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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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werden? ... Solidarität am Arbeitsplatz ist kaum durchzuhalten, weil <strong>der</strong> Rahmen dafür zerfällt“<br />

(Heuser 2000, 468).<br />

<strong>Vertrauen</strong> braucht Spielraum. Im stabilen Umfeld e<strong>in</strong>er Industriegesellschaft waren<br />

lebenslange Karrieren garantiert. Der E<strong>in</strong>zelne tat gut daran, se<strong>in</strong>en Kollegen zu unterstützen –<br />

morgen würde er selbst bei Bedarf Hilfe von ihm bekommen. Die Kompensationen <strong>der</strong> eigenen<br />

riskanten Vorleistungen bestanden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hoffnung auf den Chefsessel bis zur Aussicht auf<br />

Sicherheit <strong>in</strong> ferner Zukunft. In e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> jedoch alle langfristigen Versprechen<br />

fragwürdig geworden s<strong>in</strong>d, ist es vorteilhafter, die je <strong>in</strong>dividuelle Leistung nach ihrem<br />

aktuellen Marktwert entlohnt zu bekommen – „was man hat, hat man“. Dieses Verhalten ist<br />

vielleicht nicht sehr sozial, dafür aber um so rationaler. Und damit wären wir wie<strong>der</strong> beim<br />

Prisonners Dilemma, <strong>in</strong> dem die kurzfristige nutzenmaximierende Handlung <strong>in</strong>dividuell<br />

rational, <strong>in</strong>sgesamt jedoch suboptimal <strong>und</strong> <strong>in</strong>effektiv ist. Daher möchte ich an dieser Stelle<br />

nochmals auf die spieltheoretische Analyse mit ihren drei prägnanten Implikationen für kle<strong>in</strong>e<br />

Arbeitsgruppen von Robert Axelrod (1984, ref. n. Miller 1992, 186f) verweisen:<br />

Erstens entwickelt sich Kooperation überwiegend <strong>in</strong> Organisationen, die sehr<br />

langfristig existieren. In kurzfristigen Beziehungen gleichen die potentiell langfristigen<br />

Gew<strong>in</strong>ne, welche aus e<strong>in</strong>er gegenseitigen Kooperation entstehen könnten, die kurzfristigen<br />

Anreize, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozialen Dilemma opportunistisch zu handeln, nicht aus.<br />

Zweitens haben Akteure zunächst ke<strong>in</strong>e dom<strong>in</strong>ante Strategie zu kooperieren, es sei<br />

denn, je<strong>der</strong> Spieler vertraut darauf, dass auch <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Spieler kooperiert. Arbeitsgruppen<br />

<strong>in</strong>vestieren eher dann <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>same Aktivitäten, wenn es e<strong>in</strong> gegenseitig geteiltes <strong>Vertrauen</strong><br />

zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Kooperation gibt, 170 <strong>und</strong> genau dar<strong>in</strong> liegt auch die Zerbrechlichkeit:<br />

„if I th<strong>in</strong>k that you want to cooperate, but I also th<strong>in</strong>k that you don’t know that I want to<br />

cooperate, than I may not cooperate because I am afraid that your uncerta<strong>in</strong>ty about my<br />

behavior will cause you to back off from cooperat<strong>in</strong>g” (ebd. 186f). Mit an<strong>der</strong>en Worten müssen<br />

die Akteure das teilen, was Spieltheoretiker das „Geme<strong>in</strong>sames Wissen“ bezeichnen: Wenn<br />

e<strong>in</strong>er vorhat zu kooperieren, muss je<strong>der</strong> beteiligte den Plan des an<strong>der</strong>en kennen, <strong>der</strong> auch<br />

kooperieren will, <strong>und</strong> je<strong>der</strong> muss wissen, dass <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e auch von ihm weiß, dass er selbst<br />

kooperieren will.<br />

Und die dritte Implikation ist die, dass Reziprozität selbst zu e<strong>in</strong>er starken Norm für<br />

erfolgreiche Kle<strong>in</strong>gruppenarbeit werden kann. Diese Implikationen beruhen damit nicht auf <strong>der</strong><br />

Voraussetzung e<strong>in</strong>es gegenseitigen Altruismus‘ <strong>der</strong> Akteure; sie beruhen auf dem geteilten<br />

Wissen, dass je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beteiligten den jeweils an<strong>der</strong>en durch künftige Nichtkooperation<br />

170 Die entspricht dem Dilemma, dass sich <strong>Vertrauen</strong> für se<strong>in</strong> Entstehen bereits selbst voraussetzen muss.<br />

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