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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Entscheidungen s<strong>in</strong>d. Das Schicksal ist nicht mehr alle<strong>in</strong> schuld, <strong>und</strong> auch die Religion verliert<br />

ihre Überzeugungskraft, auf alle Fragen e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Antwort geben zu können.<br />

Entscheiden kann man nur, wenn <strong>und</strong> soweit nicht feststeht, was geschehen wird. „Und beides<br />

hängt offenbar zusammen: die Entscheidungsabhängigkeit künftiger Zustände <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bruch<br />

<strong>der</strong> Se<strong>in</strong>skont<strong>in</strong>uität von Vergangenheit <strong>und</strong> Zukunft“ (Luhmann 1992, 136). Risiken betreffen<br />

dann mehr o<strong>der</strong> weniger wahrsche<strong>in</strong>liche, aber dennoch mögliche Schäden, welche nicht<br />

e<strong>in</strong>treten würden, träfe man e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Entscheidung. „Von Risiken spricht man also nur,<br />

wenn <strong>und</strong> soweit Folgen auf Entscheidungen zugerechnet werden“ (ebd. 142). 65<br />

Der Unterschied zwischen Vertrautheit (familiarity) gegenüber <strong>Vertrauen</strong> (i.S.v.<br />

confidence <strong>und</strong> trust) lässt sich nach Luhmann wie folgt verstehen: Vertrautheit geht von e<strong>in</strong>er<br />

Asymmetrie zwischen vertrauten <strong>und</strong> unvertrauten Bereichen aus <strong>und</strong> überzieht sie mit<br />

Vertrautheit. Das Unvertraute bleibt nicht nur verborgen, es <strong>in</strong>teressiert gar nicht. „There is no<br />

need for conscious self-reflection: one is familiar, not unfamiliar, with oneself” (1988, 99). Diese<br />

Vertrautheit beruht gr<strong>und</strong>legend auf dem Kontext von Geme<strong>in</strong>schaft, <strong>in</strong> Form von familiären<br />

<strong>und</strong> persönlichen Beziehungen. In Geme<strong>in</strong>schaften mit stabiler Ordnung herrscht <strong>Vertrauen</strong> als<br />

Vertrautheit aufgr<strong>und</strong> fester Gewohnheiten, als sicher geltende Erwartung, dass alles so bleibt<br />

wie es ist (vgl. Heisig 1997, 125f).<br />

Confidence, bei Luhmann, realisiert die Situationen zwar als kont<strong>in</strong>gent <strong>und</strong> gefährlich,<br />

verbleibt aber dennoch im Bereich <strong>der</strong> Vertrautheit. Unter dieser Perspektive könnte<br />

confidence als Zutrauen übersetzt werden, wie es von e<strong>in</strong>igen Autoren gemacht wird (vgl. F<strong>und</strong>er<br />

1999, Heisig 1997). M.E. trifft aber <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Zuversicht genauer zu, <strong>und</strong> zwar im S<strong>in</strong>ne von<br />

zuversichtlich se<strong>in</strong> <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>er vertrauten Situation zutrauen, dass sie so bleibt, wie man es<br />

erwartet. Diese Zuversicht ist nicht mehr ganz so „naiv“ wie die Vertrautheit gegenüber <strong>der</strong><br />

Welt, aber sie zieht auch nicht ernsthaft die Alternativen für das eigene Handeln <strong>in</strong> Betracht. Es<br />

handelt sich um e<strong>in</strong>en „riskierten Verzicht auf mögliche weitere Informationen“ (Luhmann 1989,<br />

23). Ohne diese Zuversicht könnte man nicht leben, weil die unzähligen Möglichkeiten des<br />

Scheiterns e<strong>in</strong>en dah<strong>in</strong> führen würden, sämtliche Erwartungen ohne Ersatz zurückzuziehen <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Status permanenter Ungewissheit zu leben. „You are confident that your expectations<br />

will not be disappo<strong>in</strong>ted: that politicians will try to avoid war, that cars will not break down or<br />

suddenly leave the street and hit you on your S<strong>und</strong>ay afternoon walk. ... If you do not consi<strong>der</strong><br />

alternatives (every morn<strong>in</strong>g you leave the house without a weapon!), you are <strong>in</strong> a situation of<br />

confidence” (Luhmann 1988, 97).<br />

65 „Wir gehören nicht mehr zu jenem Geschlecht <strong>der</strong> tragischen Helden, die, nachträglich jedenfalls, zu erfahren<br />

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