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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Instanz, die dieses <strong>Vertrauen</strong> willentlich auf sich nimmt <strong>und</strong> sich dadurch auch verantwortlich<br />

macht“ (Junge 1998, 52). O<strong>der</strong> wie es Luhmann schlicht <strong>und</strong> prägnant ausdrückt: „E<strong>in</strong>em<br />

Souverän kann man nicht vertrauen“ (1989, 60).<br />

Das soll nicht heißen, dass man e<strong>in</strong>em Souverän nicht etwas zutrauen kann. Man kann<br />

sehr wohl e<strong>in</strong>em Herrscher zutrauen, dass er e<strong>in</strong>e politische Entscheidung treffen wird, welche<br />

e<strong>in</strong>en selbst <strong>in</strong> Konsequenz besser stellen könnte 80 . Das ist wohl auch e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>, warum man<br />

zur Wahl geht. Letztlich bleibt es aber e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fach kont<strong>in</strong>gente Situation, die (begrenzt)<br />

parametrisch entschieden werden kann 81 . In e<strong>in</strong>er doppelt kont<strong>in</strong>genten Situation versuchen<br />

beide Akteure, sich e<strong>in</strong> Bild vom an<strong>der</strong>n zu machen, <strong>in</strong>klusive ihres eigenen Bildes von sich<br />

selbst, um dann <strong>Vertrauen</strong> zu schenken – o<strong>der</strong> nicht.<br />

Die Gr<strong>und</strong>lage, <strong>Vertrauen</strong> zu schenken unter Ungewissheit, ohne vertraglich<br />

kodifizierte Regelung, ohne sachliche o<strong>der</strong> zeitliche Konkretisierung <strong>und</strong> ohne funktionale<br />

Kontrolläquivalente, setzt geradezu auf die Freiheit des an<strong>der</strong>en als Voraussetzung für die<br />

Reziprozität <strong>der</strong> Beziehung. <strong>Vertrauen</strong> baut sich dann auf über die wechselseitige Entwicklung<br />

von Verhaltenserwartungen, die nicht enttäuscht werden. Damit nimmt e<strong>in</strong>e Beziehung unter<br />

<strong>Vertrauen</strong> die Form e<strong>in</strong>es sozialen Tauschs an: „Im Unterschied zum <strong>in</strong> allen se<strong>in</strong>en Momenten<br />

e<strong>in</strong>deutig geregelten <strong>und</strong> verrechtlichten ökonomischen Tausch stellt <strong>der</strong> soziale Tausch e<strong>in</strong>e<br />

wesentlich flexiblere <strong>und</strong> auf die unmittelbare Kooperationsfähigkeit <strong>und</strong> –bereitschaft<br />

abstellende soziale Integration dar. Der soziale Tausch vollzieht sich als e<strong>in</strong> Spiel von Gabe<br />

<strong>und</strong> Gegengabe, an dem beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Aspekt <strong>der</strong> Freiheit zu betonen ist“ (Gondek et al. 1992, 38,<br />

kursiv im Orig.). Unter dieser Perspektive schließt sich dann auch e<strong>in</strong>e Motivation über gezielte<br />

Anreize aus, da konkrete Anreize die <strong>Vertrauen</strong>sbeziehung wie<strong>der</strong>um auf e<strong>in</strong>e Ebene <strong>der</strong><br />

Macht- <strong>und</strong> Kontrollbeziehung stellen würden. Das Merkmal von <strong>Vertrauen</strong> ist es gerade, nicht<br />

auf <strong>der</strong> Ausnutzung von Machtasymmetrien zu beruhen (vgl. Sjurts 1998, 289) <strong>und</strong> nicht auf se<strong>in</strong>e<br />

unmittelbare Funktionalität reduzierbar zu se<strong>in</strong>.<br />

Begründungslogik<br />

So wie es ke<strong>in</strong>e Begründungstheorie <strong>der</strong> Moral geben kann, weil die Paradoxie dar<strong>in</strong><br />

liegt, e<strong>in</strong> moralisches Urteil mit diskursiven Mitteln „absichern“ zu wollen (vgl. Schmidt 1999), so<br />

80 O<strong>der</strong> im S<strong>in</strong>ne von Coleman: ich kann diesem Herrscher sehr wohl e<strong>in</strong>seitig Kontrollrechte über mich<br />

übertragen.<br />

81 Auch <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Souveränität ist empirisch selten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>form anzutreffen. Natürlich hat auch e<strong>in</strong><br />

Herrscher e<strong>in</strong> Interesse an se<strong>in</strong>em Machterhalt <strong>und</strong> ist <strong>in</strong>sofern von se<strong>in</strong>en Untergebenen abhängig. Er wird aber<br />

se<strong>in</strong>e Entscheidungen nicht maßgeblich davon abhängig machen, ob ihm vertraut wird, da er ggf. se<strong>in</strong>e Interessen<br />

auch mit Macht <strong>und</strong> Gewalt durchsetzen kann.<br />

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