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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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„Wie alle an<strong>der</strong>en Ressourcen, so kann sich auch <strong>Vertrauen</strong> erschöpfen. Misstrauen<br />

entsteht, wenn die mit <strong>Vertrauen</strong> ausgestatteten Personen o<strong>der</strong> Objekte die <strong>in</strong> sie gesetzten<br />

Erwartungen nicht erfüllen. Dieses ist vermutlich noch größer, wenn es auf e<strong>in</strong>e Phase<br />

vorherigen <strong>Vertrauen</strong>s folgt. Je<strong>der</strong> <strong>Vertrauen</strong>sbruch o<strong>der</strong> –missbrauch hat unmittelbare <strong>und</strong><br />

übermäßige Reaktionen zur Folge <strong>und</strong> tiefes Misstrauen macht sich breit“ (Sztompka 1995, 260).<br />

O<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ökonomischen Term<strong>in</strong>ologie: „A breach of trust may push people back <strong>in</strong>to the<br />

market, even if it is costly to themselves; ... They 16 fo<strong>und</strong> that people responded to violations<br />

of norms of fairness with a form of what we <strong>in</strong>terpret as “mutually assured destruction” –that<br />

is, violators were punished even if such an action imposed an irrationally high cost to the<br />

enforcer” (Bradach/ Eccles 1989, 111).<br />

Interessanterweise wird <strong>in</strong> beiden Aussagen das Überschreiten <strong>der</strong> Schwelle als übermäßige<br />

o<strong>der</strong> irrationale Reaktion dargestellt. Auch Luhmann bemerkt, dass die Wirkung<br />

zumeist überdimensioniert ist <strong>und</strong> weit über das h<strong>in</strong>aus zu gehen sche<strong>in</strong>t, was dem konkreten<br />

Anlass, <strong>der</strong> das Fass zum Überlaufen br<strong>in</strong>gt, isoliert gesehen, zugerechnet werden könnte (<strong>der</strong>s.<br />

1989, 81f.). E<strong>in</strong>e Reaktion kann aber nur dann als „zuviel“ def<strong>in</strong>iert werden, wenn es Kriterien<br />

gibt, an denen das Verhalten gemessen werden kann. Was heißt es, dass die<br />

Sanktionierungskosten irrational hoch s<strong>in</strong>d? Vor welchem Maßstab wird Rache zur bl<strong>in</strong>den<br />

Rache?<br />

Das sche<strong>in</strong>bare Übermaß, das an Begriffen wie „zutiefst enttäuscht“ o<strong>der</strong> „tödlich<br />

gekränkt“ festgemacht wird, zeigt letztlich doch gerade erst das volle Ausmaß <strong>der</strong><br />

„Investitionskosten“, die das Reduktionsmittel <strong>Vertrauen</strong> verschlungen hat. <strong>Vertrauen</strong> ist nicht<br />

e<strong>in</strong>e „Gratisressource“, auf die man nach Belieben zurückgreifen kann. <strong>Vertrauen</strong> bedeutet<br />

auch mehr als jemanden nur nicht zu kontrollieren. <strong>Vertrauen</strong> ist e<strong>in</strong>e Form von Kapital, die<br />

aufgebracht werden muss, die vergrößert werden kann <strong>und</strong> auch wie<strong>der</strong> abgebaut werden kann.<br />

Je verletzter <strong>und</strong> übermäßiger dagegen e<strong>in</strong>e Reaktion ist, desto mehr Kapital stand für den<br />

an<strong>der</strong>en offensichtlich auf dem Spiel, auch wenn es ihm selbst erst im Augenblick <strong>der</strong><br />

Schwellenüberschreitung bewusst geworden se<strong>in</strong> mag. 17<br />

In dieser H<strong>in</strong>sicht kann <strong>Vertrauen</strong> sehr teuer se<strong>in</strong>. Vor allem ist die Handlung nicht mit<br />

dem Feststellen <strong>der</strong> „Schwellenüberschreitung“ beendet. Nicht nur, dass die gesamte<br />

Komplexität <strong>und</strong> Kont<strong>in</strong>genz von neuem ersche<strong>in</strong>t, im Gegenteil, es können sehr viel<br />

16 Bezug genommen wird auf e<strong>in</strong> Experiment von Kahneman et al. 1987, ebd., das e<strong>in</strong>ige Verw<strong>und</strong>erung darüber<br />

auslöste, <strong>in</strong>wieweit die „unfair“ behandelten Akteure ihres Erachtens emotional völlig überreagiert haben.<br />

17 Nicht jede <strong>Vertrauen</strong>sbeziehung muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tragödie enden. Man stelle sich zwei Partner vor, die sich<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gelebt haben: Das bedeutet dann, dass man gegenseitig nicht mehr auf die Ressource <strong>Vertrauen</strong><br />

zurückgegriffen hat, nicht mehr zurückgreifen musste, <strong>und</strong> sie damit funktionslos geworden <strong>und</strong> verkümmert ist.<br />

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