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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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„legitimerweise“ als „situatives Pech“ bezeichnen darf, weil er zuversichtlich gehandelt hat,<br />

o<strong>der</strong> ob er se<strong>in</strong>e Tat bereuen muss, weil e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Alternative besser gewesen wäre.<br />

<strong>Vertrauen</strong> wird folglich dann benötigt, wenn das schlechte Ergebnis e<strong>in</strong>em klar machen könnte,<br />

dass man die falsche Wahl getroffen hat. Situationen die confidence verlangen, können unter<br />

dieser Perspektive auch gefährlich werden, risikoreiche Situationen jedoch erfor<strong>der</strong>n die<br />

Überlegung, sich auf sie e<strong>in</strong>zulassen – <strong>und</strong> dies erfor<strong>der</strong>t trust. 67<br />

<strong>Vertrauen</strong>, im S<strong>in</strong>ne von Luhmann, liegt nur dann vor, wenn es die vertrauensvolle<br />

Erwartung ist, die den Ausschlag bei <strong>der</strong> Entscheidung gibt. „<strong>Vertrauen</strong> bezieht sich also stets<br />

auf e<strong>in</strong>e kritische Alternative, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> Schaden beim <strong>Vertrauen</strong>sbruch größer se<strong>in</strong> kann, als<br />

<strong>der</strong> Vorteil, <strong>der</strong> aus dem <strong>Vertrauen</strong>serweis gezogen wird“ (<strong>der</strong>s. 1989, 24).<br />

Systemvertrautheit<br />

<strong>Vertrauen</strong> <strong>und</strong> Vertrautheit s<strong>in</strong>d für Luhmann komplementäre Mittel <strong>der</strong> Absorption<br />

von Komplexität <strong>und</strong> gehören zusammen wie Vergangenheit <strong>und</strong> Gegenwart. Er stellt hierzu<br />

fest: „Vertrautheit ist die Voraussetzung für <strong>Vertrauen</strong> wie für Misstrauen“ (1989, 19).<br />

Je komplexer <strong>und</strong> variabler <strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Zeit e<strong>in</strong>e Sozialordnung wird, desto mehr<br />

verliert sie jedoch den Charakter <strong>der</strong> Selbstverständlichkeit – <strong>der</strong> Vertrautheit. Aus <strong>der</strong><br />

Komplexität <strong>der</strong> Sozialordnung selbst ergibt sich e<strong>in</strong> gesteigerter Koord<strong>in</strong>ationsbedarf, e<strong>in</strong><br />

Bedarf für die Festlegung <strong>der</strong> Zukunft, d.h. „e<strong>in</strong> Bedarf für <strong>Vertrauen</strong>, das nun immer weniger<br />

durch Vertrautheit gestützt werden kann“ (ebd. 21).<br />

<strong>Vertrauen</strong> unter vormo<strong>der</strong>nen Bed<strong>in</strong>gungen war ausschließlich lokal bed<strong>in</strong>gtes,<br />

persönliches <strong>Vertrauen</strong>. Diese Konzeption e<strong>in</strong>er vertrauten Gesellschaft unterlag jedoch e<strong>in</strong>er<br />

normativen Integration, <strong>und</strong> <strong>der</strong> als harmonisch empf<strong>und</strong>ene Zusammenhang e<strong>in</strong>er<br />

gesellschaftlichen Geme<strong>in</strong>schaft „suggerierte e<strong>in</strong>e gesellschaftsweite Reziprozität, die sich<br />

faktisch letztlich auf die Reziprozität funktionaler, je teilsystemspezifischer Erwartungen<br />

bezieht“ (Nassehi 1995, 453). Immer dann, wenn durch Vertrautheit e<strong>in</strong>e Situation als vertraut<br />

behandelt wird, muss dies faktisch ke<strong>in</strong>eswegs bedeuten, dass es ke<strong>in</strong>e Fremdheit mehr gibt.<br />

Das Herstellen von Vertrautheit behandelt lediglich Situationen als vertraut, die letztlich alles<br />

an<strong>der</strong>e als vertraut se<strong>in</strong> müssen. 68 Und es ist <strong>der</strong> Übergang zur Mo<strong>der</strong>ne, <strong>der</strong> daraufh<strong>in</strong> deutlich<br />

macht, dass mo<strong>der</strong>ne Gesellschaften vielmehr durch Differenz als durch Identität geprägt s<strong>in</strong>d,<br />

67 Auch für Gambetta (1988) wird confidence bei Luhmann zu e<strong>in</strong>er Art von bl<strong>in</strong>dem <strong>Vertrauen</strong>, so dass es eher<br />

hoffen als vertrauen ist.<br />

68 Nassehi verweist bspw. auf nationalistische E<strong>in</strong>schluss-Semantiken o<strong>der</strong> Massenloyalität durch autoritäre<br />

Herrschaft (vgl. 1995, 453).<br />

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