Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Um die Skepsis der eigenen Verlässlichkeit sich selbst gegenüber zu überwinden, sollen bspw. Rituale wie feierliche Gelöbnisse oder Hochzeiten vor allem dabei helfen, die eigene Fehlbarkeit in den Griff zu bekommen. Noch rigoroser dagegen löste Odysseus das Problem, indem er sich an den Schiffsmast binden ließ 37 (vgl. Dasgupta 1988). Auch manche Feldherren verließen sich nicht immer ausschließlich auf die Loyalität oder den Patriotismus ihrer Armeen. Sie führten ihre Armee über eine Brücke, ließen sie jenseits dieser Brücke Aufstellung nehmen und verbrannten die Brücke. Dann erklärten sie, dass es nun keine Fluchtmöglichkeiten mehr gibt, außer den Feind anzugreifen (Friedman 1999, 21) – aber das hat nicht mehr allzu viel mit Vertrauen zu tun. Einem Versprechen zu glauben heißt, darauf zu vertrauen, dass die Selbstdarstellung des anderen fortgesetzt wird, indem dieser sich an diese Selbstdarstellung gebunden – sich ihr verpflichtet fühlt. Versprechen haben dann eine bindende Kraft, wenn derjenige, der etwas verspricht, glaubwürdig Gewissheit anstelle von Ungewissheit setzt. Vertrauen bezieht sich dann auf diese je individuelle „Selbstdarstellungsgeschichte“ (Luhmann 1989, 67), auf die Art und Weise, wie sich ein Akteur sozial seinem Gegenüber mitgeteilt hat. Mit anderen Worten: „Der Weg zum Vertrauen führt über ein umformendes Eingehen auf fremde Erwartungen“ (ebd. 68). Wenn ein Akteur das Vertrauen eines anderen verdienen will, so kommt es darauf an, an diese fremden Erwartungen anzuschließen und sie in die eigene Selbstdarstellung zu integrieren. Damit kann Vertrauen nur erworben werden, wenn man selbst die Gelegenheit bietet, seine Handlungsabsichten transparent und damit erwartbar zu machen, und diese Gelegenheit ebenfalls vom Gegenüber geboten bekommt. „Wer sich von vornherein als unansprechbar darstellt ..., erwirbt kein Vertrauen, weil er keine Lern- und Prüfungsmöglichkeiten offeriert“ (ebd.). Reputation als Äquivalent von Versprechen Ein Versprechen im oben dargestellten Sinn kann mit einem Pfand verglichen werden, welches man gleichsam freiwillig dem anderen aushändigt. Es nimmt dabei die Gestalt eines potentiell schadenkompensierenden Effekts für den Treuhänder an, und dient zugleich auch als immerfort die Gefühle darstellen will, die man zum Zeitpunkt des Versprechens gehabt hat – dies hat dann allerdings eher etwas mit Schauspielkunst zu tun als mit Liebe. 37 Im Falle von Odysseus könnte man dann sagen: Selbstvertrauen ist gut – Selbstkontrolle ist besser. 49

Anreiz zur Verminderung der Gefahr des Vertrauensbruchs. So wird dann schon mal eine Königstochter als Friedenspfand dem Feind vermacht. Die Frage aber bleibt immer noch, ob allein ein Versprechen den beschriebenen Geiselnehmer davon abhält, die Geisel nicht umzubringen. Wie sollte das Versprechen aussehen, und noch viel wichtiger, wie kann die Geisel es glaubhaft machen? Als Geisel hat man ja auch nicht die Möglichkeit der kleinen Schritte oder einer wiederholte Geiselnahme als zweite Chance, es muss also sofort wirksam sein. Schelling selbst bietet eine plausible Lösung an und schlägt vor, dass man ein eigenes Verbrechen gesteht und dem Kidnapper die Beweismittel zum Nachweis an die Hand gibt. Sollte man aktuell kein Verbrechen parat haben, dann könnte man es ja in seinem Beisein begehen. Damit hätte der Kidnapper ein Mittel im Sinne eines Pfandes in der Hand, mit dem er potentiell zukünftig Vergeltung üben könnte (vgl. Kliemt 1993, 287). Auf diese Art wirkt nun Reputation. „Interest may generate the pressure to behave honestly, but reputation and commitment are the means by which others are assured of the effectiveness of that pressure. ... It may be hard to bank on altruism, but it is much harder to avoid banking on a reputation for trustworthiness: as all bankers (and used-car dealer) know, a good reputation is their best asset” (Gambetta 1988, 233). Wenn also Reputation das Ausschlaggebende dafür ist, warum ein Akteur seinen Wagen bei dem einen und nicht bei dem anderen Händler kauft, dann nimmt dieses Pfand gleichsam die Form von sozialem Kapital an, welches mit in der Waagschale liegt. Wenn ein Käufer auf jemanden mit einer hohen Reputation vertraut, dann kann er seinen eigenen Nutzen enorm steigern, da nämlich ein Großteil der üblichen Transaktionskosten wegfallen. Er muss nicht viel Zeit investieren und 10 Händler besuchen, sondern geht zu dem einen, der bspw. von der Stiftung Warentest als besonders seriös empfohlen wurde. Dies macht die Sache nun keineswegs einfacher, denn die Stiftung Warentest stellt ihrerseits auch eine eigene Vertrauensagentur dar, die sich das ihr entgegenbrachte Vertrauen systematisch erarbeiten musste. Die Frage wäre dann, welcher Agent war ausschlaggebend für den Kauf, bzw. auf wessen Reputation gründet letztlich das Vertrauen des Treugebers, oder noch anders, wessen Reputation ist das Pfand, das letztlich auf dem Spiel steht. 38 38 Gerade in der heutigen (postmodernen) Zeit haben Vertrauensagenturen Hochkonjunktur. Es gibt nichts, wofür es keinen Experten, keine Agentur, keine Dienstleister gibt, deren Hauptinteresse genau darin besteht, sich so schnell wie möglich einen Vertrauenspool zu schaffen, auf den andere dann zurückgreifen sollen. (vgl. auch Strasser/ Voswinkel 1997). 50

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