Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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wenn eine abgestimmte Zusammenarbeit zwischen einem Auftraggeber und einem Beauftragten im Hinblick auf die Ziele der Unternehmung ermöglicht werden soll. 12 Aber nicht nur Kontroll- und Überwachungskosten entstehen, auch die erwähnten Zeitkosten haben eine eigene Dynamik. Der perfekte Markt kennt keine Zeit. Jede reale Übergabe einer Ware geschieht jedoch entweder nach der Vorleistung durch den Tauschpartner, oder es bedarf einer Investition von Ressourcen, für die erst später eine Gegenleistung erwartet werden kann. Geschlossene Verträge mögen zwar juristisch durchsetzbar sein, doch sind die möglichen Kontingenzen, die in komplexen und langfristigen Tauschbeziehungen eintreten können, nur bedingt vorhersehbar und lassen sich daher auch nicht bei Vertragsschluss vollständig berücksichtigen (vgl. Beckert 1997, 35 sowie Rößl 1996, 313). Letztlich macht der Transaktionskostenansatz klar, dass keine abstrakte Regel lückenlos durchgesetzt und kein Vertrag alle Eventualitäten, Unsicherheiten oder Mehrdeutigkeiten berücksichtigen kann. Immer wird ein kleinerer oder größerer Rest an Spielraum für Regelverletzung oder für opportunistischen Umgang mit diesen Regeln bleiben (Zintl 1993, 103). Coase schilderte bereits 1937 ausführlich, was das Spezifische an Märkten ist. Vor allem stellte er sie als „die andere Seite der Hierarchie“ dar. Die These war, dass Markt und Hierarchie eine Nullsumme bilden. Immer dann, wenn Operationen auf einem Markt etwas kosten 13 (aufgrund der Transaktionskosten) und diese Kosten die erwartbaren Gewinne übersteigen würden, sollte eine andere Organisation geformt werden, welche dann mit Autorität ausgestattet werden muss, um die Ressourcen und Handlungen zentral zu steuern und durch diese Steuerung die Minimierung der Transaktionskosten zu erreichen (vgl. Bradach/ Eccles 1989, 97). „What are the circumstances, that causes markets to allocate resources inefficiently? As Coase pointed out, the failure of market actors to contract efficiently may be attributed to the relative costliness of negotiating, monitoring, and enforcing contracts with factor inputs“ (Miller 1992, 17). Auch die Nachfolger von Coase blieben bei dem Grundargument, dass Transaktionen, die durch institutionelle Einrichtungen gesteuert und nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden, am effektivsten sind. Für Willamson gab es 1985 wiederum drei Dimensionen, welche die Unzulänglichkeit des Marktes verursachen: erstens Ungewissheit, zweitens die 12 Die damit verbundenen Probleme wie Trittbrettfahrertum, Drückebergertum, moral hazard siehe Kapitel 2. 13 In einem perfekten Markt gibt es keine Zeit, keine Transaktionskosten und keine Kontrollkosten, da der Handel im jeweiligen Eigeninteresse der Akteure unmittelbar abgewickelt wird und nichts darüber hinaus zurückbleibt. Je „unvollkommener“ der Markt ist, um so eher wird es zu Marktversagen kommen. 23

spezifischen Eigenschaften des Gegenstandes und drittens die Häufigkeit der Transaktion. Diesen Unzulänglichkeiten durch das Schreiben, Ausführen und Durchsetzen von Verträgen begegnen zu wollen, führt um so schneller zu einem Versagen des Marktes, je höher die Kosten hierfür werden (vgl. Bradach/ Eccles 1989, 99). Zurück zum Vertrauen. Vertrauen als soziales Kapital wurde bereits beschrieben. In dieser Funktion kann man es als einen möglichen Ersatz für vertragliche Regelungen sehen. Preisendörfer (1995, 270) schreibt: Vertrauen „könnte eine Vielzahl von Rechtsanwälten ersetzen; und es könnte dabei helfen, die Kontrollabteilungen in den Betrieben in ihrem weiteren Wachstum zu begrenzen.“ Ist Vertrauen damit besser als alle ausgehandelten Verträge? Oder könnte die Ausbreitung von Vertrauen dazu beitragen, „dass Arbeitsorganisationen, in denen Vertrauen und sozialer Tausch die wechselseitigen Beziehungen bestimmen, ökonomisch erfolgreicher sind als solche, die auf Misstrauen, Zwang und Unterdrückung und damit verbunden der Verwendung und Verschwendung von Ressourcen auf Aufsicht und Kontrolle beruhen“ (Gondek et al. 1992, 47). Konsequenterweise kann von einer derart positiven Wirkung aus Sicht der Transaktions-kostenanalyse nur dann gesprochen werden, wenn der Effizienzgewinn, der durch „Umschalten auf Vertrauen“ entsteht, genau bestimmt werden kann. Man müsste also den Betrag an Transaktionskosten kennen, der durch Vertrauen eingespart wird und diesen Wert den Transaktionskosten gegenüberstellen, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Vertrauen zusätzlich nötig sind. Diesseits der Kontrollschwellen „Vertrauen beruht auf Täuschung. Eigentlich ist nicht so viel Information gegeben, wie man braucht, um erfolgssicher handeln zu können“ (Luhmann 1989, 33). Vertrauen löst damit keineswegs das beschriebene Kontroll- oder Zeitproblem auf, aber es verschiebt dieses. Vertrauen überzieht die Erwartungen auf das, was andere tun werden in Situationen, die nicht explizit durch Formen von Verträgen oder Vergleichbarem abgedeckt sind. Die Wirkung von Vertrauen findet gleichsam auf einer anderen Ebene statt. „Trust is an important lubricant of a social system. It is extremely efficient; it saves people a lot of trouble to have a fair degree of reliance on other people’s word“ (Arrow 1974, zit. n. Bradach/ Eccles 1989, 104). Dieser Vorteil, mit dem das Fehlen an Information „geschmiert“ werden kann, ist jedoch nicht ohne weiteres und nicht für jeden erreichbar. 24

wenn e<strong>in</strong>e abgestimmte Zusammenarbeit zwischen e<strong>in</strong>em Auftraggeber <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Beauftragten im H<strong>in</strong>blick auf die Ziele <strong>der</strong> Unternehmung ermöglicht werden soll. 12<br />

Aber nicht nur Kontroll- <strong>und</strong> Überwachungskosten entstehen, auch die erwähnten<br />

Zeitkosten haben e<strong>in</strong>e eigene Dynamik. Der perfekte Markt kennt ke<strong>in</strong>e Zeit. Jede reale<br />

Übergabe e<strong>in</strong>er Ware geschieht jedoch entwe<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Vorleistung durch den<br />

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Gegenleistung erwartet werden kann. Geschlossene Verträge mögen zwar juristisch<br />

durchsetzbar se<strong>in</strong>, doch s<strong>in</strong>d die möglichen Kont<strong>in</strong>genzen, die <strong>in</strong> komplexen <strong>und</strong> langfristigen<br />

Tauschbeziehungen e<strong>in</strong>treten können, nur bed<strong>in</strong>gt vorhersehbar <strong>und</strong> lassen sich daher auch<br />

nicht bei Vertragsschluss vollständig berücksichtigen (vgl. Beckert 1997, 35 sowie Rößl 1996, 313).<br />

Letztlich macht <strong>der</strong> Transaktionskostenansatz klar, dass ke<strong>in</strong>e abstrakte Regel lückenlos<br />

durchgesetzt <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> Vertrag alle Eventualitäten, Unsicherheiten o<strong>der</strong> Mehrdeutigkeiten<br />

berücksichtigen kann. Immer wird e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>erer o<strong>der</strong> größerer Rest an Spielraum für<br />

Regelverletzung o<strong>der</strong> für opportunistischen Umgang mit diesen Regeln bleiben (Z<strong>in</strong>tl 1993, 103).<br />

Coase schil<strong>der</strong>te bereits 1937 ausführlich, was das Spezifische an Märkten ist. Vor<br />

allem stellte er sie als „die an<strong>der</strong>e Seite <strong>der</strong> Hierarchie“ dar. Die These war, dass Markt <strong>und</strong><br />

Hierarchie e<strong>in</strong>e Nullsumme bilden. Immer dann, wenn Operationen auf e<strong>in</strong>em Markt etwas<br />

kosten 13 (aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Transaktionskosten) <strong>und</strong> diese Kosten die erwartbaren Gew<strong>in</strong>ne<br />

übersteigen würden, sollte e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Organisation geformt werden, welche dann mit<br />

Autorität ausgestattet werden muss, um die Ressourcen <strong>und</strong> Handlungen zentral zu steuern <strong>und</strong><br />

durch diese Steuerung die M<strong>in</strong>imierung <strong>der</strong> Transaktionskosten zu erreichen (vgl. Bradach/ Eccles<br />

1989, 97). „What are the circumstances, that causes markets to allocate resources <strong>in</strong>efficiently?<br />

As Coase po<strong>in</strong>ted out, the failure of market actors to contract efficiently may be attributed to<br />

the relative costl<strong>in</strong>ess of negotiat<strong>in</strong>g, monitor<strong>in</strong>g, and enforc<strong>in</strong>g contracts with factor <strong>in</strong>puts“<br />

(Miller 1992, 17).<br />

Auch die Nachfolger von Coase blieben bei dem Gr<strong>und</strong>argument, dass Transaktionen,<br />

die durch <strong>in</strong>stitutionelle E<strong>in</strong>richtungen gesteuert <strong>und</strong> nicht dem freien Spiel <strong>der</strong> Kräfte<br />

überlassen werden, am effektivsten s<strong>in</strong>d. Für Willamson gab es 1985 wie<strong>der</strong>um drei<br />

Dimensionen, welche die Unzulänglichkeit des Marktes verursachen: erstens Ungewissheit,<br />

zweitens die<br />

12 Die damit verb<strong>und</strong>enen Probleme wie Trittbrettfahrertum, Drückebergertum, moral hazard siehe Kapitel 2.<br />

13 In e<strong>in</strong>em perfekten Markt gibt es ke<strong>in</strong>e Zeit, ke<strong>in</strong>e Transaktionskosten <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Kontrollkosten, da <strong>der</strong> Handel<br />

im jeweiligen Eigen<strong>in</strong>teresse <strong>der</strong> Akteure unmittelbar abgewickelt wird <strong>und</strong> nichts darüber h<strong>in</strong>aus zurückbleibt. Je<br />

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