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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Erwachsenenbildung sich noch <strong>in</strong> dieser Tradition sieht, gehört die Bildungsidee zum<br />

theoretischen F<strong>und</strong>ament.<br />

Aber dieser Wi<strong>der</strong>spruch beg<strong>in</strong>nt schon <strong>in</strong> den Schulen, <strong>in</strong> denen verme<strong>in</strong>tlich<br />

romantische Erziehungsziele wie geistige Reife, Persönlichkeit, Charakter <strong>und</strong><br />

Urteilsvermögen kaum noch e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Stattdessen s<strong>in</strong>d sie zu „Teamfähigkeit“,<br />

„Sozialkompetenz“ <strong>und</strong> ähnlichen „Schlüsselqualifikationen“ degeneriert, die ihre Besitzer für<br />

den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Marktgesellschaft zurichten sollen (vgl. Gaschke 2000, 10). „Bildung<br />

be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e gesellschaftstheoretische <strong>und</strong> anthropologische Dimension, sie verweist auf die<br />

Utopie e<strong>in</strong>er demokratischen, gerechten Gesellschaft <strong>und</strong> auf e<strong>in</strong> humanistisches Konzept<br />

vielseitiger Persönlichkeitsentfaltung <strong>und</strong> vernünftiger Selbstbestimmung“ 191 (Siebert 1992, 15).<br />

Die Vorstellung e<strong>in</strong>er totalen Lernorganisation als vollständig flexible Technologie, die<br />

alle Erwartungen im S<strong>in</strong>ne des Lernens programmiert, ist nicht nur irreführend, son<strong>der</strong>n<br />

schlicht un-menschlich. Es bleibt dabei völlig unbenommen, dass die unternehmerische<br />

E<strong>in</strong>sicht richtig ist, dass <strong>der</strong> Organisationserfolg von <strong>der</strong> Kreativität menschlicher Arbeit<br />

abhängt – gerade heute. Flexibilität <strong>und</strong> die schöpferische Intelligenz lebendiger Arbeit s<strong>in</strong>d<br />

aber als „Ressourcen“ <strong>der</strong> ureigene Besitz des e<strong>in</strong>zelnen Menschen <strong>und</strong> dieser Besitz kann<br />

daher nur freiwillig zur Verfügung gestellt werden (vgl. Deutschmann 1999, 157). Das lässt sich<br />

we<strong>der</strong> kommandieren noch unmittelbar verfügbar machen.<br />

Man mag Qualifikation, Kompetenz <strong>und</strong> lebenslanges Lernen als kompatible<br />

Metaphern betrachten, welche e<strong>in</strong>e Vision erzeugen, die es für den E<strong>in</strong>zelnen <strong>und</strong> für die<br />

Organisation gleichermaßen zur Selbstverständlichkeit werden lässt, „Anpassungen“ an<br />

aktuelle Verän<strong>der</strong>ungen vorzunehmen – gerade <strong>in</strong> <strong>Zeiten</strong>, <strong>in</strong> denen Wissen <strong>und</strong> Information zu<br />

immer entscheiden<strong>der</strong>en wirtschaftlichen Standortfaktoren werden. Mit „Bildung“ hat das<br />

deswegen noch nicht viel zu tun. 192<br />

Bei <strong>der</strong> Vision <strong>der</strong> Wissensgesellschaft, so wie sie Willke vorschwebt, geht es um die<br />

Priorität <strong>der</strong> Daten, <strong>der</strong> Informationen <strong>und</strong> des Wissens – es geht explizit nicht um den<br />

Menschen. Nach Heuser (2000, 473) ist Bildung nicht mehr die „Zone <strong>der</strong> Sorgenfreien, wie es<br />

191 Mag se<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Vernunft <strong>in</strong> postmo<strong>der</strong>nen <strong>Zeiten</strong> prekär geworden ist, vor allem dann, wenn im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er hierarchischen Weltarchitektur „<strong>der</strong> Vernunft die Repräsentation des Ganzen im Ganzen zufiel“<br />

(Luhmann 1992, 54); aber vielleicht sollte Vernunft auch nicht überbewertet werden. Siebert selbst führt das<br />

Beispiel an, dass Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit ebenso unvernünftig ist wie die hemmungslose Umweltzerstörung o<strong>der</strong><br />

Tempo 130 im Nebel (vgl. <strong>der</strong>s. 1992, 15).<br />

192 Bildung darf gerade nicht, als temporärer Akt missverstanden werden, weil sie sich auf das Subjekt als Zweck<br />

<strong>und</strong> nicht auf se<strong>in</strong>e Funktion als Mittel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Organisation konzentriert. Ich möchte dies an e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en<br />

Gedankenspiel verdeutlichen: Wenn man <strong>in</strong> 50 Jahren wie<strong>der</strong> strenge Hierarchien e<strong>in</strong>führen will, dann muss man<br />

sich fragen, was für Kompetenzen die Akteure dazu haben müssen. Wenn man davon ausgeht, dass <strong>in</strong>zwischen<br />

alle Akteure kooperativ <strong>und</strong> partizipativ geworden s<strong>in</strong>d, dann müssen die neuen Schlüsselqualifikationen an<strong>der</strong>s<br />

def<strong>in</strong>iert werden. Der ideale Angestellte müsste dann über „E<strong>in</strong>fügungs-Vermögen“ „Vorgesetzen-Akzeptanz-<br />

Vermögen“ <strong>und</strong> „Duldungsvermögen“ verfügen.<br />

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