01.12.2014 Aufrufe

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Personales <strong>Vertrauen</strong><br />

Es ist diese Beson<strong>der</strong>heit von <strong>Vertrauen</strong>, sich auf e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Person e<strong>in</strong>zulassen, ohne<br />

das Ergebnis exakt vorausberechnen zu können (vgl. auch Münch 1998). Damit unterscheidet sich<br />

<strong>Vertrauen</strong> gerade von e<strong>in</strong>er unreflektierten Vertrautheit <strong>in</strong> vormo<strong>der</strong>nem S<strong>in</strong>ne, als die<br />

Gewohnheit zugleich die Unumgänglichkeit darstellte. <strong>Vertrauen</strong> lässt sich auch nicht mit dem<br />

kalkulierten Systemvertrauen vergleichen, welches e<strong>in</strong> Kennzeichen mo<strong>der</strong>ner Gesellschaften<br />

war (vgl. Preisendörfer 1995, 270). Die These dabei war, dass Systeme positional e<strong>in</strong>schätzbar se<strong>in</strong><br />

müssen, um <strong>in</strong> ihrer Komplexität gesteigert werden zu können, <strong>und</strong> gerade wegen ihrer<br />

Beständigkeit e<strong>in</strong>e Plattform für Zutrauen bieten sollen. „Echtes“ <strong>Vertrauen</strong> 83 wird (o<strong>der</strong> war<br />

schon immer) reflexives, eigen<strong>in</strong>teressiertes <strong>und</strong> personales <strong>Vertrauen</strong>, welches gerade dadurch<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> drohenden postmo<strong>der</strong>nen Hyperflexibilität zur Bewältigungsstrategie werden kann. „Mit<br />

<strong>der</strong> Auflösung von bürokratisch strukturierten Großorganisationen gew<strong>in</strong>nt <strong>Vertrauen</strong> e<strong>in</strong>e<br />

an<strong>der</strong>sartige, vor allem aber noch größere Bedeutung. Es stellt die entscheidende Gr<strong>und</strong>lage für<br />

die notwendige Kooperation dar... . In diesem Zusammenhang gew<strong>in</strong>nt die <strong>Vertrauen</strong>sbildung<br />

auf persönlicher Ebene wie<strong>der</strong> an Bedeutung gegenüber e<strong>in</strong>er Gesellschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Vertrauen</strong><br />

hochgradig an Institutionen <strong>und</strong> Organisationen <strong>und</strong> die Mitgliedschaft <strong>in</strong> ihnen geb<strong>und</strong>en war.<br />

Personales <strong>Vertrauen</strong> wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen Gesellschaft zu e<strong>in</strong>em Projekt, an dem alle<br />

beteiligten Akteure arbeiten müssen“ (Heisig 1997, 150).<br />

<strong>Vertrauen</strong> ist die generalisierte Erwartung, dass <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e se<strong>in</strong>e Freiheit nicht im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>er ihm dargebotenen Anreizstruktur handhabt, son<strong>der</strong>n im S<strong>in</strong>ne se<strong>in</strong>er Persönlichkeit<br />

fortsetzen wird. Se<strong>in</strong>e Persönlichkeit ist dann das, was er als die se<strong>in</strong>e dargestellt <strong>und</strong> sozial<br />

sichtbar gemacht hat, <strong>und</strong> vertrauenswürdig ist <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> bei dem bleibt, was er bewusst<br />

o<strong>der</strong> unbewusst über sich selbst mitgeteilt hat (vgl. Luhmann 1989, 40f).<br />

Das entscheidende Merkmal von <strong>Vertrauen</strong> ist damit das gegenseitige Sich-Abstimmen<br />

über die Erwartung, wie <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e se<strong>in</strong>e Freiheit handhaben wird <strong>und</strong> <strong>in</strong>wiefern man selbst<br />

sich auf ihn als Person verlassen kann. Und es ist genau dieser Begriff des „Sich-Verlassen“,<br />

<strong>der</strong> das Beson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> <strong>Vertrauen</strong>ssituation ausmacht: Ich verlasse mich selbst – auf dich, <strong>in</strong>dem<br />

ich dir die Freiheit lasse, de<strong>in</strong>e Selbstdarstellung mir gegenüber fortzusetzen.<br />

Genau <strong>in</strong> diesem Moment wird <strong>Vertrauen</strong> dann zu dem Spielraum, <strong>der</strong> dem An<strong>der</strong>en<br />

die Freiheit se<strong>in</strong>er Handlungsalternativität zubilligt. Es geht also nicht darum, den an<strong>der</strong>en nur<br />

als Mittel zu gebrauchen, um e<strong>in</strong> konkretes vordef<strong>in</strong>iertes Ziel zu erreichen. Aber gerade dies<br />

83 Wenn teilweise von „echtem“ o<strong>der</strong> „re<strong>in</strong>em“ <strong>Vertrauen</strong> die Rede ist, ist nicht geme<strong>in</strong>t, dass es auch unechtes<br />

o<strong>der</strong> unre<strong>in</strong>es <strong>Vertrauen</strong> gibt, die Unterscheidung <strong>in</strong> dieser Arbeit def<strong>in</strong>iert sich über den Dreischritt: Vertrautheit<br />

– Zutrauen – <strong>Vertrauen</strong>, welche nicht per se im alltäglichen Sprachgebrauch so verfügbar ist.<br />

99

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!