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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Nach all dem Gesagten soll jetzt nicht <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck entstehen, als wären Bildung <strong>und</strong><br />

<strong>Vertrauen</strong> identisch o<strong>der</strong> sie würden sich gegenseitig bed<strong>in</strong>gen. <strong>Vertrauen</strong> ist nicht wie Bildung<br />

Besitz <strong>und</strong> Zustand, son<strong>der</strong>n vielmehr Prozess <strong>und</strong> Beziehung. E<strong>in</strong>e gebildete Person kann<br />

nicht durch e<strong>in</strong> Missgeschick „entbildet“ werden, <strong>Vertrauen</strong> kann sehr wohl wie<strong>der</strong> verloren<br />

gehen, da man es allenfalls auf Probe besitzen kann. Und doch bestehen Parallelen, nämlich im<br />

Prozess <strong>der</strong> Entstehung. We<strong>der</strong> <strong>Vertrauen</strong> noch Bildung s<strong>in</strong>d für e<strong>in</strong>e ökonomische Logik<br />

unmittelbar verfügbar, beides lässt sich we<strong>der</strong> mechanisch <strong>in</strong>stallieren, noch kommandieren.<br />

<strong>Vertrauen</strong> kann sich durch erbrachte Vorleistung sowie aufgr<strong>und</strong> realer o<strong>der</strong><br />

zugeschriebener Persönlichkeitseigenschaften entwickeln. Damit drückt <strong>Vertrauen</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Qualität <strong>in</strong> den Beziehungen zwischen Menschen aus. <strong>Vertrauen</strong> ist nicht <strong>der</strong> heroische Akt<br />

e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Individuums, son<strong>der</strong>n das reziproke Sich-e<strong>in</strong>lassen auf das Ungewisse <strong>der</strong><br />

sozialen Situation. <strong>Vertrauen</strong> kann dann se<strong>in</strong>e wechselseitige Wirkung entfalten, <strong>in</strong>dem es<br />

se<strong>in</strong>erseits weiteres <strong>Vertrauen</strong> erweckt. 193 Es ist eher unwahrsche<strong>in</strong>lich, dass sich diese<br />

Wirkung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Kontextes ereignet, <strong>der</strong> von Kurzfristigkeit, Konkurrenz <strong>und</strong><br />

Misstrauen geprägt ist.<br />

Auch Lernprozesse, die e<strong>in</strong>e Bildungschance eröffnen wollen, haben e<strong>in</strong>e eigene Logik.<br />

Individuelle Lernprozesse verlaufen iterativ, sie s<strong>in</strong>d nur <strong>in</strong>dividuell steuerbar <strong>und</strong> besitzen die<br />

Eigenschaft, sich im Laufe <strong>der</strong> Zeit selbst zu beschleunigen 194 . Bis dieser Zeitpunkt allerd<strong>in</strong>gs<br />

kommt, braucht es unkalkulierbar viel Zeit. Derart gestaltete Lernprozesse gehören alle<strong>in</strong> dem<br />

<strong>in</strong>dividuellen Aneignungskontext <strong>der</strong> Subjekte an, <strong>und</strong> sie s<strong>in</strong>d geb<strong>und</strong>en an den Lernstil, so<br />

dass e<strong>in</strong> hohes Maß an Fallbezogenheit <strong>und</strong> Differenzierung vorausgesetzt werden muss. All<br />

dies ist allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rahmen des Kurzzeitcharakters von betrieblicher Weiterbildung –<br />

wo ja weiterh<strong>in</strong> Zeit mit Geld verrechnet wird – normalerweise nicht denkbar (vgl. Harney 1998,<br />

144).<br />

<strong>Vertrauen</strong> <strong>und</strong> Bildung brauchen Spielräume jenseits <strong>der</strong> ökonomischen Logik, die<br />

gleichsam soziale Enklaven <strong>in</strong>nerhalb des Marktes darstellen. Wittke (1995) spricht <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang von <strong>der</strong> Notwendigkeit e<strong>in</strong>er „sozialer E<strong>in</strong>bettung“ <strong>und</strong> def<strong>in</strong>iert dies als e<strong>in</strong>en<br />

stabilen sozialen Rahmen, <strong>der</strong> Erwartungssicherheit produziert. Innerhalb dieses Rahmens<br />

193 Damit ist dieses <strong>Vertrauen</strong> mehr als e<strong>in</strong>e ökonomische Kalkulation gegen e<strong>in</strong>schätzbare Parameter. Dieses<br />

<strong>Vertrauen</strong> ist mehr als e<strong>in</strong>e Wette, mehr als Hoffnung <strong>und</strong> Zuversicht. <strong>Vertrauen</strong> unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen ist<br />

schlicht e<strong>in</strong> sozialer <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> ökonomischer Akt. Und da <strong>Vertrauen</strong> erst jenseits <strong>der</strong> Ökonomie beg<strong>in</strong>nt, kann die<br />

Ökonomie zwar viel erklären, letztlich wird ihr aber das Spezifische des <strong>Vertrauen</strong>s immer unbekannt bleiben.<br />

194 Man denke an den berühmten „Hermeneutischen Zirkel“ wonach man etwas erst verstehen kann, wenn man es<br />

schon verstanden hat; das heißt, dass sich <strong>in</strong> Bildungsprozessen irgendwann e<strong>in</strong>mal <strong>der</strong> „Knoten löst“ <strong>und</strong> man<br />

feststellt, dass man all die herrschenden Unklarheiten eigentlich schon begriffen hatte, es war e<strong>in</strong>em nur noch<br />

nicht klar. Dieses Verstehen kann e<strong>in</strong>em aber niemand abnehmen.<br />

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