erwarten, sondern<br />

auch ein optisch ansprechendes Vegetationsbild sicher stellen wollen,<br />

57<br />

Gräser<br />

− Carex Arten/Sorten<br />

− Deschampsia Arten/Sorten<br />

− Hakolechnoa macra<br />

− Luzula Arten<br />

− Miscanthus Arten/Sorten<br />

− Panicum Arten<br />

− Molinia Arten/Sorten


58<br />

großflächige<br />

Verwendung<br />

Abb. 27: Freiwillig kam der Geisbart an diesen extremen Standort und scheint dort von ewiger Beständigkeit<br />

zu sein. Sicherlich wegen seines robusten und tiefreichenden Wurzelwerkes und seiner<br />

Anspruchslosigkeit. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

reichen solche allgemeinen Listen zur Aufgabenerfüllung nicht aus. Und da<br />

wir wissen, dass die Bedeutung der Pflanzenauswahl für ein Vegetationsbild<br />

in dem Maße zunimmt, wie die Intensität der Pflegemaßnahmen nachlässt,<br />

lassen sich unsere Probleme nur mit sehr detaillierten Kenntnissen pflanzlicher<br />

Entwicklungs- und Überlebensstrategien lösen. Die unter solchen Gesichtspunkten<br />

vorzunehmende Bewertung des „grünen Baustoffes Pflanze“<br />

soll hier an einigen Beispielen versucht werden.<br />

Epimedium Arten und Sorten<br />

Epimedien wären ein guter Bodendecker für den Hühnerhof hat mir<br />

vor langer Zeit einmal ein Staudengärtner gesagt. Eingewurzelte Pflanzen<br />

würden problemlos dem Scharren und Kratzen standhalten. Er hatte Recht.<br />

Es ist noch immer so. Dam<strong>als</strong> gab es durchschnittlich 5–6 Arten/Sorten<br />

in den Katalogen, heute hat sich die Anzahl verdoppelt. In den letzten<br />

25 Jahren sind in China ca. 50 neue Arten entdeckt worden. In der Gartenpraxis<br />

11/2007 sind 43 überwiegend neue Sorten beschrieben worden. Der<br />

Durchblick für den Pflanzenverwender geht dabei etwas verloren, aber die<br />

vielen Vorzüge der Gattung für eine großflächige Verwendung bleiben.


Positive Eigenschaften<br />

Epimediumarten und -sorten vertragen sehr viel Schatten, Trockenheit und<br />

Wurzeldruck. Sie sind unverzichtbar <strong>als</strong> Vegetationsdecke auf schwierigen<br />

Standorten. Es gibt stark ausläufertreibende Arten und auch mehr horstartig<br />

wachsende Sorten mit kurzen Ausläufern. Einmal eingewurzelt, durchzieht<br />

ihr konkurrenzstarkes Wurzelwerk (kriechender Wurzelstock) den Boden<br />

wie ein Drahtverhau und lässt „Unkräutern“ und schwächeren Nachbarpflanzen<br />

kaum Entwicklungsmöglichkeiten. Epimedien sind anspruchslos<br />

und langlebig. Auch auf sonnigen Standorten entwickeln sie sich bei<br />

genügender Bodenfeuchtigkeit noch gut.<br />

Optische Qualitäten<br />

Gesundes, nicht zu großes hell- und dunkelgrünes Laub. Im Austrieb<br />

teilweise rötlich oder im Herbst dunkelbraunrot. Einige Sorten sind wintergrün.<br />

Durch rechtzeitigen Rückschnitt des Winterlaubes vor dem Neuaustrieb<br />

kommt die Blüte im April wesentlich besser zur Geltung. Kleine, aber<br />

interessante Blüten in weiß, rosa, gelb, lila oder rotweiß.<br />

Abb. 28: Die Wald-Marbel (Luzula sylvatica) ist langlebig und pflegeleicht. Aber müssen Vegetationsbilder<br />

monochrom sein? Schon einige Gruppen von Aruncus aethusifolius wären eine deutliche<br />

Bildverbesserung. Brunnera macrophylla könnte auch nicht von Schaden sein. Einige Solitärpflanzen<br />

von Hosta „Patriot“ wären erstklassig. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

59


60<br />

Bewährte Sorten<br />

Epimedium pinnatum ‚Elegans‘, stark Ausläufer treibend, wintergrün<br />

Epimedium x perralchicum ‚Frohnleiten‘, wintergrün, rötlicher Austrieb,<br />

wüchsig, schöne gelbe Blüten<br />

Epimedium x warleyense ‚Orangenkönigin‘, wüchsig, horstartig mit kurzen<br />

Ausläufern Epimedium x rubrum, horstartig, sommergrün, rotbraun<br />

gezeichnete Blätter, Herbstfärbung<br />

Niem<strong>als</strong> hacken in der Pflanzung. Während der Fertigstellungspflege<br />

und eventuell auch danach nur vorsichtige Bodenlockerung mit dem<br />

Dreizahn. Herbst- oder späte Frühjahrspflanzung führt zur langsamen Anfangsentwicklung.<br />

Rückschnitt des vertrockneten Winterlaubes vor neuem<br />

Austrieb. Etwa alle drei Jahre abstreuen mit unkrautfreiem Kompost.<br />

Geranium Arten und Sorten<br />

Geranium bartrachium coeruleum hieß im Garten von Eichstätt der<br />

Wiesenstorchschnabel, den wir heute G. pratense L. nennen. Auch G.<br />

phaeum, G. macrorrhizum und G. sanguineum wurden dort kultiviert.<br />

Insgesamt 7 Arten werden im Hortus Eystettensis abgebildet. Für damalige<br />

Verhältnisse eine ganz schöne Sammlung. Gute Staudenkataloge führen<br />

heute ca. 40 Arten und Sorten und das ist nur die Spitze des Geraniumeisberges.<br />

Für dauerhafte, pflegeleichte flächige Pflanzungen müssten hier<br />

entsprechende Cultivare zu finden sein. Sind es auch. Dazu gehören Arten/<br />

Sorten mit einem kriechenden Wurzelstock oder einem horstbildenden<br />

Wuchs und einem guten Habitus.<br />

Positive Eigenschaften<br />

Aus dem großen Sortiment der Geraniumarten und Sorten eignen sich für<br />

eine flächige Pflanzung (H 20–40 cm) nur eine begrenzte Anzahl. Allerdings<br />

gibt es hier, im Gegensatz zu den Epimediumarten sowohl Arten für<br />

sonnige Standorte (G. sanguineum) oder ausgesprochene Schattenlagen<br />

(G. macrorrhizium), die Standortamplitude ist breit gefächert. Die Arten<br />

und Sorten sind auch ausgesprochene Blütenpflanzen, mit teilweise langen<br />

Blütezeiten. Rechtzeitiger Rückschnitt vor dem Versamen ist erforderlich.<br />

Sie sind konkurrenzstark, dauerhaft, tolerieren Wurzelkonkurrenz von Ge-


Abb. 29: Vermutlich wird es einmal eine Zeit nach Buxus sempervirens, ob <strong>als</strong> Kugel oder Teppich<br />

geben. Vielleicht noch bevor das Buxbaumsterben (Verursacher: der Pilz Cylindrocladium huxicola), der<br />

Verwendung ein Ende setzt. Es gibt sie doch, die Stauden von „ewiger Beständigkeit“. Wir müssen sie<br />

nur kennen lernen und mit ihnen arbeiten. Foto: K.-D. Bendfeldt<br />

hölzen und sind teilweise ausgesprochene Tiefwurzler (G. sanguineum). Es<br />

gibt horstartige Wuchsformen und Arten mit kriechendem Wurzelstock, die<br />

ausgesprochene Pflanzenteppiche bilden können. Manche vertragen einen<br />

vollständigen Rückschnitt und bauen sich anschließend wieder hervorragend<br />

auf (G. x magnificum ‚Rosemoor‘).<br />

Optische Qualitäten<br />

Unabhängig von ihren guten Eigenschaften <strong>als</strong> Flächenbegrüner zeichnen sich<br />

eine Reihe von Geranium Arten und Sorten durch weitere beeindruckende<br />

Eigenschaften aus. Schöne Blüten, schönes Laub, teilweise auch wintergrün<br />

(G. ‚Spessart‘, G. x cantabrigiense). Das Farbspektrum der Blüten ist weiß -<br />

blau - blauviolett - rosa bis rot, mit dunklem Auge oder zartgestreift. Eine auffallende<br />

rote Herbstfärbung der Blätter (G. wlassovianum) oder mit auffallend<br />

grauen Blättern (G. renardii) sind zusätzliche Pluspunkte bei der Verwendung<br />

dieser vielfältigen Pflanzengruppe. Die Entwicklung/Züchtung ist weit fortgeschritten.<br />

Angeboten werden heute z. B. über 50 Sorten mit Blattfärbungen<br />

von gelb über blau bis schokoladenbraun.<br />

61


62<br />

hemerocallis<br />

außerordentlich<br />

dauerhaft<br />

Bewährte robuste Arten und Sorten<br />

Geranium x cantabrigiense ‚Berggarten‘, purpurrosa, H 20–30 cm, ‚Saint<br />

Ola‘, weiß, H 20 –30 cm<br />

Geranium macrorrhizum ‚Spessart‘, weiß mit rosa, H 25–35 cm, ‚Czakor‘,<br />

purpur rosa, H 30–40 cm<br />

Geranium x magnificum ‚Rosemoor‘, blauviolett, H 40–50 cm<br />

Geranium sanguineum, karminrot, H 30 cm<br />

Geraniwn sanguineum ‚Album‘, weiß, H 30 cm<br />

Geranium sanguineum ‚Tiny Monster‘, karminrot, H 40 cm.<br />

Pflege<br />

Auch wenn die Geraniumarten uns „treu bleiben bis ans Ende unserer Tage“<br />

(Karl Foerster) für eine gelegentliche stickstoffarme Düngung sind sie dankbar.<br />

Rückschnitt nach der Blüte verhindert das unerwünschte Versamen,<br />

führt zu einem zweiten Blütenflor und zu einem neuen kompakten Habitus,<br />

je nach Art und Sorte.<br />

Hemerocallis Arten und Sorten<br />

In Philipp Millers „Allgemeinem Gärtnerlexikon“, erschienen in der<br />

deutschen Fassung in Nürnberg 1772 heißt es: „Hemerocallis kommen<br />

überall fort, weil sie außerordentlich dauerhaft sind. Sie brauchen keine<br />

andere Kultur, <strong>als</strong> das man sie von Unkraut reinigen und ihnen Platz<br />

lassen muss sich auszubreiten“. An dieser gärtnerischen Erfahrung hat sich<br />

bis heute nichts geändert. Geändert hat sich nur das Sortiment. Miller<br />

beschreibt H. flava, H. minor und H. fulva. Im „Hortus Eystettensis“ ca.<br />

150 Jahre früher werden nur H. fulva und H. lilio-asphodelus beschrieben.<br />

Heute werden jährlich ca. 2.000 neue Sorten registriert. Seit 1987 soll es<br />

weltweit ca. 20.000 Sorten geben. Im Sortiment einer auf Hemerocallis<br />

spezialisierten Staudengärtnerei kann der Pflanzenverwender heute unter ca.<br />

150 Arten und Sorten seine Wahl treffen, wobei er sich sicherlich meistens<br />

auf die Katalogbeschreibung verlässt. Ganz allgemein kann man aber sagen,<br />

dass Miller‘s Pflanzenbeschreibung auch (oder trotz) des riesigen Sortimentes<br />

immer noch auf die Gattung Hemerocallis und die meisten ihrer<br />

Sorten zutrifft.


Hemerocallis fulvi 18<br />

Adiantum pedatum 25<br />

Phyllitis scolopendrium 30<br />

Solidago 30<br />

Hosta sieboldiana 40<br />

Helleborus 45<br />

Dicentra spectabilis 45<br />

Hosta 47<br />

Iris germanica 47<br />

Delphinium 50<br />

Aconitum 50<br />

Abb. 30: Beobachtete Lebensalterzahlen (Jahre) von Stauden (Auszug) | Quelle: Karl Foerster, Winterharte<br />

Blütenstauden und Sträucher der Neuzeit, Leipzig 1929<br />

Positive Eigenschaften<br />

Hemerocallis haben einen kräftigen, nicht zu tief reichenden Wurzelstock.<br />

Die Wurzeln können sich bei einigen Arten zu Speicherorganen entwickeln.<br />

Trotz erheblicher Blatt- und Blütenmasse ist der Wasseranspruch gering.<br />

ehemaligen Baumschule Spaeth, Berlin heißt<br />

Beobachtete Die Pflanzen Lebensalterzahlen sind ausgesprochen (Jahre) pflegearm es: „Ihre und langlebig. schönste Entwicklung In dem Jubilä- finden sie,<br />

von Stauden (Auszug)<br />

umsband (1720–1930) Quelle: Karl Foerster, der berühmten Winterharte ehemaligen wenn sie jahrelang Baumschule an der Spaeth, gleichen Stelle<br />

Blütenstauden und Sträucher der Neuzeit, stehen, allerdings verbunden mit einem ho-<br />

Berlin heißt es: „Ihre schönste Entwicklung finden sie, wenn sie jahrelang<br />

Leipzig 1929 hen Flächenanspruch". Die Gattung ist prak-<br />

an der gleichen Stelle stehen, allerdings verbunden tisch frei von mit Schädlingen einem hohen und Krankheiten, Flächenanspruch“.<br />

Die Gattung ist praktisch nur frei die von Gallmücke Schädlingen ist und ein Krank- kleines<br />

merocallis kommen überall fort, weil sie<br />

Ärgernis. Hier hilft nur ein frühzeitiges<br />

außerordentlich heiten, nur die dauerhaft Gallmücke sind. ist Sie ein brau- kleines Absammeln Ärgernis. Hier der hilft deformierten nur ein früh- Knospen.<br />

chen keine andere Kultur, <strong>als</strong> das man sie<br />

zeitiges Absammeln der deformierten Knospen. Hemerocallis Hemerocallis treiben treiben früh aus. früh Die<br />

von Unkraut reinigen und ihnen Platz lassen<br />

Laubbüsche haben auch ohne Blüten<br />

muss aus. Die sich Laubbüsche auszubreiten". haben An dieser auch gärtne- ohne Blüten durchaus einen brauchbaren<br />

durchaus einen brauchbaren Schmuckwert.<br />

rischen Schmuckwert. Erfahrung Allerdings hat sich bis haben heute nichts Büsche ein Allerdings unterschiedliches haben Überwinte- Büsche ein<br />

geändert. Geändert hat sich nur das Sortiment.rungsverhalten,<br />

Miller beschreibt dass H. von flava, einziehend H. minor über unterschiedliches halbimmergrün bis Immergrün Überwinterungsverhalten,<br />

dass von einziehend über<br />

und reicht. H fulva. Gute Im Sorten „Hortus sind Eystettensis" reich- und ca. langblühend, halbimmergrün die Blüten bis Immergrün sind wetterfest reicht.<br />

150 Jahre früher werden nur H. fulva und<br />

und bei richtiger Auswahl sind sie auch selbstputzend. Gute Sorten sind Die reich- Blütezeit und langblühend, beginnt<br />

H. lilio-aspbuciclus beschrieben. Heute wer-<br />

die Blüten sind wetterfest und bei richtiger<br />

den im Mai jährlich und ca. endet 2.000 Anfang neue Sorten Oktober. regis- Über das Farbspektrum, Blütengrößen,<br />

Auswahl sind sie auch selbstputzend. Die<br />

triert. Stiellängen, Seit 1987 Wuchshöhen soll es weltweit muss ca. 20.000 man sich Blütezeit in Spezialkatalogen beginnt im Mai oder und in endet der Anfang<br />

Sorten geben. Im Sortiment einer auf Hemerocallis<br />

Fachliteratur spezialisierten informieren. Staudengärtnerei Hemerocallis gedeihen Oktober. im Über Halbschatten das Farbspektrum, und in<br />

Blütengrößen, Stiellängen, Wuchshöhen<br />

kann der Sonne. der Pflanzenverwender Allerdings je mehr heute Sonne unter desto muss mehr man Blüten. sich in Spezialkatalogen oder in<br />

ca. 150 Arten/Sorten seine Wahl treffen,<br />

der Fachliteratur informieren.<br />

wobei er sich sicherlich meistens auf die<br />

Hemerocallis gedeihen im Halbschatten<br />

Katalogbeschreibung verlässt. Ganz allge-<br />

und in der Sonne. Allerdings je mehr<br />

mein kann man aber sagen, dass Miller's<br />

Sonne desto mehr Blüten.<br />

Pflanzenbeschreibung auch (oder trotz) des<br />

riesigen Sortimentes immer noch auf die<br />

Gattung Hemerocallis und die meisten ih- Optische Qualitäten<br />

rer Sorten zutrifft.<br />

Riesengroßes Farbspektrum, interessante<br />

Blütenformen, standfeste und gesunde<br />

Positive Eigenschaften<br />

Laubbüsche in unterschiedlichen Höhen.<br />

63<br />

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Pf


64<br />

Optische Qualitäten<br />

Riesengroßes Farbspektrum, interessante Blütenformen, standfeste und<br />

gesunde Laubbüsche in unterschiedlichen Höhen.<br />

Pflege<br />

Nährstoffversorgung mit einer Volldüngergarbe im Frühjahr vor dem<br />

Aufbringen einer Mulchschicht. Im Herbst ist es zweckmäßig die Pflanzen<br />

bis auf eine handbreit über dem Boden zurückzuschneiden. Dies hat auf<br />

die Fächerneubildung im nächsten Frühjahr keinen negativen Einfluss. Die<br />

Gattung ist ausgesprochen pflegeextensiv. Wie sagte doch Karl Foerster:<br />

„Taglilien sind die Blumen des intelligenten Faulen.“<br />

Bewährte Arten und Sorten<br />

Bewährt hat sich eine Sorte, wenn sie sich aufgrund von mehreren guten<br />

Eigenschaften über einen längeren Zeitraum im Sortiment behauptet hat.<br />

Hemerocallis ‚Maikönigin‘, eine goldgelbe und reich blühende Pflanze<br />

gehört dazu. Schon Fritz Nobis, der ehemalige Leiter von Planten un<br />

Blomen (1937–1957) beschrieb sie <strong>als</strong> „eine unserer besten Hemerocallis,<br />

<strong>als</strong> sehr widerstandsfähig und sehr früh blühend“. Das war 1950 in seinem<br />

Buch „Die Freilandschmuckstauden“. Sie dürfte auch eine der wenigen<br />

Sorten sein, die sich über einen so langen Zeitraum in einem Sortiment<br />

behauptet haben, das sich permanent vergrößert, verändert, in Blütenfarbe<br />

und Blütenform die größte Bandbreite (neben dem Irissortiment) aufweist<br />

und für den normalen Pflanzenanwender damit unüberschaubar geworden<br />

ist. Amerikanische Züchter haben uns diese Fülle beschert. Ungefähr 85 %<br />

der in deutschen Staudenkatalogen angebotenen Sorten (ca. 200 Stück)<br />

kommen aus den USA zu uns und damit auch die dort vorgenommenen<br />

jährlichen Bewertungen der Sorten. Es gibt die „Stout Medal“ <strong>als</strong> höchste<br />

Auszeichnung, die nur an eine Sorte vergeben wird. Einen „Award“ für die<br />

beste Kleinblütige und einen für die am beständigsten duftende Taglilie<br />

(nachzulesen im Katalog der Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin aus dem<br />

auch die Einteilung nach Blütengrößen übernommen wurde). Taglilien<br />

blühen nicht nur einen Tag lang, sondern man kann durch die entsprechende<br />

Sortenwahl (früh-, mittel-, spätblühend) blühende Hemerocallis<br />

von Mai (Maikönigin!) bis etwa Anfang Oktober haben. Haben kann man


auch einfache und gefüllte Blüten. Es gibt gerüschte Blütenränder, runde<br />

Blütenformen und schmale Blütenblätter. Es gibt sehr wetterfeste Sorten,<br />

duftende und Sorten mit kleinen und riesengroßen Blüten. Deshalb ist es<br />

auch für den Gestalter zunächst einmal besser nach Blütengrößen, <strong>als</strong> nach<br />

den Blütenfarben zu unterscheiden. Danach werden unterschieden:<br />

Miniatur-Hemerocallis mit einem Blütendurchmesser unter 7,5 cm<br />

Kleinblütige Hemerocallis mit einem Blütendurchmesser von 7,5–11,5 cm<br />

Großblütige Hemerocallis mit einem Blütendurchmesser über 11,5 cm.<br />

In dieser Reihenfolge bewegt sich auch der ungefähre Anteil der Sorten<br />

im aktuellen Sortiment. 5 % Miniatursorten, 25 % kleinblütige und über<br />

60 % großblütige Sorten zeigen, wo der Schwerpunkt der Züchtung (und<br />

Nachfrage) heute liegt, wenn man einmal die Farbe außer acht lässt. Aber das<br />

kann man eben nicht, denn Hemerocallis und Farbenpracht sind untrennbar<br />

miteinander verbunden. In meinen Lehr- und Wanderjahren waren die<br />

Farben des Sortimentes gelb bis gelborange. Eine aprikosenfarbene oder<br />

scharlachorange blühende Sorte war dam<strong>als</strong> etwas außergewöhnliches. Es<br />

gibt heute kaum eine Farbe, eine Farbkombination, ein Farbenspiel im gelborange-lachsfarbenem-rotem<br />

Spektrum das nicht im Sortiment zu finden ist.<br />

Es gibt himbeerrote und fliederfarbene Sorten und eine fast schwarze mit<br />

gelbem Schlund. In meinem Garten bildet die remontierende, zitronengelbe<br />

Miniatursorte ‚Bitsy‘ mit dunkellaubigem Heuchera Sorten ein schönes<br />

Kontrastbild. Durch die Büsche der grünlich-gelben ‚Green Flutter‘ (Stout<br />

Medal 1976) und der großblumigen, blühfreudigen gelben ‚Hasse Garren‘<br />

winden sich die langen Triebe der herrlich blauen Geranium ‚Brookside‘. Die<br />

50 Jahre alte, leuchtend rote ‚Crimson Pirate‘ ist immer noch eine reich und<br />

lange blühende Sorte und die 90 cm hohe zitronengelbe ‚Lemon Bells‘ ist<br />

mit ihrem Duft eine bezaubernde Nachbarin meiner Rittersporne.<br />

Bei den Sortimenten, die heute in den Katalogen der Staudengärtnereien<br />

angeboten werden, kann man davon ausgehen, dass es sich um erprobte<br />

und bewährte Sorten handelt, die bei richtiger Standortwahl „schön<br />

und von ewiger Beständigkeit“ sind. Über das große Sortiment sollte man<br />

aber nicht vergessen, dass es auch noch einige Wildformen gibt, die schön<br />

und dauerhaft sind z.B.:<br />

Hemerocallis citrina, hellgelb stark duftende elegante 15 cm lange Blüten.<br />

Blütezeit Mai bis August, Höhe 100 cm.<br />

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Hemerocallis middendorffii, goldgelb, Mai–Juni, remontiert im September,<br />

Höhe 90 cm.<br />

Hemerocallis minor, kleine zitronengelbe Blüten, duftend und langblühend<br />

Mai–Juni. Blüten schließen sich erst am dritten Tag wieder.<br />

Hosta Arten und Sorten<br />

In seinem Werk „The Lilies-Lilien-Les Liliacées“ veröffentlichte Pierre-<br />

Joseph Redouté (1759–1840) um 1710 die colorierte Zeichnung einer<br />

Hemerocallis japonica. Sie wurde allerdings schon 1887 <strong>als</strong> Hermerocalis<br />

plantaginea beschrieben. 1817 wurde von Prof. Spenger (1766 –1833),<br />

Direktor des Botanischen Gartens in Halle, der Gattungsname Funkia<br />

eingeführt, obwohl die Bezeichnung Hosta schon 1812 publiziert wurde.<br />

Sie hieß auch schon einmal Hemerocallis alba. Das war 1801 in England.<br />

In dem 1930 erschienenen Späth-Buch wird die Pflanze mit dem Namen<br />

Funkia plantaginea (subcordata) und der deutschen Bezeichnung Taglilie<br />

geführt. Heute kennen wir sie <strong>als</strong> Hosta plantaginea, wobei allerdings Karl<br />

Foerster den Artnamen plantaginea (wegerichblättrig) für abwegig hielt,<br />

richtiger wäre „liliflora“ (lilienblütig) wobei wir wieder bei Redouté wären.<br />

Die Um- und Irrwege in der Namensgebung zeigen uns, dass die Gattung<br />

Hosta in der Nomenklatur und auch in der botanischen Zuordnung<br />

eine schwierige Gattung war und ist. In Spezialgärtnereien werden heute<br />

über 130 Arten und Sorten angeboten (in Einkaufsführern werden über<br />

1.400 Sorten registriert) und damit liegen die Probleme in der Unübersichtlichkeit<br />

der Gruppe eindeutig beim Pflanzenverwender, dem allerdings<br />

auch mit dieser Gattung ein durchaus unkompliziertes Pflanzenmaterial zur<br />

Verfügung steht.<br />

Das Hauptverbreitungsgebiet der Hosta sind die japanischen Inseln,<br />

wo die meisten Arten überwiegend an schattigen Gebirgsstandorten mit<br />

einer guten Wasserversorgung gedeihen. Nur Hosta plantaginea ist eine aus<br />

China stammende Art, die seit Jahrhunderten in Japan <strong>als</strong> Kulturpflanze<br />

gepflegt wurde. Nach Europa kamen die ersten Hosta-Arten und ihre Kulturformen<br />

durch Ärzte der holländischen Ostindien Kompanie, die aufgrund<br />

ihrer Ausbildung auch Botaniker waren. Philipp Frank von Siebold<br />

(1796–1866) war einer von ihnen, der zahlreiche Hosta-Arten nach Europa<br />

brachte und sie in seiner Gärtnerei in Leiden akklimatisierte. Mit der Hosta


„derbste stauden<br />

für dunklen schatten“<br />

sieboldiana und Hosta sieboldii wird an ihn erinnert. Karl Foerster rühmte<br />

ihre Schönheit und Widerstandskraft und beschrieb in seinem Buch „Winterharte<br />

Blütenstauden und Sträucher der Neuzeit“ 1929 acht Arten und<br />

Kulturformen, die er bei der Gestaltung von schattigen Gartenpartien für<br />

unersetzlich hielt. Darüber hinaus hielt er die weißbunte Hosta undulata<br />

univitata für eine der besten Treibstauden, eine Art der Pflanzenverwendung,<br />

die heute längst aus der Mode gekommen ist.<br />

Positive Eigenschaften<br />

Für Karl Foerster sind die Funkien „derbste Stauden für dunklen Schatten“,<br />

die selbst im Wurzelfilz von Gehölzpflanzungen noch ihren Standort<br />

behaupten können. Da sie sich auf solchen Standorten auch noch jahrzehntelang<br />

nicht verdrängen lassen, adelt Foerster sie mit Recht zur Staude mit<br />

„ewiger Beständigkeit“.<br />

Die Hostas sind Blattschmuckstauden, die im Halbschatten- und Schattenlagen<br />

ihre bevorzugten Standorte haben. Nach den Lebensbereichen<br />

sind es die Standorte unter dem Schirm von Gehölzen (G) oder Gehölzrand<br />

(GR), auf denen sie sich wohlfühlen. Den Standortschatten kann man<br />

dabei recht großzügig interpretieren. Bei mir steht eine Hosta siboldiana<br />

seit 25 Jahren an der Nordseite einer 2,00 m hohen Mauer auf einer 30 x<br />

50 cm großen Pflanzfläche innerhalb einer Kleinpflasterfläche. Sie deckt<br />

mit Ihrem Blattwerk auf diesem sicherlich nicht optimalen Standort eine<br />

Fläche von 1,20 x 1,80 m ab. Grundsätzlich kann man davon ausgehen,<br />

dass bei genügend frischem Boden viele Sorten auch eine gute Sonnenverträglichkeit<br />

haben, wobei auch die vorhandene oder nicht vorhandene<br />

Luftfeuchtigkeit eine kleinklimatische Rolle spielt. Funkien versamen sich<br />

nicht, machen keine Ausläufer und lassen unter ihrem Blätterschirm unerwünschte<br />

Begleitpflanzen nicht aufkommen. Sie bringen mit ihren hellen /<br />

weißen Blattzeichnungen Licht in die vorwiegend hell- und dunkelgrünen<br />

Schattenpflanzungen und sind somit unentbehrlich für innovative Pflanzungen.<br />

Entbehrlich wäre allerdings ihre fast magische Anziehungskraft auf<br />

die Schnecken im Garten, die besonders junge Pflanzungen in einer Nacht<br />

radikal vernichten können. Hier hilft nur ganz gezielter Einsatz mit Schneckenkorn.<br />

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Optische Qualitäten<br />

„Funkia is a elegant hardy herbaceous plant“ schreibt der Horticultural Superintendent<br />

Walter P. Wright in seinem „Dictonary of Gardening“, erschienen<br />

1901 in London. Damit ist eigentlich alles gesagt über diese bedeutendste<br />

Blattschmuckstaude im Staudensortiment. Hostas gibt es in Größen<br />

von ca. 15 cm an (Hosta minor, Hosta venusta, Hosta tardiflora und ihre<br />

Sorten) bis zu den riesigen Exemplaren von Hosta crispula, die Riesen-<br />

Weißrandfunkien, deren Horste 50–70 cm hoch sind und entsprechend<br />

breit werden können. Parallel zum Größenwachstum gibt es die gleiche<br />

Vielfalt in den Blattformen und Blattgrößen. Die Blätter sind – schmal –<br />

spitz – spatenförmig, rund oder löffelförmig, mit und ohne Nervatur. Sie<br />

sind klein, groß, riesengroß, wobei ihre Größe unter anderem stark von der<br />

Wasser- und Nährstoffversorgung abhängt. Sie entwickeln Blütenschäfte<br />

die bis zu 100 cm hoch werden können (Hosta sieboldiana „Blue Angel“).<br />

Die Farbe der Glockenblüten ist weiß und umfasst das ganze Spektrum der<br />

violetten Farbtöne. Aber alle diese Qualitäten werden noch überspielt vom<br />

Farbspektrum der Blätter, das für die Realisierung von innovativen Vegetationsbildern<br />

unverzichtbar ist. Es gibt grüne, blaue, gelbe Hostas, grünweiße,<br />

grüngelbe, blaubunte und gelbbunte Sorten. Kombiniert man Blattgrößen,<br />

Blattformen und Habitus, mit den unterschiedlichen Farbanteilen auf den<br />

Blättern, sind die optischen Qualitäten dieser Pflanzengruppen unübertroffen.<br />

Bewährte Arten und Sorten<br />

Die Arbeitsgemeinschaft Staudensichtung führte 1973 ihre erste Sichtung<br />

des Hosta-Sortimentes durch. 1995 folgte wegen der rasanten Entwicklung<br />

im Sortiment eine neue Sichtung und Bewertung der Arten und Sorten.<br />

Lässt man einmal die Liebhabersorten außer acht, dann umfasste das<br />

Standartsortiment 13 ein Stern und 17 zwei Stern Sorten. Fritz Köhlein<br />

beschreibt in seinem 1993 erschienenen Buch „Hosta (Funkien)“, Ulmer<br />

Verlag Stuttgart, 225 Sorten. Von „Allan P. McConnell“ einer ca. 15 cm<br />

hohen wüchsigen Zwergform bis zu ‚Zounds‘, einer Sorte mit metallisch<br />

glänzenden gelben Blättern, wird hier ein Sortiment vorgestellt, das selbst<br />

in die „dumpfeste Schattenecke“ etwas Gartenzauber bringen kann. An<br />

Zauberei grenzt es für den normalen Pflanzenverwender, wenn er sich in


diesem Sortiment der kleinen und großblättrigen, der grünen, blauen und<br />

gelben Blätter zu Recht finden will. Da gibt es laut Standartsortiment die<br />

Blattfarbengruppen grün – weißrandig – hellgrün, goldgelb – vergrünend,<br />

blaugrün, blaugrau, blaugrau – gelbrandig usw. . Da die Gruppe der Hosta-<br />

Arten und Sorten in ihren Standortansprüchen und ihrem Wuchsverhalten,<br />

in ihrer Robustheit und Beständigkeit weitgehend unproblematisch ist,<br />

kann man auch viele Sorten verwenden, die keinen Stern haben (hier läuft<br />

die Züchtung der Sichtung davon).<br />

Bewährte Sorten aus meinem Garten<br />

‚Fire and Ice‘, mittelgroßes weißes Laub mit unregelmäßig grünem gewelltem<br />

Rand, VI–VII, 40/60 cm, ‚Fulda‘, tiefblaue, schmale Blätter, VII–VIII,<br />

20 cm, ‚Francee‘, grüne Blätter mit scharf abgesetztem weißen Rand, wird<br />

ein großer breiter Horst, VI–VII, 30/50 cm, ‚Frances Williams‘, die blaue<br />

Gelbrandfunkie von Foerster, blaugrüne Blätter, unregelmäßiger gelber<br />

Rand, starker Wachser, VI–VIIII, 50/80 cm, ‚Golden Tiara‘ hellgrüne<br />

Blätter mit hellgelbem Rand, kleiner Horste aber wüchsig, VI–VII, 30 cm,<br />

‚Halycon‘, graublaues Blatt, robuster mittelgroßer Horst, VII–VIIII,<br />

45–55 cm, ‚Hyacinthina‘, grau-grünes Blatt, VII–VIII, 50/70 cm, ‚Patriot‘,<br />

dunkelgrünes Laub mit breitem weißen Rand, große Blätter, großer Horst,<br />

VI–VII, 50/70 cm, ‚Royal Standard‘, hellgrüne Blätter, rein weiße duftende<br />

Blüten. Verträgt auf frischem Boden volle Sonne, VII–VIIIl, 60 cm, ‚Sea<br />

Drift‘, glänzend grüne Blätter, gekräuselt, voll sonnenverträglich, VI–VII,<br />

50 cm. Das sind nur wenige Sorten aus einem sich ständig vergrößerndem<br />

Sortiment bei dem man nur auf drei Dinge achten soll:<br />

Schnecken mögen Funkien leidenschaftlich gern. Funkien treiben spät<br />

aus und bei vielen ist der junge Austrieb Spätfrost gefährdet.<br />

Pflanzenkompositionen entwickeln sich nicht nur horizontal (in der<br />

Fläche) sondern auch vertikal (in den Luftraum über der Fläche). Auch bei<br />

der „Minimal Art“ zur Entwicklung von Pflanzenbildern gilt dieser Grundsatz.<br />

Die „Minimal Art“ war eine Kunstform, eine künstlerische Bewegung<br />

der 60er und 70er Jahre (natürlich in Amerika). Der Künstler arbeitete mit<br />

einfachen Grundformen. Sie reduzierten die Formensprache auf einfach<br />

Grundstrukturen oder wenige farbige Feldstrukturen. Flächig, niedrig sich<br />

entwickelnde Arten müssen mit wenigen halbhohen und hohen Arten<br />

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vergesellschaftet werden. Wuchsformen, Blattstrukturen, Blütenfarben und<br />

Blütenformen einiger weniger Arten müssen sich zu einem für den Betrachter,<br />

der in den wenigsten Fällen der geschulte Fachmann/Frau ist, zu einem<br />

schönen Bild zusammenfügen. Abwechslungsreiche, farbige und pflegeintensive<br />

Stauden-Gehölzpflanzungen wird es auch noch in Zukunft geben.<br />

Sicherlich nur zu besonderen Gelegenheiten und an besonderen Orten.<br />

Sicherlich wird es auch noch die Lonicerapflanzungen auf den mehr oder<br />

minder schmalen Pflanzstreifen auf den Parkplätzen oder <strong>als</strong> „Grünstreifen“<br />

zwischen Gehweg und Fahrbahn geben. Daneben ist aber auch eine<br />

Entwicklung denkbar, die immer wieder versucht mit wenigen, besonders<br />

qualifizierten Pflanzenarten und -sorten funktionell und ästhetisch ansprechende<br />

und überzeugende Bilderkompositionen im urbanen Bereich zu<br />

realisieren. Warum sieht man zum Beispiel nur großflächige Pflanzungen<br />

von Luzula sylvatica (horizontal) ohne die Vertikale von Aruncus ‚Horatio‘.<br />

Gruppen von Brunnera macrophylla mit den strahlend blauen Vergißmeinnichtblüten,<br />

auch kombiniert mit der weißblühenden Form ‚Betty Bowring‘<br />

in einer Fläche blühender Wald-Marbel sind mindestens zwei Qualitätsstufen<br />

besser <strong>als</strong> der monochrome (langweilige) immergrüne Grasteppich. Die<br />

kleinblumige zitronengelbe Hemerocallis ‚Lemon Bells‘ <strong>als</strong> Solitärpflanzen<br />

in einem Teppich von Geranium renardii oder von Geranium x magnificum<br />

‚Rosemoor‘ und dazu einige Hakonechloa macra ‚Aureola‘ sind auf einem<br />

sonnigen Standort langlebig und attraktiv.<br />

Wie sagte doch Professor Körner vorn Fachbereich Architektur, Stadtplanung<br />

und Landschaftsplanung der Universität Kassel „Mein besonderes<br />

Interesse gilt der extensiven Verwendung von Stauden und der Aufwertung<br />

der Stadtnatur mit den Stauden“ (NEUE LANDSCHAFT 09/06).<br />

Vielleicht gelingt es uns ja aus dem großen Pflanzenpotential vegetative<br />

Grundformen herauszufiltern, um mit ihnen zeitgerechte und nachhaltige,<br />

bisher ungewohnte neue Pflanzenbilder zu schaffen. Aus der „Grünen Minimal<br />

Art“ könnte dann Gartenkunst werden.


staudenwIesen und staudenbänder�������������������������������������������<br />

Heiner Luz<br />

Anmerkungen zur Notwendigkeit von prägnanter Gestaltung in<br />

der Pflanzenverwendung. Hinweise zum Prinzip der Aspektbildner<br />

bei Staudenwiesen mit wenigen Arten und zu Staudenpflanzungen<br />

in parallelen Streifen.<br />

Es steht außer Zweifel: auf jedem nur halbwegs geeigneten Standort<br />

wachsen Pflanzen. Es ist denkbar: Gestaltung mit Pflanzen ist nicht notwendig.<br />

Ich behaupte: beim Umgang mit Vegetation ist Gestaltung absolut<br />

notwendig! Mit anderen Worten: es gibt die Notwendigkeit des Nichtnotwendigen.<br />

Abb. 31: Der Nutzgarten am Bauernhof zeigt den Ursprung des gärtnerischen Gestaltens. Auf einem<br />

abgegrenzten Raum ergänzt der Bauerngarten den Lebensraum in der Landschaft. Blick auf den Neuhof<br />

im Obermünstertal in der Ferienregion südlicher Schwarzwald. Foto: Erich Spiegelhalter/STG<br />

Das Erscheinungsbild von Pflanzen und die Gestaltung mit Pflanzen<br />

sind für das Wohlbefinden des Menschen seit Jahrhunderten von beson-<br />

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erfüllung einer funktion<br />

findet sich schnell<br />

Prinzip des strebens<br />

nach Kulturleistung<br />

derer Bedeutung. Für den Landschaftsarchitekten ist der lebende Baustoff<br />

Pflanze ein ganz besonderes Gestaltungsmittel. Im Folgenden möchte ich<br />

meine Haltung zum Werkstoff Pflanze aufzeigen.<br />

Bei genauerer Betrachtung ist im Alltagshandeln festzustellen, dass die<br />

Anwendung der Notwendigkeit des Nichtnotwendigen gang und gäbe ist.<br />

Das fängt morgens an, mit der Frage: „welches After-Shave nehme ich heute“.<br />

Ich überlege mir, ob ich im Berufsalltag besser im Architekten-Schwarz<br />

auftreten soll, oder ob doch eher erdverbundene Farbtöne meiner Kleider<br />

angebrachter sind, wenn ich mit dem Bauherrn über Pflanzen reden soll.<br />

Das setzt sich fort in einem Sortiment an Schuhen, Brillen, der Frisur und<br />

allerlei anderen Dingen. Und im Laufe der Jahre ändern sich die Mode oder<br />

auch der persönliche Geschmack.<br />

Das Fazit ist: an sich bräuchte ich, was mich betrifft, gar nicht viel<br />

überlegen, die Erfüllung einer Funktion findet sich schnell. Und ich könnte<br />

mich damit zufrieden geben. Aber: es macht Freude, ein bisschen Mehr an<br />

Ton in Ton, an Abstimmung der Kleider zueinander und dergleichen in das<br />

eigene Erscheinungsbild zu „investieren“. Mit anderen Worten: notwendig<br />

ist dieser Aufwand nicht, aber für das persönliche Wohlempfinden – und<br />

vielleicht auch für die Wertschätzung durch die Mitmenschen – wiederum<br />

doch sehr notwendig.<br />

Auch in anderen Lebensbereichen <strong>als</strong> dem Modedesign, beispielsweise<br />

beim Tisch decken, beim Kochen, beim Wohnen oder der Architektur allgemein,<br />

und ebenso im Garten: in allen Lebensbereichen des Menschen gilt das<br />

Prinzip des Strebens nach Kulturleistung. Auch in der Pflanzenverwendung.<br />

Beim Stichwort „Pflanze“ denke ich zunächst einmal an das Erlebnis der<br />

Jahreszeiten mit dem wechselnden Erscheinungsbild der Vegetation. Auch<br />

ganz ohne weltanschauliche Aufladung liegt in der Schönheit der Pflanze<br />

selbst vielleicht ein Grund, warum Pflanzen <strong>als</strong> Gestaltmittel nicht immer<br />

so ernst genommen werden wie dies der Fall sein sollte.<br />

Als weiteres kommt der Aspekt des Faktors „Zeit“ mit der Dynamik<br />

der Entwicklung der Vegetation dazu. Nach der Pflanzung sieht man erst<br />

einmal so gut wie gar nichts. Im Laufe der Zeit wächst aber doch sehr Wirkungsvolles<br />

und Raumbildendes heran. Bekanntlich reicht das sprichwörtliche<br />

Gärtnerleben selten aus, um dieses Ergebnis der eigenen Vorstellung<br />

erleben zu dürfen.


qualitätvolle<br />

raumgestaltung<br />

Die Pflanzungen sind neben den Erdmodellierungen und dem Element<br />

Wasser unser wirksamstes Gestalt bildendes Element und prägen das visuelle<br />

Erscheinungsbild von Stadt und Landschaft in hohem Maße mit. Besonders<br />

die Standorte der raumwirksamen Gehölze müssen frühzeitig bei der<br />

Planung von Gebäuden, Straßen und Wegen, Mauern und allerlei im Raum<br />

gar nicht sichtbaren Kabeln und Kanälen – die im Nachhinein so einfach<br />

nicht mehr zu verrücken sind – berücksichtigt werden.<br />

In direkter Beziehung dazu steht die Raumbildung. Landschaftsarchitekten<br />

sind mit qualitätvoller Raumgestaltung gefordert. Und nicht nur mit<br />

scheinbarer Vielfalt und ökologischem Etikett, sondern gerade mit Gestalt<br />

und gewolltem Erscheinungsbild. Auch der Landschaftsarchitekt ist Architekt<br />

und nicht nur simpler Begrüner. Es gibt das Miteinander von Raum<br />

und Baum, von Haus und Garten, von Städtebau und Landschaftsplanung.<br />

Pflanzung ist weit mehr <strong>als</strong> schlichte Begrünung und muss Teil des gesamten<br />

Planungsprozesses sein.<br />

Stadt und Landschaft profitieren voneinander, wenn sie nicht unabhängig<br />

voneinander konzipiert werden. Die optisch wahrnehmbaren Qualitäten<br />

der Vegetation wie Raumbildung, Farbe und Vielfalt prägen das Erscheinungsbild<br />

unserer Städte und Landschaften entscheidend mit. Für mich ist<br />

ganz klar und eindeutig: die Pflanzplanung muss wieder den ihr angemessenen<br />

Stellenwert in der Stadt- und Landschaftsplanung bekommen. Wobei<br />

Pflanzplanung nicht auf die reine Pflanzenkenntnis und das Wissen, das in<br />

Katalogen niedergeschrieben ist, reduziert werden kann. Diese sind zwar<br />

Teil des Handwerkszeugs, für sich alleine aber noch keine Gestaltung und<br />

bewusste Verwendung.<br />

Die Auffassungen zum Umgang mit der Pflanze gehen auch heute noch<br />

– oder wieder – weit auseinander. Auf der einen Seite gibt es sehr strenge<br />

und einheitliche Pflanzungen – und dies sowohl bei der Planung von<br />

Gehölzpflanzungen <strong>als</strong> auch bei Staudenpflanzungen. Auch der Wunsch,<br />

die Etablierung von Vegetation dem Zufall zu überlassen, ist weiterhin eine<br />

angewandte Möglichkeit. Gerade letzteres wird allzu gerne mit Vielfalt und<br />

Naturnähe gleichgesetzt. Auf diese beiden Begriffe „Einheitlichkeit“ und<br />

„Vielfalt“ werde ich später zurückkommen, da sie unter gestalterischen Gesichtspunkten<br />

auch für die Pflanzenverwendung von Bedeutung sind. Ich<br />

bin der Meinung, dass es im städtischen Freiraum, seien es nun öffentliche<br />

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die gefahr, sich<br />

im dschungel der Vielfalt<br />

zu verheddern<br />

weniger ist mehr<br />

Grünanlagen oder auch private Gärten, Platz für beide Auffassungen zum<br />

Umgang mit Vegetation gibt. Also kann es sowohl streng und einheitlich<br />

angelegte Pflanzungen geben, <strong>als</strong> auch ungezwungen und vielfältig gestaltete.<br />

Es muss sowohl Platz sein für klassisch ordentlich gepflegte Pflanzungen<br />

<strong>als</strong> auch für extensiv gepflegte oder gar auf einige Zeit sich selbst überlassene<br />

Flächen zur Vegetationsentwicklung. Es kann damit ein Nebeneinander<br />

dieser gegensätzlichen Ansätze in einem Garten, einem Park und einer<br />

Stadt sowieso geben.<br />

Pflanzenverwendung, die sich am Gestalterischen orientiert, hat<br />

neben Leitbildern und persönlichen Auffassungen selbstverständlich die<br />

natürlichen Standortverhältnisse ebenso zu beachten wie rein gärtnerisches<br />

Wissen über die Ansprüche von Pflanzen und deren Entwicklung.<br />

Als Landschaftsarchitekt habe ich aber nicht nur Aspekte des Standortes<br />

und der Vegetationskunde im Kopf, das gestalterische Moment mit dem<br />

Erscheinungsbild der Vegetation spielt eine gleichberechtigte Rolle. Aus<br />

meiner Sicht ist Pflanzenverwendung damit die Symbiose von vegetationskundlichen<br />

Erkenntnissen und gestalterischen Aspekten, das Zusammenführen<br />

von ökologischen Belangen mit ästhetischen Überlegungen. Dies<br />

schließt die Verwendung gärtnerisch kultivierter Arten und Sorten ebenso<br />

ein wie die von heimischen bzw. autochthonen Arten.<br />

Das Erscheinungsbild unserer Pflanzungen kann nicht dem Zufall<br />

überlassen werden. Die Formel „Vielfalt = schön bunt = naturnah“ ist<br />

<strong>als</strong> Leitbild untauglich und deutet darauf hin, dass der Gestalter vor der<br />

überreichen Pflanzenvielfalt kapituliert. Tatsächlich birgt der Umgang mit<br />

dem umfangreichen Pflanzensortiment die Gefahr, sich zu verheddern im<br />

Dschungel der Vielfalt in den Katalogen oder auch bei der Suche nach<br />

geeigneten Standorten für Gehölze und Stauden im städtischen Freiraum.<br />

Es kommt darauf an, nicht überall „von Ällem a Bissle“ wie der<br />

Schwabe sagt, <strong>als</strong>o „von Allem Etwas“ zu wollen, sondern die Pflanzenvielfalt<br />

der Stauden und Gehölze überlegt zu konzentrieren und zu zonieren,<br />

anstatt sie unter dem Aspekt der Anhäufung von Phytomasse in die Stadt<br />

zu bringen. Oder von der riesigen Vielfalt eben auch radikal etwas weg zu<br />

lassen. Zu viel Vielfalt führt zu ästhetischem Chaos. Womöglich gilt für die<br />

Pflanzenverwendung im Besonderen: Weniger ist Mehr. Pflanzenverwendung<br />

hat immer mit Gestaltung zu tun, und dies oft in sehr heterogenem


gestaltlehre<br />

einheitlichkeit im großen<br />

und Vielfalt im Kleinen<br />

farbe bricht form<br />

Umfeld. Man muss <strong>als</strong>o auf die Anforderungen angepasst reagieren und<br />

doch immer die gleichen Prinzipien der Gestaltung anwenden.<br />

Es ist notwendig, die Pflanzenauswahl entsprechend konsequent zu<br />

sortieren, um sie Gestalt bildend einzusetzen. Ein erster Schritt des Ordnens<br />

beim Umgang mit Vegetation ist die Beschäftigung mit den Wahrnehmungsprozessen<br />

und den Gestaltgesetzen. Die Gestaltlehre spricht bei<br />

Dominanz weniger Elemente von Klarheit, Einfachheit und Prägnanz. Die<br />

wichtigste Gestaltregel heißt: Einheitlichkeit im Großen und Vielfalt im<br />

Kleinen. Sie definiert Vielfalt aus Variation und / oder wechselnder Kombination<br />

weniger Gestalt bildender Elemente. Und nicht <strong>als</strong> simple Addition<br />

möglichst vieler und verschiedener Elemente. Das gilt sowohl für Pflanzungen<br />

die ausschließlich aus Gehölzen bestehen, <strong>als</strong> auch für Staudenpflanzungen<br />

die unabhängig von Gehölzen geplant werden, <strong>als</strong> auch für das<br />

Nebeneinander von Gehölzen und Stauden.<br />

Ein weiterer Lehrsatz der Gestaltlehre besagt: Farbe bricht Form. Gerade<br />

beim Umgang mit der Vielfalt der Stauden (und Sommerblumen) muss<br />

dieser Grundsatz meines Erachtens ganz besonders bedacht werden. Das<br />

Nebeneinander von frei wachsenden und formierten Gehölzen, von Rasen<br />

und Wiese, von Beetstauden und Wildstauden ist in diesem Sinne bereits<br />

ein Beitrag zur Vielfalt. Im Grunde bedeutet dies, jeweils ein und dasselbe<br />

Element, nur eben unterschiedlich in der Ausprägung zur Gestaltbildung zu<br />

verwenden.<br />

Aus der Vegetationskunde ist bekannt, dass standörtlich bedingt jeweils<br />

wenige Arten eine Pflanzengesellschaft dominieren. Man spricht von<br />

Aspektbildnern. Sie prägen das optische Erscheinungsbild im jahreszeitlichen<br />

Wechsel der Vegetation und werden ergänzt durch unterschiedlich<br />

viele Begleitarten, die im Erscheinungsbild weniger auffällig sind, aber<br />

zur Artenvielfalt beitragen. Es gibt den Eichen-Hainbuchen-Wald, das<br />

Weißdorn-Schlehen-Gebüsch, das Valeriano-Filipendulino. Es besteht <strong>als</strong>o<br />

ein originärer Zusammenhang zwischen Gestalt und Vegetationskunde.<br />

Das ist ein einfaches Prinzip, doch es führt zu Vielfalt und einem bewussten<br />

Erscheinungsbild der Pflanzungen. Dieses „Prinzip der Aspektbildner“ ist zu<br />

meinem persönlichen Gestaltungsansatz beim Umgang mit der Vegetation<br />

geworden.<br />

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78<br />

additives nebeneinander<br />

Allerdings kann die Zuordnung einzelner Aspekte nicht ganz beliebig<br />

erfolgen.<br />

In sehr stark durch die Architektur geprägten Räumen kommen Staudenpflanzungen,<br />

die unter dem Gesichtspunkt konzipiert werden, möglichst<br />

viele verschiedene Arten auf der Fläche unterzubringen, kaum zur<br />

Wirkung. Dieser Ansatz verleitet dazu zwar artenreich, aber dafür von jeder<br />

verwendeten Art nur wenige Exemplare zu pflanzen. Dem Vegetationsbild<br />

fehlt die Prägnanz.<br />

Abb. 32: Pflanzung traditioneller Stil.<br />

Ich empfehle die Loslösung von diesem traditionellen Stil. Weder lässt<br />

sich damit ein harmonisches Erscheinungsbild erzielen, noch Naturnähe.<br />

Auch unter dem Gesichtspunkt, dass Farbe die Form, <strong>als</strong>o die Gestalt und<br />

das Erscheinungsbild bricht, ist dieser Ansatz der Staudenverwendung<br />

nicht optimal. Es ist eben nichts weiter <strong>als</strong> ein additives Nebeneinander von<br />

Gestaltelementen oder unterschiedlichen Pflanzen. Und damit nach den<br />

Gesetzen der Gestaltlehre gar nicht Gestalt bildend. Besser erscheint mir,<br />

mit Bezug zu den Jahreszeiten ganz einheitlich zu pflanzen, damit eine Staudenpflanzung<br />

gegenüber der Architektur überhaupt zur Geltung kommt.


Abb. 33: München Riem, Parallele Gärten,<br />

Frühjahrsaspekt. Foto: H. Luz.<br />

wiesenartige Pflanzungen<br />

Abb. 34: München Riem, Parallele Gärten, Herbstaspekt. Foto: H. Luz.<br />

Bei der Verwendung von Beet- oder Prachtstauden spielt die Kombination<br />

von Blütenfarben die wichtigste Rolle.<br />

Die Verwendung von Blühaspekten aus jeweils 2–3 Arten, die im<br />

Frühjahr, Sommer und Herbst die Pflanzung dominieren, ermöglicht die<br />

gewünschte Prägnanz zusammen mit dem Wunsch nach einer doch abwechslungsreichen<br />

Pflanzung.<br />

Für wiesenartige Pflanzungen, die eine „lebendige Bodendecke“ bilden,<br />

sind die Lebensbereiche nach Hansen die Grundlage für den Umgang mit<br />

den Stauden und anderen krautigen Pflanzen. Der Schnittzeitpunkt vieler<br />

heimischer Wiesen lässt sich auf Pflanzungen übertragen. Diese Wiesen<br />

haben ihren Blühhöhepunkt im Mai und Juni, werden dann gemäht und<br />

im Herbst dominieren Gräser. Nur wenige blühende Arten sind in diesen<br />

Grasaspekt eingestreut.<br />

Das kann man auch mit Hemerocallis und Deschampsia <strong>als</strong> Aspektbildner<br />

pflanzen. Räumlich oder zumindest optisch Zusammengehörendes wird<br />

im Blühaspekt gleich gepflanzt. Dies ergibt ein großzügigeres und harmonischeres<br />

Erscheinungsbild.<br />

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80<br />

Abb. 35/36: IGA Stuttgart 1993, Hemerocallis-Wiese, Frühjahr und Herbst. Foto: H. Luz<br />

Abb. 37: LGS Memmingen, 2000, Hemerocallis-Frühjahrsaspekt.<br />

Foto: H. Luz<br />

Prinzip der aspektbildner<br />

zusammengehörende<br />

standorteinheiten<br />

Abb. 38: LGS Memmingen, 2000, Hemerocallis-Herbstaspekt.<br />

Foto: H. Luz<br />

Das Prinzip der Aspektbildner wurde auf den Gartenschauen der IGA<br />

1993 Stuttgart (Gesamtplanung Luz + Partner, Stuttgart), der LGS Memmingen<br />

2000 (Gesamtplanung Mahl Gebhard, München) und 2005 im<br />

Umfeld des Badesees im Riemer Park in München (Gesamtplanung Latitude<br />

Nord, Paris) auf großen Flächen angewendet. Ganz bewusst wurden hier<br />

nur wenige Pflanzengesellschaften zusammengestellt. Einzelne Pflanzaspekte<br />

wurden auf zusammenhängenden Flächen angewandt, die entweder räumlich<br />

oder optisch zusammengehörten. Auf beiden Gartenschauen und im<br />

Park der Messestadt Riem wurde das Gros der Staudenpflanzungen von nur<br />

drei unterschiedlichen Pflanzenzusammenstellungen geprägt.<br />

Die Staudenpflanzungen am Badesee sollen, wie der Riemer Park, großzügig<br />

wirken. Zusammengehörende Standorteinheiten wurden mit jeweils einer<br />

einzigen Pflanzengesellschaft bepflanzt. Die Staudenpflanzungen sind <strong>als</strong><br />

Wiesen vorgesehen, Gehölze sind nur <strong>als</strong> einzeln stehende Bäume angeordnet.


egleitarten<br />

Am Südufer auf einer Länge von ca. 650 m und mit bis zu 20 m Breite<br />

hat die „Iris-Minzen-Wiese“ ihren Standort. Sie geht auf der gesamten<br />

Länge in eine 2 m breite, bepflanzte Flachwasserzone über. Die Flachwasserzone<br />

am Westufer bildet das ca. 7.500 m² große „Röhricht“. Die flachen<br />

Böschungen sind mit der „Riem-Haide“ bepflanzt, die periodisch vernässten<br />

Sickerflächen <strong>als</strong> feuchte Wiesen und Nasswiesen angelegt.<br />

Iris-Minzen-Wiese<br />

Den Vorfrühlingsaspekt prägt Primula veris, die ohne Begleitarten einen<br />

Hauch von Gelb über die Fläche legen. Alle anderen Aspekte werden von<br />

der Farbe Blau dominiert zu der die Farbe Weiß vermittelt. Den Frühjahrsaspekt<br />

bildet Iris sibirica, danach dominieren Minzenarten (Mentha pulegium,<br />

Mentha x speciosa ‚Jokka‘, Mentha spicata, Mentha longifolia) zusammen<br />

mit Veronica longifolia und Nepeta sibirica den Aspekt, ehe dann Aster laevis<br />

und Boltonia latisquama der Pflanzung den Herbst anzeigen. Die Begleiter<br />

während der Vegatationsperiode sind Camassia cusikii, Valeriana officinalis,<br />

Sanguisorba officinalis, Lythrum salicaria, Alchemilla epipsila und Geranium<br />

wlassovianum. Die Blütenstauden sind mit Molinia arundinacea ‚Karl Foerster‘<br />

gleichmäßig „durchstellt“.<br />

In der Flachwasserzone bedeckt eine Pflanzengemeinschaft aus Mentha<br />

aquatica, Butomus umbellatus, Hippuris vulgaris und Nymphoides peltata<br />

flächenhaft den Versickerungsbereich.<br />

Röhricht<br />

Ein Röhricht setzt sich zusammen aus ganz wenigen Arten, im Bestand<br />

findet man oft nur eine Art. Am Badesee dominiert Scirpus lacustris. Als<br />

Begleitarten wurden Hippuris vulgaris, Mentha aquatica, Nuphar lutea sowie<br />

Butomus umbellatus kombiniert. Alisma plantago-aquatica und Sagittaria<br />

sagittifolia ergänzen vereinzelt die Kombination. Durch die Blickfenster des<br />

Röhrichts zur offenen Wasserfläche wirken weiße Seerosen <strong>als</strong> Blickfang.<br />

Am Westufer im Übergang zur Riem-Haide wurde eine homogene, ruhig<br />

wirkende Pflanzung aus Amsonia tabernaemontana, Nepeta sibirica, Leucanthemella<br />

serotinum sowie den dominanten Gräsern Stipa calamagrostis<br />

‚Lemperg‘ und Sporobolus heterolethis angelegt.<br />

81


82<br />

buga 2005: anpflanzung<br />

aller stauden bis mitte<br />

september 2003<br />

Riem-Haide<br />

Südlich der intensiv gestalteten und genutzten „Terrasse“ mit dem so<br />

genannten „Aktivitätenband“ schließen die weitläufigen, extensiv gestalteten<br />

Flächen im Riemer Park an. Sie wurden <strong>als</strong> Magerwiesen hergestellt, bei<br />

denen ausschließlich autochthones Saatgut zum Einsatz kam. Die trockenen<br />

Magerwiesen der Münchner Schotterebene heißen „Haide“. Die Substrate<br />

sind kalkhaltig, daher unterscheiden sich die bayrischen „Haiden“ deutlich<br />

von den „Heiden“ Norddeutschlands.<br />

Auf den flach geneigten Böschungen der Sickerflächen des Badesees<br />

entstand eine gärtnerische Variante dieser Haidelandschaft. In der „Riem-<br />

Haide“ wachsen hauptsächlich kultivierte Arten, die ansonsten in den<br />

Magerrasen des Münchner Nordens zu finden sind. Diese Staudenpflanzung<br />

umfasst eine Fläche von 7.500 m².<br />

Im Vorfrühling prägt Pulsatilla vulgaris das Pflanzbild. Im Mai–Juni<br />

bilden Anthericum liliago, Linum perenne und Dianthus carthusianorum den<br />

Blühaspekt. Dieser geht über in den hochsommerlichen Aspekt von Salvia<br />

nemorosa ‚Mainacht‘ und zum Sommerende in die Blüte von Aster pyrenaeus<br />

‚Lutetia‘, ehe Calamintha nepeta ssp. nepeta und Aster sedifolius den Herbst<br />

ankündigen. Begleitarten sind andere Salvien und Astern sowie Baptisia australis,<br />

Geranium sanguineum, Buphtalmum salicifolium und Solidago caesia.<br />

Auf Gräser wurde verzichtet; sie werden aus den angrenzenden angesäten<br />

Wiesen in die Pflanzung einwandern.<br />

Die Grundflächen der Sickerbecken sind vorwiegend mit Iris pseudacorus<br />

bepflanzt, ergänzt durch Hippuris vulgaris und Mentha aquatica. In den<br />

Übergangsbereichen dominiert flächig Polygonum bistorta, dazu einzelne<br />

Achillea ptarmica, Geranium palustre und Alchemilla vulgaris.<br />

Kultur und Lieferung der Stauden<br />

Zur Bepflanzung der Iris-Minze-Wiesen, der Röhricht- und Haideflächen<br />

wurden ca. 230.000 Stauden benötigt. Im Hinblick auf das Großereignis<br />

der Bundesgartenschau 2005 verlangte das Gartenbaureferat der Stadt<br />

München die Anpflanzung aller Stauden zwingend bis spätestens Mitte<br />

September 2003. Diese Bedingung erfolgte vorausschauend, damit zur<br />

Bundesgartenschau die Pflanzungen in die zweite, volle Vegetationsperiode<br />

gehen konnten.


odenverhältnisse<br />

Das Prinzip der Aspektbildner führt dazu, dass von einzelnen Arten<br />

sehr hohe Stückzahlen notwendig sind. Bei den Aspektbildnern Iris sibirica<br />

waren in Wildform 30.000 Stück, bei Scirpus lacustris 20.000 Stück und<br />

bei Calamintha nepeta ssp. nepeta 15.000 Stück zur Pflanzung vorgesehen.<br />

Die Anzucht der Staudenware wurde deshalb vorausschauend getrennt von<br />

den Landschaftsbauarbeiten bereits im Juni 2002 <strong>als</strong> bauseitige Pflanzenlieferung<br />

direkt an die Staudengärtner vergeben. Dieses Verfahren unter den<br />

Bedingungen der Vergaberichtlinien umzusetzen gelang nach intensiven<br />

Abstimmungen mit der Hauptabteilung Gartenbau im Baureferat der Stadt<br />

München. Der Lösungsweg einer Vergabe zur Lieferung des Werkstoffs<br />

Pflanze direkt an den Hersteller, die Staudengärtnereien, erwies sich <strong>als</strong> der<br />

einzig richtige. So waren der unmittelbare Kontakt und eine Prüfung der<br />

Pflanzware bereits während der Anzucht möglich. So war sicher gestellt,<br />

dass die Arten, Sorten und Stückzahlen termingerecht in der geforderten<br />

Qualität geliefert werden. Die Staudengärtnereien waren auch in wichtige<br />

Details zur Bodenvorbereitung eingebunden und setzten die Forderung<br />

nach einer Anzucht in 9-er Töpfe im Hinblick auf die vorgesehene<br />

Splittmulchung ausnahmslos um. Die Staudengärtnereien bewältigten die<br />

anspruchsvolle Logistik, ca. 230.000 Stauden in sechs Wochen in entsprechenden<br />

Teilmengen an drei Firmen der Garten- und Landschaftsbaues auf<br />

die Baustelle zu liefern, ebenfalls reibungslos.<br />

Bodenvorbereitung und Pflanzung der Stauden<br />

Zum möglichst dauerhaften Erhalt der Staudenpflanzungen ist es<br />

notwendig, die Bodenverhältnisse überlegt herzustellen. Die jeweils unterschiedlichen<br />

Anteile an Kies, Rotlage, Humus, Zuschlagsstoffen und<br />

dergleichen mehr in einem Substrat bilden die Grundlage für die Zusammensetzung<br />

der Staudenpflanzung. Sicherlich lässt sich nicht jede Anlagerung<br />

oder Auswaschung eines Kations oder Anions in den Bodenmineralen<br />

absolut festlegen, aber die gezielte Herstellung der obersten Lage der Bodenverhältnisse<br />

sorgt doch dafür, welche Arten später die Pflanzengesellschaft<br />

und damit auch das Erscheinungsbild dominieren.<br />

Direkt nach Auftragserteilung der drei landschaftsgärtnerischen Baulose<br />

fanden mit den drei Firmen und deren Bauleitern ausführliche Informationen<br />

zu den Planungsabsichten statt. In kooperativen, offenen Gesprächen<br />

83


84<br />

führte dies zur Optimierung der Bauabläufe und Ausführungstechniken.<br />

In der Planungspraxis sind in der Leistungsphase der Bauüberwachung in<br />

besonderem Maße „top down“-Systeme gängig. Durch ein Gesprächsklima,<br />

das eine „bottom up“-Dynamik förderte, gelang es, die Kompetenz der Garten-<br />

und Landschaftsbauer für den Erfolg der Pflanzung einzubinden.<br />

Abb. 39–41: Badesee Riem, Substratmischung und Bauphase. Fotos: H. Luz<br />

mineralische<br />

mulchschicht<br />

Für jede der drei Standorte wurde das Bodensubstrat abgestimmt auf<br />

die Pflanzenauswahl gezielt hergestellt. Die Mischung der Substrate erfolgte<br />

vor Ort mit dem Ziel, bauseits vorhandenes Material zu verwenden. Für die<br />

Iris-Minzen-Wiese und das Röhricht wurden humose Oberbodensubstrate<br />

gemischt, die Riem-Haide beansprucht dagegen einen kiesigen Boden.<br />

Die Planung sah zunächst eine mineralische Mulchschicht aus 8/16-Granitsplitt<br />

vor, die dann nach den kooperativen Gesprächen mit den ausführenden<br />

Firmen in eine 11/16-Körnung gewandelt wurde. Alle Firmen entschieden<br />

sich, die im Mittel 5 cm starke Mulchschicht vor der Pflanzung auszubringen.<br />

Die mineralische Mulchung kappt die Kapillarität – der Boden bleibt<br />

länger feucht. Eine Aussamung unerwünschter Kräuter und Pilzbildung unterbleiben<br />

trotz ständigen Wässerns. Im niederschlagsarmen Sommer 2003<br />

wurde im ersten Standjahr sehr viel gewässert. Das Wässern spülte die<br />

Erdanteile, die durch das Pflanzen der Stauden zunächst auf der Kiesschicht<br />

lagen, sehr schnell nach unten. Die eher grobe Körnung begünstigte das<br />

Durchwachsen der Stauden durch die Mulchschicht, das „Zurücknehmen“<br />

der Feinanteile verringerte zudem ein Verschlämmen und in Folge ein Austrocknen<br />

der obersten Bodenschicht.


Pflanzpläne<br />

In den Pflanzplänen wurden die sehr großflächigen Pflanzungen<br />

bereits in überschaubare Abschnitte unterteilt. Diese Teile zerlegten die<br />

Firmen in Anpassung an die eigene Arbeitsleistung weiter, so dass jeweils<br />

für den Montag Nachmittag die Staudenmenge angeliefert wurde, die im<br />

Laufe der Woche dann auch gepflanzt werden konnte. Auch die Zusammenarbeit<br />

mit den Firmen des Garten- und Landschaftsbaus war geprägt<br />

von gegenseitigem Respekt. Erst das Verständnis für die Anliegen und<br />

Nöte des jeweils anderen Beteiligten ermöglichte die Lösung der Aufgabe.<br />

Die Lieferung und Fertigstellung der Staudenpflanzung erfolgte innerhalb<br />

von knapp sechs Wochen. Das kann zum Nutzen aller nur mit entsprechendem<br />

Engagement der Beteiligten gelingen.<br />

Ohne umfassende Planung zur Vorbereitung der Ausführung der<br />

Staudenpflanzungen geht es selbstverständlich auch bei größter Kooperationsbereitschaft<br />

der Beteiligten nicht. Was für die Gärtner gilt, gilt<br />

auch für meine Mitarbeiter, die mit enormem Einsatz meine Skizzen<br />

und Notizen in detaillierte Pläne und Leistungsverzeichnisse umgesetzt<br />

haben.<br />

Unsere Pflanzpläne unterscheiden sich von den „klassischen“ Pflanzplänen<br />

und sind in der Handhabung vor Ort erst einmal ungewohnt. Gezeichnet<br />

sind keine Symbole für die einzelnen Stauden, sondern nach Art<br />

oder Sorten geordnet die ihr zugedachte Stückzahl je Quadratmeter. Die<br />

Aspektbildner sind mit 2 – 4 Stück /m² vorgesehen, um so die gewünschte<br />

Prägnanz im Erscheinungsbild flächig zu erzielen. Die Begleiter nur mit<br />

maximal 1 Stück /m² oder gar nur für alle zwei, drei oder vier Quadratmeter<br />

mit einer Pflanze.<br />

Entsprechend den vorgegebenen Stückzahlen je Quadratmeter können<br />

die Stauden ausgelegt werden. Beginnend mit den Stauden mit der<br />

kleinsten Stückzahl erfolgt das Auslegen ganz regelmäßig entlang einer<br />

gedachten Linie mit einer (Begleit)Pflanze entsprechend ihrer vorgegebenen<br />

Stückzahl je Quatratmeter, der entlang der Linie einem Laufmeter<br />

entspricht. Entlang der nächsten Linie in einem Meter Abstand zur ersten<br />

erfolgt das Auslegen im Versatz, aber im gleichen Rhythmus. Die Aspektbildner<br />

werden zuletzt ausgelegt. Entsprechend wird weiter verfahren bis die<br />

ganze (Teil)Fläche ausgelegt ist. Erst nach dem vollständigen Auslegen kann<br />

gepflanzt werden.<br />

85


86<br />

schrittmaß<br />

sanft schwingender<br />

rhythmus<br />

Da jeder Gärtner sein eigenes Schrittmaß hat, und dieses entlang langer,<br />

gedachter Linien oder im Laufe des Tages meist etwas kleiner wird, wird aus<br />

einem zunächst sehr regelmäßigen „Raster“ auf dem Plan eine in sich doch<br />

fein variierte Pflanzung. Die Regelmäßigkeit und Flächenhaftigkeit des<br />

Prinzips der Aspektbildner geht dabei nicht verloren. Die starre Darstellung<br />

im Plan entspricht dann im Gelände einer in sanft schwingendem Rhythmus<br />

bepflanzten Fläche.<br />

Pflanzdichte und Pflege<br />

Die Anpflanzung von 10–12 Stauden /m² erscheint zunächst sehr<br />

dicht. Zwei Überlegungen bzw. Erfahrungen führen zu dieser Pflanzdichte:<br />

in Wiesengesellschaften finden wir leicht 25–30, manchmal noch mehr Individuen<br />

auf einem Quadratmeter Fläche. Die Einzelpflanze kann sich hier<br />

nicht voll entwickeln, im Pflanzenverband entsteht die geschlossene Bodendecke,<br />

die auch zu einer gewissen Stabilität der Pflanzengesellschaft beiträgt.<br />

Im Grundsatz wird dies auf die gepflanzte Wiese übertragen.<br />

Abb. 42: Iris-Minzen-Wiese, September 2005. Foto: H. Luz.<br />

Bei früheren Projekten habe ich mit 5–6 Stauden je Quadratmeter<br />

gearbeitet, nach Ende der beauftragten Pflege haben sich auf den offenen<br />

Stellen schnell andere Kräuter oder Gehölze etabliert. Die Pflanzungen<br />

haben sich so zu sehr verändert.


unterhaltungspflege<br />

Für die Dauerhaftigkeit der Staudenpflanzung ist es wichtig, dass sie<br />

sich nach Abschluss der Fertigstellungs- und zweijährigen Entwicklungspflege<br />

gut etabliert hat. Die Bodendecke muss dann annähernd geschlossen<br />

sein. Während dieser Zeit jäten fachkundige Gärtner die Flächen regelmäßig,<br />

bei Bedarf wird gewässert und auch gedüngt. Ziel ist es, das Schließen<br />

der Bodendecke zu fördern. Bereits ab dem ersten Jahr reicht ein Rückschnitt<br />

mit dem hoch eingestellten Rasenmäher oder dem Freischneider<br />

aus. Ein aufwändiges Zurückschneiden einzelner Stauden, und dies auch zu<br />

unterschiedlichen Zeitpunkten, entfällt. In der späteren Unterhaltungspflege<br />

muss dann die einmalige Mahd der Staudenwiesen ausreichen. Sowohl<br />

aus gestalterischen <strong>als</strong> auch ökologischen Gründen empfehle ich den<br />

einmaligen Rückschnitt im ausgehenden Winter. Leider ist der Aufwand zu<br />

diesem Zeitpunkt höher, so dass oft aus Kostengründen der Schnitt bereits<br />

im späten Herbst erfolgt.<br />

Für das Erscheinungsbild der Staudenpflanzungen ist im Laufe des<br />

Jahres nicht nur die Blüte der einzelnen Arten wirkungsvoll. Gleichbedeutend<br />

sind das grüne Kraut der Blätter sowie die verblühten Teile mit den<br />

Samenständen.<br />

Die Pflanzenauswahl beschränkt sich auf robuste Wildstauden bzw.<br />

gärtnerisch kultivierte Stauden mit Wildstaudencharakter. Alle Stauden<br />

müssen den Rückschnitt <strong>als</strong> Mahd vertragen. Nur so ist eine kostengünstige<br />

und dauerhafte Pflege sichergestellt. Dies war Grundvoraussetzung<br />

für das Baureferat Gartenbau zur Zustimmung, dass Staudenflächen in<br />

der genannten Größe im Riemer Park überhaupt realisiert werden konnten.<br />

Der Ansatz des „less is more“ mit der Beschränkung der Arten führt<br />

nicht zwangsläufig zu einer Pflanzung, die nur kurzzeitig blüht und ansonsten<br />

unansehnlich ist. Die Verwendung von Blühaspekten aus jeweils zwei<br />

oder drei Arten, die im Frühjahr, Sommer und Herbst die Pflanzung dominieren,<br />

ermöglicht die gewünschte Prägnanz. Mit der Ergänzung durch<br />

sogenannte „Begleiter“ werden die Pflanzungen dennoch artenreich und<br />

vielfältig. In meinen Pflanzungen haben die Aspektbildner einen Anteil von<br />

70–75 % an der Gesamtstückzahl, die Begleiter entsprechend einen Anteil<br />

bis zu 30 %. Mit dem „Prinzip der Aspektbildner“ lässt sich das Vegetationsbild<br />

bewusst herstellen.<br />

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88<br />

Abb. 43: Pflanzplan Riem, Verfasser LUZ Landschaftsarchitekten.<br />

Die Pflanzpläne unterscheiden sich vom „klassischen“ Pflanzplan. Statt<br />

vieler Symbole zur zeichnerischen Darstellung gibt es Erläuterungen zur<br />

Stückzahl je Quadratmeter der einzelnen Arten und Sorten. Außerdem gibt<br />

es Hinweise zur Pflanzweise und Vergemeinschaftung, eine ausführliche<br />

Einführung der ausführenden Firmen vor Ort und eine Überwachung der<br />

Ausführung.<br />

Abb. 44: Pläne Farbkonzept, Verfasser Mahl Landschaftsarchitekten.


„Parallele gärten“<br />

Staudenbänder<br />

Auf der Landesgartenschau Memmingen 2000 habe ich zusammen mit<br />

Hannes Mahl für die temporären Staudenpflanzungen einen anderen Ansatz<br />

der Verwendung ausprobiert. Hannes Mahl hatte im Eingangsbereich für<br />

die Stauden ein Prinzip der farbigen Streifen entwickelt. Wir kennen diese<br />

Anordnung bei den Wechselpflanzungen und erzielen damit kräftig wirksame<br />

Farbeffekte.<br />

Warum <strong>als</strong>o Stauden nicht wie Sommerblumen verwenden und auf ein<br />

und derselben Fläche im Frühjahr, Sommer und Herbst wechselnde Farben<br />

pflanzen? Die Aussteller, <strong>als</strong>o die Staudengärtner, waren zunächst sehr dagegen,<br />

da bekanntlich das Prinzip nach Hansen zur Verwendung der Stauden<br />

nach ihren Lebensbereichen hier nicht zur Anwendung kommt.<br />

Abb. 45: Streifen Tulpen – Sommerblumen. Foto: H. Luz.<br />

Aber letztendlich durften wir kreatives Denken testen. Das Gartenamt der<br />

Stadt Memmingen hat die ursprünglich nur für die Gartenschau angelegten<br />

Pflanzungen dann in die Daueranlagen übernommen.<br />

Für die Bundesgartenschau München 2005 habe ich vergleichbare<br />

Staudenstreifen im Ausstellungsbereich der „Parallelen Gärten“ geplant. Die<br />

Auswertung des Experimentes nach vier Jahren Standdauer der Pflanzung<br />

führt zu folgenden Erkenntnissen:<br />

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90<br />

temporärer charakter<br />

Im Riemer Park wachsen nach Ende der Bundesgartenschau 2005 in<br />

den „Parallelen Gärten“ auch Stauden üppig weiter, die für eine dauerhafte<br />

Pflanzung nicht vorgesehen waren. Die Pflanzungen der „Parallelen Gärten“<br />

waren für eine temporäre Pflanzung entwickelt. Die „Parallelen Gärten“<br />

hatten bereits bei der Planung zu temporären Pflanzungen vielfältige, teils<br />

divergierende Anforderungen zu erfüllen: die erste Forderung war, dass<br />

zur Bundesgartenschau 2005 ein eingewachsenes Pflanzbild zu zeigen ist.<br />

Zweitens strebte ich eine Ablesbarkeit des Parallelen in den Gärten auch<br />

bei den Staudenpflanzungen an. Drittens hegten die Ausstellungsgärtner<br />

den legitimen Wunsch ein möglichst großes Spektrum ihres Sortiments<br />

mit Neuheiten und Raritäten zu zeigen und für die letztlich gesponserten<br />

Pflanzen auch mit Medaillen ausgezeichnet zu werden. Gepflanzt wurde<br />

sehr dicht, da ja nach zwei Jahren alles wieder ausgegraben werden sollte.<br />

Zum Vierten gab das Farbkonzept vor, dass ganzjährig die gleichen Farben<br />

auf den einzelnen Teilflächen erscheinen sollten. Mitunter gelang dies nur<br />

in Kombinationen, welche die Ansprüche und den Ausbreitungsdrang der<br />

Pflanzen nicht berücksichtigten. Letztlich machten alle Beteiligten von<br />

ihren Vorstellungen, Forderungen und Wünschen Abstriche, die zumindest<br />

aus Sicht des Landschaftsarchitekten für den temporären Charakter tragbar<br />

waren. In der Weiterentwicklung der Staudenpflanzungen erwiesen sich<br />

diese Kompromisse jedoch <strong>als</strong> problematisch.<br />

Die Kompromisse während der Planungsphase gaben bereits während<br />

der Gartenschau Anlass zu durchaus nachvollziehbarer Kritik. Dazu trug<br />

auch Unverständnis über die planerischen Vorgaben bei, denn viele Stauden<br />

konnten nicht eindeutig den am Wettbewerb beteiligten Ausstellern zugeordnet<br />

werden, da einzelne Gärtnereien ihre Pflanzen beispielsweise der einheitlichen<br />

Blütenfarben wegen auf unterschiedlichen Pflanzstreifen verteilen<br />

mussten. Von mir gewählte Kombinationen wie beispielweise langsamwüchsige<br />

Pfingstrosen im Frühjahr mit dicht gepflanzten hohen Astern oder auch<br />

Gräsern <strong>als</strong> Farbaspekt des Herbstes können sich ohne größere Eingriffe<br />

nicht lange halten. Sie sind somit kein nachahmenswertes Beispiel für Gartenschaubesucher,<br />

die Anregungen für den eigenen Garten mit nach Hause<br />

nehmen wollten. Andere Kombinationen sind unter dem Aspekt der Dauerhaftigkeit<br />

im öffentlichen Grün durchaus fehl am Platze. Rittersporn ist <strong>als</strong><br />

Kindheits- wie Lehrzeiterinnerung (Farbe Blau, zweite Blüte zu meinem


Geburtstag, Kopfsteckling) einer meiner Staudenlieblinge, kann aber unter<br />

heutigen Bedingungen in einer städtischen Grünanlage wegen der hohen<br />

Ansprüche an die Pflege nicht mehr ernsthaft verwendet werden. Der hehre<br />

Wunsch nach Auffüllen entstandener Lücken durch Selbstaussaat kurzlebiger<br />

Stauden wie Gaura lindheimeri, aber auch Salvia-Arten und -Sorten will<br />

auch nicht so recht passen zu den Ansprüchen einzelner Beetstauden nach<br />

dem offen zu haltenden Boden. Das Bedrängen durch Gräser wie Panicum<br />

virgatum und Spodiopogon sibiricus wird von anspruchsvolleren Stauden wie<br />

Pfingstrosen oder Kniphofien ebenfalls nicht lange toleriert.<br />

In aufwändig gepflegten Staudenpflanzungen ist es nicht unbedingt<br />

notwendig, die Ansprüche der Stauden entsprechend ihren Lebensbereichen<br />

zum Maß aller Dinge der Pflanzenauswahl zu machen. So manches englisches<br />

Landhaus-Border wird auch nach der Kombination von Farbe und<br />

jeweiliger Blütezeit bepflanzt. Beachtet wird dabei allerdings auch die Entwicklung<br />

der einzelnen Pflanze im Laufe der Jahre, bei Bedarf kann umgepflanzt<br />

werden oder einzelne Stauden können neu miteinander kombiniert<br />

werden. Während des Blütenjahres kann ebenfalls ausgelichtet, zurückgeschnitten<br />

und pflegerisch korrigierend eingegriffen werden. All diese Tätigkeiten<br />

beherrscht ein anständiger Stadtgärtner auch heute noch, die Anwendung<br />

dagegen ist ihm aus Kostengründen dagegen so gut wie unmöglich.<br />

Zugespitzt könnte gelten, dass fachliche Pflege derzeit weitgehend untersagt<br />

ist. Einem Gärtner blutet natürlich das Herz, wenn raffiniert komponierte<br />

Pflanzungen wie im Riemer Park ohne eine einzige neue Planstelle in der<br />

Pflegeabteilung des Gartenbaus gepflegt werden müssen. Mit dem Riemer<br />

Park ist das öffentliche Grün in München dagegen um 170 ha gewachsen.<br />

Weder der Blick auf die Insel noch die Vorgeschichte der Staudenplanung<br />

in den „Parallelen Gärten“ und das Wissen um die Auswirkungen<br />

knapper Kassen sollen von eigenen Unzulänglichkeiten ablenken. Mit etwas<br />

Abstand lässt sich ein Fazit ziehen und sogar ein Ausblick auf weitere, vergleichbare<br />

Staudenpflanzungen wagen.<br />

Das Anordnen von Stauden in schmalen Beeten und parallelen Reihen<br />

ist im Mutterpflanzenquartier, teilweise auch in der Staudensichtung eine<br />

längst bewährte Pflanzweise. Zur Zeit der jeweiligen Blüte sind die Abschnitte<br />

im Mutterpflanzenquartier oder im Sichtungsgarten von höchster<br />

visueller Wirksamkeit. Dies, obwohl von jeder Art oder Sorte jeweils nur<br />

91


92<br />

kräftig<br />

wahrnehmbare<br />

Pfl anzenbilder<br />

wenige Exemplare aufgepfl anzt werden und damit nur kurze Abschnitte<br />

mit der gleiche Pfl anze entstehen. Nach dem Rückschnitt dagegen herrscht<br />

Leere. Teilweise ist der Zustand des Abgeblühten oder auch der Samenreife<br />

durchaus ansehnlich und könnte in ein Pfl anzenbild integriert werden. Die<br />

Pfl anzweise in schmalen Beeten und in Reihen lässt sich bei dauerhaften<br />

Pfl anzungen anwenden, wenn zurück geschnittene oder auch abgeblühte<br />

Stauden von später im Jahr blühenden Arten und Sorten „durchwachsen“<br />

werden. Auch unter Pfl egeaspekten ist dies eine überlegenswerte Pfl anzweise.<br />

Ohne Rückschnitt bleibt allerdings nur wenig Platz für die Pfl anzen des<br />

Sommers oder des Herbstes.<br />

Die Kombination von Blütenfarben zu kräftig wahrnehmbaren Pfl anzenbildern<br />

ist nichts Neues, auch wenn dies zunächst eher mit den Wechselpfl<br />

anzungen der Sommerblumenrabatten in Verbindung gebracht wird.<br />

Hier kommt es allerdings erst gar nicht zum Nebeneinander von Frühjahrsblühern<br />

mit sommer- oder herbstblühenden Arten und Sorten. Durch die<br />

Neubepfl anzung des Beetes im Laufe des Jahres ist ein gegenseitiges Tolerieren<br />

der dicht gepfl anzten Einjährigen über das Jahr hinweg nicht notwendig.<br />

Der Aspekt des dichten Pfl anzens lässt sich nicht ohne weiteres auf die<br />

ausdauernden (Beet-) Stauden übertragen. Keinesfalls erreichbar ist eine<br />

Vielfalt an Arten und Sorten, die unter dem Gesichtspunkt der kräftigen,<br />

bandartigen Farbwirkung zusammengestellt werden soll. Als „Ausweg“ ist<br />

gezieltes Weglassen eine mögliche Herangehensweise, ein farblich wirksamer<br />

Staudenstreifen kann dann allerdings aus allerhöchstens zwei Arten / Sorten<br />

für jede Jahreszeit zusammengepfl anzt werden.<br />

Abb. 46: Streifen längs. Foto: H. Luz. Abb. 47: Streifen quer. Foto: H. Luz.


Perspektivenwechsel<br />

Interessant für mich ist eine ganz besondere Erfahrung, die ebenfalls<br />

mit Wahrnehmung zu tun hat: in Längsrichtung erlebt der Betrachter die<br />

Streifen klar in ihrer Abgrenzung zueinander.<br />

Ganz anders dann der Perspektivenwechsel: in der Querrichtung ändert<br />

sich das Bild und in der perspektivischen Betrachtung entsteht doch wieder<br />

ein Bild von Verzahnung und Vergemeinschaftung.<br />

Abb. 48: Parallele Gärten. Foto: H. Luz.<br />

Mit meinen alten Kollegen bei den Staudengärtnern bin ich zwischenzeitlich<br />

wieder versöhnt. Das Konzept von Gilles Vexlard zu den so genannten<br />

„Parallelen Gärten“ gab nach meiner Meinung eine in zusammenhängenden<br />

Reihen gestaltete Staudenpflanzung vor. Auch die Maßstäblichkeit<br />

des gesamten Parks, in den sich die „Parallelen Gärten“ <strong>als</strong> räumlich abgegrenztes<br />

Element einfügen, machte es für mich notwendig, einzelne Streifen<br />

<strong>als</strong> Ganzes zu sehen und somit jeweils auf der ganzen Länge zusammenhängend<br />

mit der gleichen Staudenkombination zu bepflanzen. Die Form der<br />

parallelen Streifen sollte nicht gebrochen werden, indem im Abstand von<br />

wenigen Metern die Staudenarten, ihre Blütenfarbe und auch der Zeitpunkt<br />

der Blüte wechseln und damit ein kleinteilig sich änderndes Erscheinungsbild<br />

entsteht. Wiederum gilt es die Regel, dass die Farbe die Form bricht, zu<br />

beachten. Und weiter gilt es zu beachten, dass für ein harmonisches Vegeta-<br />

93


94<br />

Pflanzenverwendung<br />

braucht<br />

eine ordnung<br />

tionsbild die Dominanz einzelner Arten, der Aspektbildner, wichtig ist. In<br />

den Staudenstreifen prägen im Laufe des Gartenjahres nur 3–6 Arten das<br />

Erscheinungsbild.<br />

In den Staudenwiesen werden die wenigen Aspektbildner durch in der<br />

Stückzahl untergeordnete Begleitarten ergänzt. Insgesamt entsteht hier trotz<br />

Prägnanz eine vielfältige, wenn man so will naturnahe Staudenpflanzung.<br />

In meinen Planungen geht das so weit, dass die Verfärbung der krautigen<br />

Triebe und die Wirkung der Fruchtstände grundsätzlich in die Überlegungen<br />

miteinbezogen werden.<br />

Abb. 49: Lythrum und Salicaria und Nepeta<br />

sibirica. Foto: H. Luz.<br />

Abb. 50: Boltonia latisquama und Molinia altissima.<br />

Foto: H. Luz.<br />

Die Ausführungen zeigen auf: der Umgang mit Vegetation bedeutet<br />

nicht nur Pflanzenvielfalt und kann folglich nicht ausschließlich nach<br />

pflanzensoziologischen Kenntnissen und nach bestem gärtnerischem Wissen<br />

definiert werden. Ich meine, dass ein gestaltbezogenes Verständnis des<br />

Begriffes gleichberechtigt in die Pflanzenverwendung einbezogen werden<br />

muss. Pflanzenverwendung braucht eine Ordnung unter räumlichen<br />

Gesichtspunkten wie auch nach rein ästhetischen Kriterien. Das dauerhafte<br />

Erscheinungsbild hängt auf das Engste zusammen mit dem Umgang mit<br />

den Pflanzungen. Bei der Pflege scheiden sich bekanntlich die Geister, vom<br />

„gar nichts tun“ bis zum anderen Extrem des akkuraten Jätens, Häckelns,<br />

Stäbelns reicht die Palette. Ohne Pflege geht es grundsätzlich nicht, auch


Abb. 51: Geraniumwiese. Foto: H. Luz.<br />

weil ein Garten oder Park mit seinen Pflanzungen nie fertig ist. Also genügt<br />

es nicht nur einen Pflanzplan zu zeichnen und vor Ort die Pflanzung zu<br />

betreuen.<br />

Nach den Lebensbereichen lassen sich Pflanzengesellschaften zusammenstellen,<br />

die nach dem Etablieren der Pflanzen nach 2–3 Jahren durch<br />

simples Abmähen mit dem hoch eingestellten Rasenmäher oder dem Freischneider<br />

gepflegt werden. Diese Möglichkeit zur Pflege ist Voraussetzung<br />

dafür, das Stauden <strong>als</strong> flächige, die Bodendecke schließende Vegetation im<br />

öffentlichen Grün überhaupt noch verwendet werden.<br />

Abb. 52–54: Iris - Minzen - Wiese, 2003, 2005 und 2008. Foto: H. Luz.<br />

95


96<br />

ausführliches Pflegeleistungsverzeichnis<br />

Die Pflanzungen und ihr Erscheinungsbild, die ich im Berufsalltag bearbeite,<br />

werden auf Dauer mehr durch den Pflegegärtner geprägt denn durch<br />

Planung. Das heißt, wir brauchen die Zusammenarbeit mit einem fachkundigen<br />

Pfleger.<br />

Bis sich die Pflanzungen etabliert haben, ist der Pflegeaufwand höher<br />

und entspricht der allseits bekannten Fertigstellungs- und Entwicklungspflege.<br />

Diese sollte immer beauftragt werden, auch wegen der Besonderheit<br />

dass die Gewährleistung für Pflanzen bekanntlich mit dem Ende der beauftragten<br />

Pflege endet. Der 5-Jahres-Zeitraum für sonstige Gewährleistungen<br />

sollte auch für Pflanzen erreicht werden. Für uns ist dies eine Besondere<br />

Leistung, die an die Abnahme der Fertigstellungspflege und somit unseren<br />

Haftungsbeginn anschließt. Damit das vorgedachte Bild sich auch wirklich<br />

entwickelt, muss der Planer von Anfang an den Pflegegärtner betreuen und<br />

ein Verständnis für die Gestaltungsabsichten wecken. Nur einen Plan zu<br />

übergeben reicht beim Umgang mit Pflanzen nicht aus.<br />

Ein ausführliches Pflegeleistungsverzeichnis sollte zusammen mit<br />

„Regieanweisungen“, die die Gedanken der Planung dokumentieren, zu<br />

gleichrangigen Teilen eines Pflegekonzepts werden. Pflegekonzepte sollten<br />

regelmäßig selbstverständlicher Bestandteil eines Planungsauftrages sein –<br />

und nicht nur honoriert, sondern auch realisiert werden. Eine „Rekonstruktion“<br />

einer lange nicht gepflegten Pflanzung wird stets teurer.<br />

Abb. 55: Badesee Landschaftspark Riem, Winteraspekt 2008/2009. Foto: H. Luz


Veränderung ist etwas<br />

selbstverständliches<br />

Oder die Pflanzung muss eben entsorgt und damit ein Weniger an Qualität<br />

im öffentlichen Grün in Kauf genommen werden. In der beruflichen<br />

Praxis war das Erreichte nach mehreren Standjahren bei den ersten Staudenpflanzungen<br />

nach dem Prinzip der konsequenten Prägnanz noch nicht<br />

voll zufriedenstellend. Die Staudenpflanzungen im Riemer Park erweisen<br />

sich fünf Jahre nach der Pflanzung <strong>als</strong> dauerhafter <strong>als</strong> jene, die ich 1993 in<br />

Stuttgart angelegt habe.<br />

Die besondere Bodenvorbereitung für die Pflanzungen im Riemer Park<br />

und eine eher dichte Anpflanzung der Stauden mit 10–12 Stück /m² geht<br />

auf die Erkenntnis zurück, dass nach Ende einer beauftragten Fertigstellungs-<br />

und Entwicklungspflege die Unterhaltungspflege auf das absolute<br />

Minimum reduziert wird und bis dahin die Bodendecke absolut geschlossen<br />

sein sollte. Die wiesenartigen Pflanzungen sind auch 2008 <strong>als</strong> Gestalt<br />

bildendes Element im Park erhalten.<br />

Ziel für das Erscheinungsbild ist es, die Aspektbildner <strong>als</strong> Gerüst zu<br />

etablieren, ansonsten ist eine Veränderung und damit Entwicklung mit dem<br />

Verschwinden (z.B. Nepeta sibirica) und dominanter werden (z.B. Gräser)<br />

von einzelnen Begleitarten durchaus möglich. Auch das „Aufrücken“ eines<br />

Begleiters (Baptisia australis) zum Aspektbildner habe ich im Riemer Park<br />

bereits beobachten können. Eine Veränderung der Pflanzungen ist etwas<br />

Selbstverständliches und wird ebenso selbstverständlich von mir akzeptiert,<br />

sofern das Prinzip der Aspektbildner und damit das Erscheinungsbild der<br />

Pflanzung in etwa erhalten bleiben. Aus meiner Sicht gibt es sie <strong>als</strong>o auch<br />

im Umgang mit den Pflanzen: Die Notwendigkeit des scheinbar Nichtnotwendigen.<br />

97


lIteratur �����������������������������������������������������������������������������<br />

Die Literatur zum Thema Garten und Pflanzen umfasst etwa 10.000<br />

deutschsprachige Titel. Die von den Autoren dieses Themenheftes verwendete<br />

Literatur bildet nur einen sehr kleinen, besonders streng ausgewählten<br />

Ausschnitt der verfügbaren Quellen ab. Neben den Technischen Regelwerken<br />

erscheint für die Alltagspraxis des Landschaftsarchitekten folgende<br />

Literatur empfehlenswert:<br />

Unverzichtbare Literatur für die Handbibliothek<br />

BdB (Hrsg.), Text Kiermeier, P.: Handbuch Teil VIII Wildgehölze des mitteleuropäischen<br />

Raums, Pinneberg 1987<br />

Hansen, R. und Stahl, F.: Die Stauden und ihre Lebensbereiche in Gärten<br />

und Grünanlagen, Stuttgart 1990<br />

Hobhouse, P.: Farbe im Garten, Stuttgart 1986<br />

Jelitto/Schacht/Fessler: Die Freiland Schmuckstauden, Stuttgart, 4. Auflage<br />

1990<br />

Mader, G./Neubert-Mader, L.: Bäume, Stuttgart 1996<br />

Mader, G.: Gartenkunst des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 1999<br />

Warda, H.-D.: Das große Buch der Garten- und Landschaftsgehölze, Bad<br />

Zwischenahn 1998<br />

Oudolf, P.: Neues Gartendesign, Stuttgart 2000<br />

Weiterführende Fachliteratur<br />

Kühn, N.: Präriepflanzen in der Stadt, Teil 1–3, in Stadt+Grün, Heft 7–9,<br />

2005<br />

Schmidt, C.: Präriepflanzungen auf trockenen Böden, in Gartenpraxis<br />

Heft 5, Seite 32–39, 2003<br />

Schmidt, C.: Präriepflanzungen auf frischen Böden, in Gartenpraxis Heft 7,<br />

Seite 17–25, 2003<br />

99


100<br />

Schmidt, C.: Präriemischpflanzungen auf feuchten bis nassen Böden, in<br />

Gartenpraxis Heft 9, Seite 36–44, 2004<br />

Schmidt, C.: Präriestauden für den Gehölzrand, in Gartenpraxis Heft 1,<br />

Seite 50–57, 2005<br />

Wöhrle, R. E./Wöhrle, H.-J.: Entwurfselement Pflanze, Basel 2008<br />

Darüberhinaus für die Kapitel verwendete Literatur<br />

Keunecker, H.-O. (Hrsg.): Hortus Eystettensis, Erlangen 1989<br />

Foerster, K./ Peglow, U.: Freude und Ärger im Garten, Stuttgart 2001<br />

Foerster, K.: Lebende Gartentabellen, Berlin 1940<br />

Foerster, E./Rostin, G. (Hrsg.): Ein Garten der Erinnerung, Hamburg 2001<br />

Hobhouse, P.: Der Garten, eine Kulturgeschichte, München 2002<br />

Meyer, F. H.: Bäume in der Stadt, Stuttgart, 1978<br />

Quellen im Internet<br />

Gehölze<br />

www.bruns.de<br />

www.lve.de<br />

Rosen<br />

www.gartenrosen.de<br />

Stauden<br />

www.pflanzenversand-gaissmayer.de<br />

www.graefin-von-zeppelin<br />

www.foerster-stauden.de<br />

Bambus<br />

www.bambus.de<br />

Blumenzwiebeln<br />

www.gewiehs-blumenzwiebeln.de<br />

Rasen<br />

www.juliwa-hesa.de


IldnachweIs �����������������������������������������������������������������������<br />

101<br />

Fotografien<br />

Ulrich Franke: Abb. 6<br />

Bendfeldt • Herrmann • Franke Landschaftsarchitekten, Kiel – Schwerin:<br />

Abb. 4<br />

Astrid Neussel: Abb. 3<br />

Klaus-Dieter Bendfeldt: Abb. 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20,<br />

21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29<br />

Heiner Luz: Abb. 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46,<br />

47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55<br />

Erich Spiegelhalter/STG: Abb. 31<br />

Grafik, Diagramm, Plan<br />

Ulrich Franke: Abb. 1, 2, 5<br />

Abbildungen aus dem Internet<br />

www.marthaschwartz.com, vom 17. 03.2009 (Abb. 7)


oceano Verlag € 29,90

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