Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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01.12.2014 Aufrufe

Reputation wird zu einem Ergebnis der Extrapolierung der Vergangenheit, durch Transparenz der Ergebnisse und der Möglichkeit, das Verhalten nachprüfen zu können. 39 In diesem Sinne sind dann auch Zertifizierungen, Titel oder Berufe Formen kollektiver Selbstbürgschaft für alle, die dazugehören und zukünftig dazugehören wollen. Auf diesen Gedanken kann nicht weiter eingegangen werden, da die Problematik, die ich zunächst auf der Akteurebene beschreiben möchte, zu schnell zu einem Institutionenproblem werden würde. Das Handlungsmodell beschränkt sich auf die Annahme der rationalen Akteure, die dann ihren Nutzen maximieren werden, wenn sich die Gelegenheit bietet. Insofern ist die Problematik mit der Reputation noch nicht vollständig erfasst. Zu Recht Sanktionen? Die Theorie des Versprechens von Hume (in Junge 1998, 34) besagt, dass die bindende Kraft eines Versprechens in dem Umstand liegt, dass derjenige, der ein Versprechen bricht, indem er das in ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht, nicht mehr damit rechnen kann, dass man ihm jemals wieder vertrauen wird. Darin liegt das Eigeninteresse der Akteure, ein Versprechen einzuhalten, dass die Möglichkeit zur Sanktion die Interaktion stabilisiert. Die Frage ist, ob der Gedanke an die Sanktionsmöglichkeiten hinreichend ist, um die Glaubwürdigkeit der Akteure zu gewährleisten – oder vergleichbar die Glaubwürdigkeit der Reputation, auf die sie zurückgreifen. Reputation allein ist an sich noch nicht die Garantie dafür, dass Kooperation stattfinden muss. Was würde passieren, wenn ein bekannter Gebrauchtwagenhändler für sich im Stillen beschließt, nur noch eine Woche zu arbeiten, mit dem Ziel, so viel Umsatz wie möglich zu machen, koste es was es wolle. Diese Situation entspricht einem wiederholten Gefangenendilemma mit einer absehbaren letzten Runde. Für den Händler, der seinen Nutzen so weit wie möglich steigern möchte, bietet sich nun an, auch seine Reputation ins Spiel zu werfen; d.h. alle Wagen so teuer wie möglich zu verkaufen, auch diejenigen, die seinen Ruf kosten könnten, der allerdings für ihn ja keine Rolle mehr spielt, da seine zukünftigen Interessen anders aussehen. 39 Sowohl Versprechen als auch Reputation können ihre Wirkung nicht per se entfalten, wenn sie in das Kalkül des Treuhänders einfließen sollen. Um diese Transparenz herstellen zu können, bedarf es Möglichkeiten der Kommunikation. Aber, wenn es umgangssprachlich heißt, dass Worte auch dazu da sein können, um seine Gedanken zu verbergen , so stellt Kommunikation selbst einen Grund dar, warum Kooperationen scheitern können. 51

„It is nice to know that there will be no surprises – Big Macs ... almost always deliver precisely what is expected, no less, but also – and most tellingly and damningly – no more” (Ritzer 1998, 40). Das hat auch etwas Tröstliches und zugleich Verlässliches, ganz gleich, ob man in Berlin oder Bangkok ist. Dazu passend führt Miller (1992, 32f) an, dass Leute auch zu McDonald’s gehen, weil sie einen sauberen Platz wollen, wo sie schnell etwas essen können. Die Annahme: ein spezieller Laden sei sauber und verfüge über das standardisierte „überraschungsarme“ Essen, basiert also eher auf einer generellen Reputation, als darauf, dass man selbst schon einmal dort gegessen hat. 40 Ein Filialleiter könnte nun auf den Gedanken kommen, die Reinigungskosten für seinen Laden zu halbieren, dadurch einen höheren Reingewinn zu erwirtschaften und weiterhin von der spezifischen Reputation zu profitieren – ein klassisches Gefangenendilemma. Möglicher Reputationsverlust stellt für den Treugeber folglich immer noch keinen hinreichenden Grund für Glaubwürdigkeit dar, da es keine spezifische, direkte Sanktion ist. D.h. Reputationsverlust kann zu einer schwerwiegenden Schädigung des dahinter stehenden Netzwerkes werden, dem Kunden, der jetzt seine Ware haben möchte, könnte das nicht wirksam genug sein. Die Frage ist damit: wie müssen Sanktionen aussehen, damit der Treuhänder glaubwürdig genug erscheint, um vom Treugeber Vertrauen geschenkt zu bekommen? Für Dasgupta (1988, 50f) sehen die Bedingungen wie folgt aus: Erstens müssen die zu erwartenden Strafen beim Brechen von Abkommen angemessen hoch sein, um wirken zu können. Zweitens muss die Androhung und Fähigkeit zur Durchsetzung dieser Strafen glaubwürdig sein. Drittens kann ein Versprechen nur dann glaubwürdig sein, wenn es wirklich zu erwarten ist, dass der andere diese eine und keine andere Wahl treffen wird, d.h., dass das Vertrauen nicht blind vergeben wird. Um dies zu erreichen, bedarf es viertens der Transparenz, die Perspektive des Treuhänders nachvollziehen zu können, d.h. inwiefern mag es für ihn rational sein, dem gegebenen Versprechen auch wirklich nachzukommen? Was haben diese Maßnahmen nun für Konsequenzen für die Glaubwürdigkeit? Wenn man es genau nimmt – keine! „Eine auf Sanktionsmechanismen fokussierte Analyse von Vertrauensbeziehungen birgt die Gefahr, dass die Macht zur Bestrafung von Vertrauensbruch fälschlicherweise zur Begründung von Vertrauen gemacht wird“ (Heisig 1997, 132f). Insofern verschieben diese und vergleichbare Mechanismen den Fokus von Vertrauen auf die Wirksamkeit von Sanktionen 41 und die Möglichkeit, diese auch durchzusetzen. 40 Ein Lieblings-Italiener ist wahrscheinlicher als ein Lieblings-McDonald’s. 41 Insofern könnte man das Überwachungsproblem noch eine Stufe weiter problematisieren: qui custodies ipsos custodes. Was passiert bspw. wenn die Transaktionskosten für eine Sanktionierung so hoch werden, dass 52

„It is nice to know that there will be no surprises – Big Macs ... almost always deliver<br />

precisely what is expected, no less, but also – and most tell<strong>in</strong>gly and damn<strong>in</strong>gly – no more”<br />

(Ritzer 1998, 40). Das hat auch etwas Tröstliches <strong>und</strong> zugleich Verlässliches, ganz gleich, ob man<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Bangkok ist. Dazu passend führt Miller (1992, 32f) an, dass Leute auch zu<br />

McDonald’s gehen, weil sie e<strong>in</strong>en sauberen Platz wollen, wo sie schnell etwas essen können.<br />

Die Annahme: e<strong>in</strong> spezieller Laden sei sauber <strong>und</strong> verfüge über das standardisierte<br />

„überraschungsarme“ Essen, basiert also eher auf e<strong>in</strong>er generellen Reputation, als darauf, dass<br />

man selbst schon e<strong>in</strong>mal dort gegessen hat. 40 E<strong>in</strong> Filialleiter könnte nun auf den Gedanken<br />

kommen, die Re<strong>in</strong>igungskosten für se<strong>in</strong>en Laden zu halbieren, dadurch e<strong>in</strong>en höheren<br />

Re<strong>in</strong>gew<strong>in</strong>n zu erwirtschaften <strong>und</strong> weiterh<strong>in</strong> von <strong>der</strong> spezifischen Reputation zu profitieren –<br />

e<strong>in</strong> klassisches Gefangenendilemma.<br />

Möglicher Reputationsverlust stellt für den Treugeber folglich immer noch ke<strong>in</strong>en<br />

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D.h. Reputationsverlust kann zu e<strong>in</strong>er schwerwiegenden Schädigung des dah<strong>in</strong>ter stehenden<br />

Netzwerkes werden, dem K<strong>und</strong>en, <strong>der</strong> jetzt se<strong>in</strong>e Ware haben möchte, könnte das nicht<br />

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Treuhän<strong>der</strong> glaubwürdig genug ersche<strong>in</strong>t, um vom Treugeber <strong>Vertrauen</strong> geschenkt zu<br />

bekommen?<br />

Für Dasgupta (1988, 50f) sehen die Bed<strong>in</strong>gungen wie folgt aus: Erstens müssen die zu<br />

erwartenden Strafen beim Brechen von Abkommen angemessen hoch se<strong>in</strong>, um wirken zu<br />

können. Zweitens muss die Androhung <strong>und</strong> Fähigkeit zur Durchsetzung dieser Strafen<br />

glaubwürdig se<strong>in</strong>. Drittens kann e<strong>in</strong> Versprechen nur dann glaubwürdig se<strong>in</strong>, wenn es wirklich<br />

zu erwarten ist, dass <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e diese e<strong>in</strong>e <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Wahl treffen wird, d.h., dass das<br />

<strong>Vertrauen</strong> nicht bl<strong>in</strong>d vergeben wird. Um dies zu erreichen, bedarf es viertens <strong>der</strong> Transparenz,<br />

die Perspektive des Treuhän<strong>der</strong>s nachvollziehen zu können, d.h. <strong>in</strong>wiefern mag es für ihn<br />

rational se<strong>in</strong>, dem gegebenen Versprechen auch wirklich nachzukommen?<br />

Was haben diese Maßnahmen nun für Konsequenzen für die Glaubwürdigkeit? Wenn<br />

man es genau nimmt – ke<strong>in</strong>e! „E<strong>in</strong>e auf Sanktionsmechanismen fokussierte Analyse von<br />

<strong>Vertrauen</strong>sbeziehungen birgt die Gefahr, dass die Macht zur Bestrafung von <strong>Vertrauen</strong>sbruch<br />

fälschlicherweise zur Begründung von <strong>Vertrauen</strong> gemacht wird“ (Heisig 1997, 132f). Insofern<br />

verschieben diese <strong>und</strong> vergleichbare Mechanismen den Fokus von <strong>Vertrauen</strong> auf die<br />

Wirksamkeit von Sanktionen 41 <strong>und</strong> die Möglichkeit, diese auch durchzusetzen.<br />

40 E<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gs-Italiener ist wahrsche<strong>in</strong>licher als e<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gs-McDonald’s.<br />

41 Insofern könnte man das Überwachungsproblem noch e<strong>in</strong>e Stufe weiter problematisieren: qui custodies ipsos<br />

custodes. Was passiert bspw. wenn die Transaktionskosten für e<strong>in</strong>e Sanktionierung so hoch werden, dass<br />

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