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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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vertraut man den Auswahlkriterien, se<strong>in</strong>em ges<strong>und</strong>en Menschenverstand o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fach dem<br />

Bewerber. Die riskante Vorleistung besteht dar<strong>in</strong>, diesen e<strong>in</strong>en Bewerber anstelle <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

e<strong>in</strong>zustellen <strong>und</strong> ggf. noch über e<strong>in</strong>e bestimmte Frist e<strong>in</strong>zuarbeiten, <strong>und</strong> das Risiko ist die<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass sich <strong>der</strong> Bewerber als nicht vertrauenswürdig erweist.<br />

In e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>art def<strong>in</strong>ierten Situation ist nun m.E. Zutrauen erfor<strong>der</strong>lich. Unter den<br />

Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fach kont<strong>in</strong>genten Situation, <strong>in</strong> welcher e<strong>in</strong> Treugeber die Entscheidung<br />

trifft, ob er, nach Prüfung aller für ihn verfügbaren Parameter, dem Treuhän<strong>der</strong> „<strong>Vertrauen</strong>“<br />

schenkt o<strong>der</strong> nicht, erfor<strong>der</strong>t Zutrauen, im Gegensatz zur Zuversicht im letzten Abschnitt <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong> Abgrenzung zu „re<strong>in</strong>em“ <strong>Vertrauen</strong> im folgenden Abschnitt.<br />

Der nicht unumstrittene Ansatz von James Coleman (1991) br<strong>in</strong>gt diese Überlegungen,<br />

welche e<strong>in</strong> Akteur angesichts <strong>der</strong> Entscheidung, e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en etwas zuzutrauen o<strong>der</strong> nicht,<br />

anstellt, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er handlungstheoretischen Perspektive zum Ausdruck. Coleman redet dabei von<br />

<strong>Vertrauen</strong>sbeziehungen <strong>und</strong> def<strong>in</strong>iert <strong>Vertrauen</strong> ausschließlich als e<strong>in</strong>e Entscheidung unter<br />

Risiko – nicht e<strong>in</strong>e Entscheidung unter Ungewissheit o<strong>der</strong> Nichtwissen. Im folgenden<br />

Abschnitt werde ich darauf verzichten, jedes Mal den Begriff <strong>Vertrauen</strong> durch Zutrauen zu<br />

ersetzen, letztlich wird diese Differenz m.E. auch erst dann klar, wenn es um die Kritik an<br />

diesem Ansatz <strong>und</strong> die Erweiterung des <strong>Vertrauen</strong>sbegriffs geht.<br />

Colemans Konzept des Zutrauens<br />

Das Gefangenendilemma (Kapitel 2) war die Antwort auf e<strong>in</strong>e klassisch<br />

funktionalistische o<strong>der</strong> kultursoziologische Perspektive mit ihrem „oversocialized concept of<br />

man“ (Junge 1998, 34f), <strong>in</strong> <strong>der</strong> das Problem e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen Entscheidung weitgehend durch<br />

Sozialisation <strong>und</strong> Normierung entschärft wurde. Allerd<strong>in</strong>gs war im s<strong>in</strong>gle-shot<br />

Gefangenendilemma die vertrauensvolle Kooperation irrational, da die rational dom<strong>in</strong>ante<br />

Strategie auf jeden Fall das Misstrauen war. Kooperation wurde nur unter <strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>es<br />

wie<strong>der</strong>holten Gefangenendilemmas rational, aber auch nur dann, wenn es e<strong>in</strong>e unendliche<br />

Wie<strong>der</strong>holung war, resp. wenn die Spieler ke<strong>in</strong>e vollständigen Informationen über den<br />

möglichen letzten Spielzug hatten. Damit war die Unwissenheit über das Spielende e<strong>in</strong><br />

möglicher Weg, Kooperationsbereitschaft zu erhöhen, ohne jedoch e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>deutigen<br />

Gleichgewichtspunkt e<strong>in</strong>er speziellen Strategie zu gewährleisten. Alle diese Modelle stellen<br />

damit lediglich e<strong>in</strong>e umgebungsspezifische Relativierung von Rationalität dar, wogegen sich<br />

Coleman abgrenzen will (vgl. Junge ebd.).<br />

Ausgangspunkte <strong>der</strong> rationalistischen Kerntheorie s<strong>in</strong>d, wie bereits erwähnt, rationale<br />

Akteure, die über e<strong>in</strong>e bestimmte Ressourcenausstattung verfügen <strong>und</strong> diese Ressourcen<br />

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