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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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größer geworden, um den Verlust e<strong>in</strong>er früher vorherrschenden Vertrautheit wett zu machen.<br />

Re<strong>in</strong> ökonomische, d.h. kurzfristige <strong>und</strong> profitorientierte Unternehmensentscheidungen, lassen<br />

Vertrautheit aber auch nicht mehr (nach)wachsen. Im Gegenteil, nur zu oft steigt bei den<br />

Angestellten aufgr<strong>und</strong> dieser Handlungslogik die Verlustangst <strong>und</strong> das Misstrauen. Diese<br />

Folgen s<strong>in</strong>d jedoch systemimmanent.<br />

Die Idee neuer Managementkonzepte zielt vornehmlich auf Dezentralisierung,<br />

Flexibilisierung <strong>und</strong> Marktorientierung. Die Hoffnung ist es, durch formlose Strukturen<br />

pr<strong>in</strong>zipiell reaktionsfähiger gegenüber <strong>in</strong>stabilen Märkten zu se<strong>in</strong>. L<strong>in</strong>ienhierarchien <strong>und</strong><br />

zentralisierte Unternehmensführungen s<strong>in</strong>d obsolet. Die Verantwortlichkeiten werden so weit<br />

wie möglich nach unten delegiert. Dabei machen die Restrukturierungsmaßnahmen aber auch<br />

etwas an<strong>der</strong>es deutlich, nämlich dass es durch diese Strukturlosigkeit zu e<strong>in</strong>er zunehmenden<br />

Erosion betrieblicher Geme<strong>in</strong>schaften kommt. <strong>Vertrauen</strong> braucht aber e<strong>in</strong>e soziale Struktur.<br />

Das umfangreiche Ablehnen von Formalität schafft ke<strong>in</strong>eswegs automatisch e<strong>in</strong>e höhere<br />

Flexibilität, es reduziert alte Verhaltenssicherheiten, die nur durch e<strong>in</strong>en erhöhten <strong>in</strong>formellen<br />

Mehraufwand kompensiert werden können. Je separierter die e<strong>in</strong>zelnen Unternehmense<strong>in</strong>heiten<br />

agieren, desto eher praktizieren sie e<strong>in</strong>en strukturellen Egoismus, <strong>in</strong> dem die<br />

jeweiligen Handlungshorizonte kurzfristiger werden <strong>und</strong> die Konkurrenz auf Dauer gestellt<br />

wird.<br />

Die Frage lautet dann, wie viel Markt <strong>und</strong> Konkurrenz für e<strong>in</strong>e Organisation als Ganzes<br />

ertragbar s<strong>in</strong>d? Wenn alle Ressourcen – <strong>in</strong>klusive <strong>Vertrauen</strong> – den ökonomischen Zwecken<br />

untergeordnet werden, wird es ke<strong>in</strong>e nicht-ökonomischen Spielräume mehr geben. Die<br />

unternehmerische Wissensgesellschaft steht <strong>in</strong> dieser Logik gegen e<strong>in</strong>e kollektive<br />

arbeitnehmerzentrierte Industriegesellschaft. Ausschließlich Geld, Erfolg <strong>und</strong> Macht werden zu<br />

den sozialdarw<strong>in</strong>istischen Maßstäben für die Flexibilität des Menschen. Damit bleibt <strong>der</strong><br />

Mensch als gr<strong>und</strong>sätzlich defizitär zurück. Begriffe wie Fairness, Solidarität <strong>und</strong> Gerechtigkeit<br />

s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Kategorien mehr, weil <strong>der</strong> Markt alle<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e gerechte Verteilung von Ressourcen<br />

schaffen kann. Es ist <strong>der</strong> Konflikt <strong>der</strong> Zeithorizonte, <strong>der</strong> die Unvere<strong>in</strong>barkeit e<strong>in</strong>er Marktlogik<br />

mit e<strong>in</strong>er sozialen Kooperationslogik ausmacht. Der Markt kann langfristige Kooperation unter<br />

Ungewissheit nicht begreifen. E<strong>in</strong>e ausschließlich opportunistisch motivierte Kooperation ist<br />

nicht h<strong>in</strong>reichend, um die beteiligten Akteure für e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Ziel zu gew<strong>in</strong>nen. Hierzu<br />

bedarf es spezifischer <strong>Vertrauen</strong>sspielräume als soziale Elemente.<br />

Ohne diesen sozialen Elementen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ausschließlich neoliberalen Logik, kommt <strong>der</strong><br />

Arbeit das Soziale <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft abhanden. Der Beruf <strong>und</strong> die beruflich<br />

strukturierte Gesellschaft s<strong>in</strong>d dann nicht mehr länger das Leitbild für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stitutionalisierte<br />

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