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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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noch ke<strong>in</strong>e Gesellschaft – wenn die Gesellschaft mehr se<strong>in</strong> soll als die Summe ihrer<br />

konkurrierenden Teile.<br />

Die bl<strong>in</strong>de, aber alle Bereiche verschl<strong>in</strong>gende E<strong>in</strong>seitigkeit des Marktes lässt sich<br />

überall erkennen: die Konkurrenzkämpfe um <strong>in</strong>nerbetrieblichen Aufstieg s<strong>in</strong>d subtiler<br />

geworden <strong>und</strong> zugleich grenzenlos dem freien Spiel dieser Kräfte überlassen. Kreativität <strong>und</strong><br />

Innovation – entscheidende Wettbewerbsvorteile – werden zwanghaft zu e<strong>in</strong>er Form von<br />

Kollektiv-schicksal stilisiert. Selbsterkenntnis wird zu e<strong>in</strong>er Ware, die nur noch als Zumutung<br />

empf<strong>und</strong>en werden kann. Zeitpuffer werden mehr <strong>und</strong> mehr ausgedünnt <strong>und</strong> soziale<br />

Interdependenzen beständig ignoriert, ebenso wie die Endlichkeit <strong>und</strong> Bedürftigkeit des<br />

konkreten e<strong>in</strong>zelnen Individuums. In dieser grenzenlosen Mittelhaftigkeit des freien Marktes<br />

ist jedes menschliche <strong>und</strong> soziale Maß verloren gegangen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er „durch das Geldvermögen<br />

<strong>in</strong>duzierten Obsession <strong>in</strong>dividueller Allmacht“ (Deutschmann 1999, 176) gewichen.<br />

Gegengewichte fürs Gleichgewicht<br />

Vielleicht würde man gut daran tun, das mutmaßliche Moment <strong>der</strong> Freiheit des Marktes<br />

nicht zu e<strong>in</strong>seitig zu strapazieren. In jedem sozialen Verhältnis existieren Autonomie <strong>und</strong><br />

Abhängigkeit <strong>und</strong> beide bed<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. E<strong>in</strong> Plädoyer, um dieses Gleichgewicht wie<strong>der</strong><br />

herzustellen, müsste sich dann darauf berufen, <strong>in</strong> je<strong>der</strong> sozialen Beziehung Abhängigkeit <strong>und</strong><br />

Autonomie, Kontrolle <strong>und</strong> Konsens, Drohung <strong>und</strong> Verlockung, Freiheit <strong>und</strong> Zwang, <strong>Vertrauen</strong><br />

<strong>und</strong> Misstrauen wahrzunehmen, <strong>und</strong> zwar <strong>in</strong> ihren Differenzen, damit gerade nicht alles gleichgültig<br />

wird. Flexibilisierung kann sehr wohl e<strong>in</strong>e Chance se<strong>in</strong> <strong>und</strong> zwar dann, wenn sie die<br />

vorhandenen sozialen Bande nicht bl<strong>in</strong>d zerreißt. Flexibilisierung könnte e<strong>in</strong> menschliches<br />

Gesicht bewahren, wenn menschliche Unzulänglichkeit <strong>und</strong> Verletzlichkeit nicht automatisch<br />

zum Wettbewerbsnachteil wird, son<strong>der</strong>n im Gegenteil als positive Ressource wie<strong>der</strong>entdeckt<br />

wird, durch welche Reziprozität zw<strong>in</strong>gend notwendig wird – <strong>und</strong> <strong>Vertrauen</strong> se<strong>in</strong>e<br />

zwischenmenschliche Gr<strong>und</strong>lage zurückgew<strong>in</strong>nt. E<strong>in</strong>em Souverän kann man nun e<strong>in</strong>mal nicht<br />

vertrauen, weil vollständige Souveränität bedürfnislos ist – damit bedarf e<strong>in</strong> Souverän auch<br />

nicht des <strong>Vertrauen</strong>s.<br />

Wie gesagt, es geht nicht um e<strong>in</strong>e Gleichmacherei, son<strong>der</strong>n um das Wechselspiel <strong>und</strong><br />

Gleichgewicht zwischen <strong>in</strong>terner Kooperation <strong>und</strong> Konkurrenz sowie zwischen zentraler<br />

Kontrolle <strong>und</strong> dezentraler Autonomie. Diese Mechanismen setzen sich <strong>in</strong> Konsequenz<br />

teilweise wechselseitig außer Kraft; das macht sie nicht schlecht, solange die E<strong>in</strong>sicht daraus<br />

resultiert, dass soziale Räume, soziale Prozesse <strong>und</strong> soziale <strong>Zeiten</strong> mo<strong>der</strong>iert <strong>und</strong> gestaltet<br />

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