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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Die Frage ist also, wie ich me<strong>in</strong>em Gegenüber glaubhaft machen kann, dass ich an e<strong>in</strong>er<br />

vertrauensvollen Kooperation <strong>in</strong>teressiert b<strong>in</strong>. D.h. wie kann ich die sche<strong>in</strong>bar zufällige<br />

Entscheidung im Gefangenendilemma nicht unkooperativ zu se<strong>in</strong>, aktiv im Voraus motivieren.<br />

O<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> zurück zu dem Geiselbeispiel: Wie kann e<strong>in</strong>e Geisel, die ihren Geiselnehmer<br />

erkannt hat, glaubwürdig machen, dass sie ihn nicht verraten wird?<br />

Das Versprechen als Fiktion von Selbigkeit<br />

Nach Gondek (<strong>in</strong> H<strong>in</strong><strong>der</strong>k 1998, 103) unterstellt sich <strong>der</strong> Versprechende e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />

Fiktion von „Selbigkeit“. Er verspricht, <strong>der</strong>jenige zu bleiben, <strong>der</strong> von sich selbst behauptet, das<br />

gegebene Versprechen halten zu wollen <strong>und</strong> halten zu können. O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>sherum: Der, <strong>der</strong> ich<br />

se<strong>in</strong> werde, um e<strong>in</strong> Versprechen überhaupt geben zu können, b<strong>in</strong> ich heute <strong>und</strong> werde dieser<br />

auch bleiben.<br />

Die Fähigkeit, e<strong>in</strong> Versprechen geben zu können, kann dann die Zukunft als e<strong>in</strong>e<br />

Dimension erschließen, auf die <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e sich verlassen kann. Indem e<strong>in</strong> Versprechen<br />

gegeben wird, können Akteure versuchen, sich gegenseitig kalkulierbar zu machen. Weil die<br />

Gefahr des unkooperativen Handelns ständig präsent ist, wäre dies e<strong>in</strong>e Möglichkeit, die eigene<br />

Opportunismusneigung kontrollieren zu können. Versprechen nehmen dann die Gestalt von<br />

„Selbstbürgschaften“ (Strasser/ Vosw<strong>in</strong>kel 1997, 227) an, <strong>in</strong>dem sie dem Akteur e<strong>in</strong> zusätzliches<br />

Risiko für e<strong>in</strong>en <strong>Vertrauen</strong>smissbrauch aufbürden. Das Ziel ist dann e<strong>in</strong>erseits die<br />

Demonstration <strong>der</strong> Ernsthaftigkeit <strong>der</strong> Absichten des Akteurs gegenüber an<strong>der</strong>en nach außen.<br />

An<strong>der</strong>erseits erhöht er durch diese Selbstb<strong>in</strong>dung auch das <strong>Vertrauen</strong> sich selbst gegenüber.<br />

„Can one trust oneself?” fragt Dasgupta (1988, 54) <strong>und</strong> stellt heraus, dass es durchaus<br />

Situationen geben kann, <strong>in</strong> denen man nicht genau weiß, was man tut, sei es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zustand<br />

von Rausch, Trunkenheit o<strong>der</strong> großer emotionaler Belastung. „The important class of cases that<br />

needs analysis is where a person does not trust the extent of his own commitment, his ability to<br />

carry out and see through his own projects” (ebd., kursiv im Orig.). So mag <strong>der</strong> Geist oft willig<br />

se<strong>in</strong>, doch das Fleisch ist schwach, kann man mit dem Volksm<strong>und</strong> ergänzen. Nietzsche würde<br />

es an<strong>der</strong>s ausdrücken: „Man kann Handlungen versprechen, aber ke<strong>in</strong>e Empf<strong>in</strong>dungen;<br />

denn diese s<strong>in</strong>d unwillkürlich“ (zit. n. Greisch 1998, 243) 36 . E<strong>in</strong> Versprechen dagegen ist e<strong>in</strong><br />

Willensakt, <strong>und</strong> nur deshalb kann es wirksam werden, weil <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> verspricht, sich selbst<br />

berechenbar, regelmäßig <strong>und</strong> notwendig macht (ebd. 244).<br />

36 Ebenso problematisch ist es auch, sich gegenseitig Liebe zu versprechen. Das E<strong>in</strong>zige was man rationaler Weise<br />

versprechen kann, ist <strong>der</strong> Wunsch, zukünftig genau <strong>der</strong> bleiben zu wollen, als <strong>der</strong> man sich gefühlsmäßig<br />

augenblicklich empf<strong>in</strong>det <strong>und</strong> darstellt. Und das Versprechen würde sich dann darauf beziehen, dass man<br />

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