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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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eiden Fällen <strong>der</strong> „Kitt“ ist, mit dem die jeweiligen Nachteile wettgemacht werden könnten,<br />

bzw. Misstrauen den Ausschlag fürs Scheitern gegeben hat. E<strong>in</strong>e solche Begründung greift<br />

aber zu kurz. <strong>Vertrauen</strong> <strong>und</strong> Misstrauen haben e<strong>in</strong>e ähnliche Logik, durch die sie Komplexität<br />

reduzieren. Insofern ist es unlogisch, Misstrauen gr<strong>und</strong>sätzlich zum Täter <strong>und</strong> <strong>Vertrauen</strong> zum<br />

Opfer zu deklarieren. Es ist vielmehr so, dass beide Formen je spezifische Auswirkungen auf<br />

die völlig an<strong>der</strong>e Hierarchie–Markt–Ebene haben.<br />

Marktversagen<br />

Auf perfekten Märkten herrscht vollständiges Wissen, e<strong>in</strong>e polypolistische<br />

Marktstruktur <strong>und</strong> die Abwesenheit von Zeit. In Situationen, <strong>in</strong> denen diese Annahmen<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> situativen Bed<strong>in</strong>gungen o<strong>der</strong> aber <strong>der</strong> kognitiven Grenzen <strong>der</strong> Akteure empirisch<br />

nicht haltbar s<strong>in</strong>d, muss mit Marktversagen gerechnet werden. Die „unsichtbare Hand“ ist nicht<br />

mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, e<strong>in</strong> für alle Beteiligten zufriedenstellendes Ergebnis herbeizuführen.<br />

E<strong>in</strong> Beispiel (nach Friedman 1999, 338f): Stoßzeit im Berufsverkehr, e<strong>in</strong>e sehr belebte<br />

Straßenkreuzung. Die Ampel spr<strong>in</strong>gt von grün auf gelb, als schnell noch e<strong>in</strong>ige Fahrzeuge<br />

versuchen über die Ampel zu kommen, um dann mitten auf <strong>der</strong> Kreuzung festzusitzen. Würden<br />

die Fahrer bei<strong>der</strong> Straßen erst gar nicht <strong>in</strong> die Kreuzung e<strong>in</strong>fahren, son<strong>der</strong>n so lange warten, bis<br />

auf <strong>der</strong> gegenüberliegenden Seite genug „Platz“ wäre, käme es nicht zum Stau. Dennoch<br />

verhält sich je<strong>der</strong> Fahrer rational. Se<strong>in</strong> aggressives Verhalten nützt ihm, denn obgleich er die<br />

quer fahrenden Autos blockiert, schafft er es noch über die Kreuzung, bevor die an<strong>der</strong>en<br />

Fahrzeuge ihm bei <strong>der</strong> nächsten Grünphase wie<strong>der</strong> die Kreuzung versperren werden. Der<br />

Schaden ist letztlich sehr viel größer als <strong>der</strong> Nutzen, da alle unterm Strich schlechter da stehen.<br />

Aber wenn <strong>der</strong> Akteur se<strong>in</strong>e Entscheidung ausschließlich als E<strong>in</strong>zelentscheidung trifft, als e<strong>in</strong>e<br />

Entscheidung, die er alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand hat, dann hat er, wenn er auf <strong>der</strong> Kreuzung steht, den<br />

gesamten Nutzen <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>en Schaden.<br />

Der wahre Held unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen, nicht nur im Straßenverkehr, ist <strong>der</strong><br />

egoistische „Schnäppchenjäger“ (Misik 1999, 502). Umz<strong>in</strong>gelt von we<strong>der</strong> kontrollier-, noch<br />

bee<strong>in</strong>flussbaren Gesetzen <strong>und</strong> Sachzwängen <strong>der</strong> liberalen, globalisierten Marktökonomie ist<br />

<strong>der</strong> Preisvergleich die letzte autonome Intervention <strong>in</strong> das Marktgeschehen, es ist das, was uns<br />

von <strong>der</strong> Freiheit übriggeblieben ist (vgl. ebd.). Wenn Konkurrenz <strong>und</strong> Eigen<strong>in</strong>teresse, als das<br />

Pr<strong>in</strong>zip des Marktes, als allgeme<strong>in</strong>e Ziele auf Dauer gestellt werden, gibt es ke<strong>in</strong> Ganzes mehr.<br />

Jedenfalls ke<strong>in</strong> Ganzes, das als solches koord<strong>in</strong>ierbar wäre. Was ausschlaggebend ist, s<strong>in</strong>d die<br />

Eigen<strong>in</strong>teressen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Akteure, bzw. <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen selbständigen E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong>nerhalb<br />

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