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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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(1991, 132f) das Anbahnen e<strong>in</strong>er Fre<strong>und</strong>schaftsbeziehung unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen: Zu Beg<strong>in</strong>n<br />

e<strong>in</strong>er solchen Beziehung wird <strong>der</strong> erwartete Gew<strong>in</strong>n vergleichsweise hoch angesetzt, wogegen<br />

<strong>der</strong> Verlust bei e<strong>in</strong>er Enttäuschung recht ger<strong>in</strong>g ersche<strong>in</strong>t. So gelten Versprechungen unter<br />

Alkohol auf e<strong>in</strong>e Party vergleichsweise wenig, <strong>und</strong> sich zu viel „Gew<strong>in</strong>nerwartung“ gemacht<br />

zu haben, fällt eher auf e<strong>in</strong>en selbst zurück, als dass man es dem An<strong>der</strong>en ernsthaft zum<br />

Vorwurf machen könnte. Je länger jedoch Zeit, Mühe <strong>und</strong> Geheimnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Fre<strong>und</strong>schaft<br />

<strong>in</strong>vestiert werden, desto „teurer“ wird <strong>der</strong> <strong>Vertrauen</strong>sbruch. Der mögliche Schaden wächst<br />

damit schneller, als <strong>der</strong> relevante Gew<strong>in</strong>n, was nun über die gestiegene <strong>Vertrauen</strong>swürdigkeit<br />

wett gemacht werden muss. E<strong>in</strong>em Hochstapler dagegen schenkt man deswegen leichter<br />

<strong>Vertrauen</strong>, weil er das Ausmaß des möglichen Verlustes zugunsten des möglichen Gew<strong>in</strong>ns<br />

manipuliert.<br />

Coleman zieht drei empirische Schlussfolgerungen aus se<strong>in</strong>em Modell (ebd. 134):<br />

Erstens, dass Personen, denen potentielle Fre<strong>und</strong>e fehlen, wahrsche<strong>in</strong>lich sehr viel<br />

bereitwilliger <strong>Vertrauen</strong> vergeben <strong>und</strong> viel weniger Zeit benötigen, um <strong>Vertrauen</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

potentiellen Fre<strong>und</strong> zu setzen, als Personen, die viele potentielle Fre<strong>und</strong>e haben können. Dazu<br />

gehört auch das Überschätzen von <strong>Vertrauen</strong>swürdigkeit bei hohen Gew<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> begründet,<br />

warum so viele Leute Lotto spielen. Zweitens ermöglicht diese Schlussfolgerung Schw<strong>in</strong>dlern<br />

e<strong>in</strong> reiches Betätigungsfeld, <strong>in</strong>dem sie hohe Gew<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> Aussicht stellen. Und drittens ließe<br />

sich damit erklären, warum bei Rennbahnwetten zu viel auf Außenseiter <strong>und</strong> zu wenig auf<br />

Favoriten gesetzt wird. 75<br />

Die Kritik an Coleman <strong>und</strong> die Grenzen <strong>der</strong> Kalkulation von Risiko<br />

Coleman geht es um die Interdependenzen von Handlungen zwischen den beteiligten<br />

Akteuren. Im Wesentlichen beschränkt er sich dabei auf die strukturelle Abhängigkeit <strong>und</strong><br />

damit auf parametrische Rationalität. 76 , d.h., die Akteure handeln unabhängig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

maximieren ihren Nutzen unabhängig von den Handlungen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Akteure (vgl. u.a. Junge<br />

1998, Münch 1998, Kappelhoff 1992). Der Akteur geht eher von e<strong>in</strong>er fixen als von e<strong>in</strong>er reaktiven<br />

Umwelt aus. Auf diese Art kommen typischerweise Marktpreise durch kollektive Prozesse<br />

75 Coleman führt noch wesentlich mehr Beispiele an, welche <strong>in</strong> ihrer Logik bestechend s<strong>in</strong>d. Auch das 8. Kapitel,<br />

<strong>in</strong> welchem es um <strong>Vertrauen</strong>ssysteme mit ihren dynamischen Eigenschaften auf <strong>der</strong> Makroebene geht, setzt an<br />

diesen M<strong>in</strong>imalbed<strong>in</strong>gungen an, aber br<strong>in</strong>gt eigentlich nichts wesentlich Neues, da es sich jeweils nur um die<br />

Aggregation von E<strong>in</strong>zelhandlungen handelt, die <strong>in</strong> ihrer Komb<strong>in</strong>ation ja gerade ke<strong>in</strong>e emergenten Eigenschaften<br />

auf <strong>der</strong> Makroebene verursachen dürfen.<br />

76 Coleman benutzt die Term<strong>in</strong>ologie von James Friedman (1977) wonach es strukturelle Interdependenzen,<br />

Verhaltens<strong>in</strong>terdependenzen <strong>und</strong> evolutionäre Interdependenzen gibt (vgl. Coleman 1991, 36f).<br />

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