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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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das <strong>in</strong> Verwandtschafts- <strong>und</strong> Rollensystemen aufgebaute Sozialwesen – <strong>und</strong> solange <strong>der</strong> Gast<br />

hier ke<strong>in</strong>e reziproke Erwartbarkeit erlangte, blieb er e<strong>in</strong> Frem<strong>der</strong>, Unbestimmter, blieb er e<strong>in</strong>e<br />

Gefahr“ (ebd. 450). Der Fremde operiert <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne über die Verne<strong>in</strong>ung des Erwartbaren,<br />

des Vertrauten. Er ist damit noch ke<strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>d denn Fe<strong>in</strong>dschaft gegenüber Fre<strong>und</strong>schaft, ist e<strong>in</strong><br />

vertrauter Antagonismus. Der Fremde br<strong>in</strong>gt vielmehr das Vertraute <strong>in</strong> Unordnung (vgl. ebd.<br />

448f).<br />

Lebensweltliche Vertrautheit entsteht damit durch (teilweise rigorosen) Ausschluss von<br />

Fremdheit über soziale Prozesse, <strong>und</strong> vormo<strong>der</strong>ne Gesellschaften konstituierten sich über<br />

e<strong>in</strong>deutig bestimmbare, tradierte Lebensformen <strong>und</strong> Ordnungsmuster. Die Gr<strong>und</strong>lage für das<br />

<strong>Vertrauen</strong> <strong>in</strong> das Vertraute war die soziale E<strong>in</strong>bettung, das gegenseitige Kennen <strong>und</strong> die<br />

Dauerhaftigkeit <strong>der</strong> Beziehung (vgl. Strasser/ Vosw<strong>in</strong>kel 1997, 220; sowie Giddens 1995, 28ff).<br />

Allerd<strong>in</strong>gs gab es auch ke<strong>in</strong>e wirkliche Alternative zu dieser Lebensform, außer <strong>der</strong> Fremdheit<br />

außerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

Die B<strong>in</strong>dung von <strong>Vertrauen</strong> an Vertrautheit wird unter zwei Bed<strong>in</strong>gungen<br />

problematisch. Erstens, wenn die Akteure die Folgenhaftigkeit ihres eigenen Handelns<br />

erkennen <strong>und</strong> damit das Bewusstse<strong>in</strong> über e<strong>in</strong> mögliches Risiko <strong>in</strong>s Spiel kommt <strong>und</strong> zweitens,<br />

wenn die zeitliche, räumliche <strong>und</strong> soziale Ausweitung von Interaktionen die sozialen<br />

persönlichen Bekanntschaften sprengen, welche ausschlaggebend für die Gr<strong>und</strong>-Vertrautheit<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Familiarity and Confidence<br />

Die Selbstverständlichkeit <strong>der</strong> Welt wird dann erschüttert, wenn <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Mensch<br />

nicht mehr nur Gegenstand <strong>der</strong> Ordnung ist, son<strong>der</strong>n als alter ego <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> tritt. Mit <strong>der</strong><br />

Freiheit, „die D<strong>in</strong>ge an<strong>der</strong>s zu sehen <strong>und</strong> sich an<strong>der</strong>s zu verhalten, wird die traditionelle<br />

Selbstverständlichkeit <strong>der</strong> Welt erschüttert, wird ihre Komplexität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ganz neuen<br />

Dimension sichtbar, für die vorerst ke<strong>in</strong>e angemessenen Formen <strong>der</strong> Erfassung <strong>und</strong> Absorption<br />

zur Verfügung stehen“ (Luhmann 1989, 19).<br />

Der Begriff des Risikos wird mit dem Bewusstse<strong>in</strong>, selbst D<strong>in</strong>ge aktiv verän<strong>der</strong>n zu<br />

können <strong>und</strong> damit selbst Ursache e<strong>in</strong>er zukünftigen Wirkung zu se<strong>in</strong>, zu e<strong>in</strong>em zentralen<br />

Merkmal <strong>der</strong> beg<strong>in</strong>nenden Mo<strong>der</strong>ne. Die Zukunft selbst wird verän<strong>der</strong>bar. 64 Von e<strong>in</strong>em Risiko<br />

zu sprechen bedeutet, dass unerwartete Ergebnisse möglicherweise e<strong>in</strong>e Folge unserer eigenen<br />

64 O<strong>der</strong> wie Luhmann a.a.O. sagt: „Wir können nur sicher se<strong>in</strong>, dass wir nicht sicher se<strong>in</strong> können, ob irgendetwas<br />

von dem, was wir als vergangen er<strong>in</strong>nern, <strong>in</strong> Zukunft so bleiben wird, wie es war“ (<strong>der</strong>s. 1992, 136).<br />

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