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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> haben, <strong>und</strong> je<strong>der</strong> auch e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e (opportunistische, defektistische 60 ) Strategie fahren<br />

könnte.<br />

Auf diese Art ist das Kooperationsdilemma def<strong>in</strong>ierbar, aber nicht lösbar (siehe hierzu<br />

ausführlich Miller 1992). Damit stehen wir wie<strong>der</strong> am Anfang des Kapitels bzgl. <strong>der</strong> Frage, ob sich<br />

dieses Problem nicht doch über e<strong>in</strong>e moralbasierte Sanktions<strong>in</strong>stanz regeln lässt, welche<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Akteure selbst wirksam wird? Wenn externe Sanktionierung unüberw<strong>in</strong>dbaren<br />

Schwierigkeiten unterliegt, weil e<strong>in</strong>e Verhaltenssteuerung durch explizite Kontrollmechanismen<br />

zu teuer ist, dann wird e<strong>in</strong> Unternehmer <strong>in</strong> die Identifikation se<strong>in</strong>er Mitarbeiter<br />

mit den Unternehmenszielen <strong>in</strong>vestieren. In solchen Fällen wird man dann auf die moralischen<br />

Eigenschaften <strong>der</strong> Akteure, auf ihre Emotionen, Affekte, Tugendhaftigkeit etc. abzielen. Für<br />

diese Strategie stehen zwei Mechanismen zur Verfügung: entwe<strong>der</strong> f<strong>in</strong>det man<br />

die Individuen heraus (durch „geniale“ Auswahlverfahren), welche die betreffenden Tugenden<br />

schon aufweisen, o<strong>der</strong> man <strong>in</strong>ternalisiert aktiv die Normen <strong>in</strong> die Akteure (vgl. Kliemt 1993, 297f;<br />

sowie Beckert 1997, 52f). Die erste Frage, die nach den Auswahlverfahren, ist nicht Thema dieser<br />

Arbeit 61 ; die zweite Frage nach <strong>der</strong> aktiven Internalisierung von Normen wird für <strong>Vertrauen</strong><br />

dann relevant, wenn Normen e<strong>in</strong>en Unterstützungsmechanismus für die Vergabe von<br />

<strong>Vertrauen</strong> darstellen. Verletzt aber die Annahme <strong>der</strong> Internalisierung nicht die<br />

Maximierungsannahme <strong>der</strong> Theorie rationaler Wahlhandlung? Das pr<strong>in</strong>cipal-agent Problem<br />

kommt ja nur auf, weil die Akteure unterschiedliche Interessen haben <strong>und</strong> die <strong>in</strong>dividuelle<br />

Verfolgung jeweils negative Externalitäten für den an<strong>der</strong>en Akteur mit sich br<strong>in</strong>gen kann.<br />

Wenn Internalisierung <strong>und</strong> Identifikation zu e<strong>in</strong>er Redef<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> eigenen Interessen führt, ist<br />

<strong>der</strong> Weg zum „zufriedenen Sklaven“ nicht mehr weit, aber das <strong>Vertrauen</strong>sproblem wird<br />

dadurch nicht etwa gelöst, son<strong>der</strong>n lediglich umdef<strong>in</strong>iert.<br />

Coleman (1991, 380f) schlägt folgende Konzeption vor: „Internalisierung e<strong>in</strong>er Norm“<br />

bedeutet üblicherweise zum e<strong>in</strong>en, dass man e<strong>in</strong>e Norm als legitim anerkennt, <strong>und</strong> zum<br />

zweiten, dass an<strong>der</strong>en das Recht zugestanden wird, e<strong>in</strong>e Teilkontrolle über die eigenen<br />

Handlungen auszuüben. Das ist allerd<strong>in</strong>gs nicht h<strong>in</strong>reichend, um auch abweichende<br />

Handlungen des Individuums, die von an<strong>der</strong>en unbeobachtet bleiben, zu reglementieren.<br />

60 Der Begriff „defektistisch“ ist nicht nur e<strong>in</strong> weiterer Anglizismus, son<strong>der</strong>n betont gerade von se<strong>in</strong>er<br />

ursprünglichen Bedeutung her den Aspekt des Treuebruchs, des Abtrünnigwerdens.<br />

61 Die Suche nach e<strong>in</strong>er endogenen Lösung des Führungsproblems endet dort, wo bspw. <strong>in</strong> virtuellen<br />

Unternehmen <strong>der</strong> Führungsbedarf bereits vor dem E<strong>in</strong>tritt <strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>in</strong> das Unternehmen reduziert werden<br />

soll: „E<strong>in</strong>e notwendige Voraussetzung dafür ist die Auswahl solcher Mitarbeiter, die dem Anfor<strong>der</strong>ungsprofil<br />

virtueller Unternehmen weitgehend entsprechen. E<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung hat hier die fachliche Qualifikation <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter, jedoch s<strong>in</strong>d auch Persönlichkeitsmerkmale wie die (soziale) Kompetenz, Integrität <strong>und</strong> Gutwilligkeit<br />

e<strong>in</strong>er Person wichtig“(Scherm/ Süß 2000, 98). Damit verschiebt sich das Kontroll- bzw. <strong>Vertrauen</strong>sproblem <strong>in</strong><br />

Richtung „idealer“ Charakter <strong>der</strong> Akteure – auch e<strong>in</strong> Lösungsansatz.<br />

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