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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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kann sich dann Reziprozität e<strong>in</strong>spielen, <strong>und</strong> Stabilität <strong>und</strong> Langfristigkeit bieten den nötigen<br />

Rückhalt, um sich auf Unsicherheit e<strong>in</strong>zulassen (vgl. ebd. 9). 195<br />

Bildungsprozesse waren lange Zeit ebenfalls Spielräume, die dem unmittelbaren<br />

Verwertungskalkül entzogen waren. 196 Derart formalisierte Lernprozesse, gerade auch<br />

außerhalb <strong>der</strong> konkreten Arbeitswelt, waren aber we<strong>der</strong> e<strong>in</strong> historischer Zufall, noch e<strong>in</strong><br />

historischer Irrtum des Unternehmens. „Sie waren zum<strong>in</strong>dest ganz wesentlich dadurch<br />

mitbed<strong>in</strong>gt, dass die Logik von betrieblichen Arbeitsprozessen <strong>und</strong> die Logik von<br />

Lernprozessen nicht notwendigerweise mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> kompatibel s<strong>in</strong>d“ (Drexel 1998, 59).<br />

Lernen am Arbeitsplatz o<strong>der</strong> verständlicher „Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g on the job“, bedeutet immer<br />

zugleich auch Lernen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ernstsituation. Damit wird es wie<strong>der</strong>um ökonomisch hoch<br />

attraktiv, weil ja unternehmerisch unproduktive Lernprozesse wie<strong>der</strong> unmittelbar verrechnet<br />

werden können. Die Kehrseite ist, dass es zu Lasten formalisierter Lernprozesse <strong>und</strong> auch zu<br />

Lasten von Bildung geht. Das soll nicht ausschließen, dass die Arbeit nicht auch<br />

Bildungschancen birgt, dazu bedarf es aber bestimmter Voraussetzungen: E<strong>in</strong>e Chance kann<br />

sich bieten, wenn die Personen bereits über ausreichende allgeme<strong>in</strong>e <strong>und</strong> fachtheoretische<br />

Gr<strong>und</strong>lagenkenntnisse verfügen, auf die sie aufbauen können. Es kommt darauf an, wie<br />

lernför<strong>der</strong>lich <strong>der</strong> Arbeitsplatz selbst ist, d.h. wie transparent die Arbeitsvollzüge s<strong>in</strong>d. Lernen<br />

braucht immer auch Zeit, für das Lernen selbst <strong>und</strong> fürs Ausprobieren – was unter realen<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen durchaus kontraproduktiv se<strong>in</strong> kann. Gibt es ke<strong>in</strong>e Zeitpuffer <strong>in</strong> den<br />

Arbeitsvorgängen, so können auch Fehler nicht aufgefangen werden <strong>und</strong> es beg<strong>in</strong>nt die Suche<br />

nach den Schuldigen, was nicht zuletzt die Kommunikation <strong>und</strong> Kooperation <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Abteilung blockiert (vgl. Drexel 1998, 56f). <strong>Vertrauen</strong> am Arbeitsplatz unterliegt ähnlichen<br />

vertrauensför<strong>der</strong>lichen Bed<strong>in</strong>gungen. Es geht genau wie beschrieben um Transparenz, Zeit,<br />

Toleranz, Kommunikation <strong>und</strong> Kooperation.<br />

Es bleibt dabei, wer Persönlichkeiten zur Schaffung von Mehrwert braucht, muss<br />

Persönlichkeitsbildung <strong>und</strong> nicht nur Personalentwicklung betreiben. Dabei bleibt auch das<br />

Risiko, dass diese Bildungsprozesse scheitern können o<strong>der</strong> dysfunktional verlaufen. Diese<br />

Gefahr besteht jedoch immer, wenn man auf die Freiwilligkeit <strong>der</strong> Akteure baut <strong>und</strong> ihnen die<br />

Möglichkeit e<strong>in</strong>räumt, sich freiwillig auch gegen e<strong>in</strong>en zu entscheiden – aber es geht gar nicht<br />

an<strong>der</strong>s.<br />

195 Der Begriff <strong>der</strong> „E<strong>in</strong>bettung“ bzw. <strong>der</strong> „Entbettung“ <strong>in</strong> postmo<strong>der</strong>nen <strong>Zeiten</strong> ist beson<strong>der</strong>s exemplarisch für die<br />

strukturationstheoretischen Überlegungen von Giddens, die jedoch nicht explizit Gegenstand dieser Arbeit waren<br />

(vgl. Giddens 1995)<br />

196 Nicht zuletzt rührt daher die Dichotomie zwischen Allgeme<strong>in</strong>bildung <strong>und</strong> Berufsbildung. Allgeme<strong>in</strong>bildung<br />

durfte sich dabei immer nur auf Selbstbildung beziehen <strong>und</strong> nicht unter e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Zwecksetzung stehen.<br />

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