01.12.2014 Aufrufe

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Im folgenden Abschnitt gilt es daher herauszuarbeiten, <strong>in</strong>wieweit das Bewusstse<strong>in</strong> über<br />

die Nicht-Kalkulierbarkeit von Situationen dennoch (o<strong>der</strong> gerade deshalb) zu e<strong>in</strong>er Kategorie<br />

für <strong>Vertrauen</strong> werden kann.<br />

Hierbei gehe ich von folgen<strong>der</strong> These aus: In Situationen e<strong>in</strong>facher Kont<strong>in</strong>genz muss<br />

ich aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> verfügbaren Informationen e<strong>in</strong>e Entscheidung treffen. Diese Entscheidung<br />

fokussiert die Motivationsstruktur des an<strong>der</strong>en <strong>und</strong> es bleibt me<strong>in</strong>e Entscheidung, ob ich<br />

demjenigen zutraue, dass er entsprechend handelt o<strong>der</strong> nicht. Situationen, welche doppelt<br />

kont<strong>in</strong>gent kodiert s<strong>in</strong>d, müssen mit <strong>der</strong> Konzeption genu<strong>in</strong>er Ungewissheit umgehen. Jede<br />

Rationalität kann daher nur begrenzte Rationalität se<strong>in</strong>, <strong>und</strong> die Komplexität <strong>der</strong> Situation lässt<br />

sich nicht mehr nur über re<strong>in</strong>e Nutzenmaximierung reduzieren. <strong>Vertrauen</strong> wird damit zu e<strong>in</strong>er<br />

Entscheidung unter Ungewissheit <strong>in</strong> doppelt kont<strong>in</strong>genten Situationen.<br />

Begrenzte Rationalität<br />

Kont<strong>in</strong>gent, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Semantik von Luhmann, ist alles, was nicht notwendig <strong>und</strong> nicht<br />

unmöglich ist. Wenn man nun als Ausgangspunkt menschlichen Handelns die Existenz des<br />

Sozialen zugunsten e<strong>in</strong>er pr<strong>in</strong>zipiell rationalistischen F<strong>und</strong>ierung 79 auflöst, so entsteht letztlich<br />

e<strong>in</strong>e Situation vollkommener Kont<strong>in</strong>genz, <strong>in</strong> <strong>der</strong> alles möglich ist, aber deshalb auch alles <strong>in</strong><br />

Frage gestellt werden muss <strong>und</strong> letztlich nichts mehr entschieden werden kann. In diesem<br />

S<strong>in</strong>ne argumentiert Kappelhoff (1992), dass jede re<strong>in</strong> rationalistische Theorie immer nur <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em sozialen Rahmen anwendbar ist bzw. diesen implizit voraussetzt. Ansonsten ist das<br />

Soziale, als das Ganze, nicht mehr das „Mehr“ se<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen Teile, son<strong>der</strong>n verbleibt als die<br />

Summe <strong>der</strong> Aggregate – bspw. von Ressourcen <strong>und</strong> Interessen. „E<strong>in</strong>e Theorie rationalen<br />

Handelns, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Rationalität ihre Grenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> gegebenen Ressourcen-verteilung f<strong>in</strong>det,<br />

vertritt sicher nur e<strong>in</strong>e halbierte Rationalität, <strong>in</strong> <strong>der</strong> das kritisch reflexive Potential<br />

menschlicher Vernunft nicht h<strong>in</strong>reichend berücksichtigt wird“ (ebd. 224). Die Limitierung <strong>der</strong><br />

Rationalität, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em temporär nicht bezweifelten Rahmen, wird damit zu e<strong>in</strong>er notwendigen<br />

Voraussetzung für die Überw<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>er pr<strong>in</strong>zipiell rationalistischen Reizüberflutung. „Von<br />

daher s<strong>in</strong>d alle Theorien rationalen Handelns notwendig Theorien beschränkter Rationalität“<br />

(ebd. 226, kursiv im Orig.).<br />

Auch Z<strong>in</strong>tl (1993) argumentiert, dass es bei e<strong>in</strong>er ökonomischen Analyse e<strong>in</strong>es sozialen<br />

Gegenstandes wie <strong>Vertrauen</strong> unvermeidlich ist, implizite Modifikationen <strong>der</strong> Annahmen<br />

vorzunehmen. Unter re<strong>in</strong> egoistischen, nutzenmaximierenden Akteuren käme es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt,<br />

79 ...e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividualistisch rationalistischen Gr<strong>und</strong>legung des Sozialen schlechth<strong>in</strong>.<br />

95

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!