Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Zweitens soll durch das Einführen von Marktprinzipien in die Arbeits- und Unternehmens-organisation eine Entbürokratisierung und Enthierarchisierung erreicht werden. Dies soll dann zu einer Verringerung der Reibungsverluste innerhalb weitschweifender Linienhierarchien sowie zu einer höheren „Eigenzuständigkeit“ (Kern/ Schumann 1998, 8) der Akteure führen. Diese Flexibilisierung der Abstimmungsprozesse soll drittens die Kommunikations- und Entscheidungswege vereinfachen, was zu einer Reduzierung der Entwicklungskosten und Entwicklungszeiträume sowie zu einer Verbesserung der Kooperation mit den Zulieferern führen soll. Und vierten heißt das neue Steuerungsinstrument für diese Methode „Zielvereinbarung“. Durch diese Vereinbarungen sollen unter anderem Festpreise, Produktspezifika und Lieferfristen der jeweiligen Unterbereiche verbindlich festgelegt werden. Aufgrund dieser „Lean-Konzeption“ ist es möglich, Verantwortlichkeiten auf die niedrigste mögliche Eben zu delegieren, um damit eine Null-Fehler-Bereitschaft bereits auf der jeweilige Akteurebene zu fördern. (vgl. Bergner 1997, 53f; Herzer et al. 1997, 6f; Springer 1998, 88f.) Lean Production stellt damit eine Kombination aus direkter Beschäftigungspartizipation und einem erweiterten Zugriff auf das menschliche Arbeitsvermögen als „aktivierbares Rationalisierungspotential“ (Dörre et al. 1993, 15) dar. Der Mitarbeiter soll selbst zum aktiven Gestalter und Entwickler des Unternehmens werden, der ständig selbständig sein Tun überprüft und es an die veränderten Bedingungen anpasst. Lean Production ist dann die Abkehr vom Prinzip arbeitsteiliger Massenfertigung, hin zu einer tätigkeitsintegrierten Fertigung, die möglichst alle Mitarbeiter in die Entscheidungsprozesse einbezieht und ihnen mehr Eigenverantwortung, mehr Freiräume und weniger Regeln vorschreibt (vgl. Grüner 1998, 215f). Reflexive Rationalisierung – nicht mehr als ein Reflex? Folgt man diesem Konzept, so scheint es, als stünde die Auflösung der Unternehmen in virtuelle, international verteilte Netzwerke autonomer Organisationseinheiten und Gruppen unmittelbar bevor und es gebe keine Alternative zu diesem „one best way“ der Unternehmensorganisation. Alles wird irgendwie prozess- und projektorientiert, womit sich Kooperations- und Kommunikationsverbesserungen ganz von allein ergeben. Wenn sich also die Auffassung durchgesetzt hat, dass die Wettbewerbsprobleme an einer ausgeprägten hierarchischen und funktionalen Arbeitsteilung sowie an einer überbordenden Bürokratie liegen, was liegt dann näher, als flache Hierarchien, dezentrale Kompetenzen und 195

selbstorganisierte Organisationseinheiten; das ergibt sich doch fast wie von selbst (vgl. auch Hirsch-Kreinsen 1995, 423). Lean Production als Leitbild ist damit keineswegs jener Deus ex machina der eine völlig neue Dimension unternehmerischen Handelns darstellt, sondern muss gerade vor dem Hintergrund einer jahrzehntelangen tayloristisch-fordistischen Rationalisierung gesehen werden. Insbesondere die Kumulation der ungeplanten Folgen einer ausufernden Technisierung, Bürokratisierung und funktionalen Spezialisierung industrieller Massenproduktion sind die negativen Kehrseiten eines einstmals erfolgreichen Unternehmenskonzepts. Die naheliegendsten Möglichkeiten für eine Problemlösung setzten dann konsequenterweise an einer Veränderung dieser Organisationsstrukturen und ihrer Abläufe an. Diese Veränderungsmaßnahmen konzentrieren sich zunächst unmittelbar auf den Faktor Arbeit. Sie zielen darauf ab, die Akteure, die diesen Faktor ausmachen, direkt zu motivieren und die Veränderungen selbst zu initiieren und sich diesem Wandel nicht zu widersetzen. Bei Erfolg dieser unmittelbaren Organisation von Arbeit ergibt sich eine große Menge an „überschüssigem Personal“ (vgl. Springer 1998, 98) in allen Bereichen und auf allen Ebenen, die wiederum potentiell freigesetzt werden können. Wenn aber letztlich Einsparaktionen und die schlichte Wegrationalisierung von Personal mit der Philosophie und Sprache von Lean und Beteiligung aufgeladen werden, wenn die Aktionen vom Top- Management als Kulturwandel plakativ verkauft werden sollen, dann ist Lean Production nichts weiter als das unoriginelle Gegenteil von Hierarchien. Erfolgreiche Veränderungen sind jedoch von weit mehr Voraussetzungen abhängig, und so entpuppt sich so manches vordergründig erfolgreiche „Verschlankungsprojekt“ lediglich als Fassadenkorrektur, bei der „die „Hardware“ der organisatorischen Formalstruktur zwar verändert wurde, die Veränderung der „Software“ – die tatsächliche Neuverteilung von Kompetenz und Verantwortung eben ausgeblendet ist“ (Faut et al. 1994, 113). So laufen die Ankündigungen der Reorganisation als Einstieg in eine neue, angeblich partizipative betriebliche Sozialordnung Gefahr, zu einem „motivationspolitischen Bumerang“ (Kotthoff 1997, 174) zu werden, wenn sich die Versprechen als leere Floskeln herausstellen und das Management seine Glaubwürdigkeit verliert. Hierzu heißt es bei Grunwald (1995): „Der rigorose Stellenabbau in den letzten drei Jahren (ca. 10-20 % der Belegschaft in vielen Großunternehmen) hat im Rahmen eines auf kurzfristige Kostensenkung fixierten, falsch verstandenen Lean Management bei vielen Mitarbeitern zu Unsicherheit, Misstrauen, Angst undinnere Kündigung“ geführt. Um in solchen Organisationen ein Vertrauensklima (wieder)herzustellen, bedarf es geduldiger 196

Zweitens soll durch das E<strong>in</strong>führen von Marktpr<strong>in</strong>zipien <strong>in</strong> die Arbeits- <strong>und</strong><br />

Unternehmens-organisation e<strong>in</strong>e Entbürokratisierung <strong>und</strong> Enthierarchisierung erreicht werden.<br />

Dies soll dann zu e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Reibungsverluste <strong>in</strong>nerhalb weitschweifen<strong>der</strong><br />

L<strong>in</strong>ienhierarchien sowie zu e<strong>in</strong>er höheren „Eigenzuständigkeit“ (Kern/ Schumann 1998, 8) <strong>der</strong><br />

Akteure führen.<br />

Diese Flexibilisierung <strong>der</strong> Abstimmungsprozesse soll drittens die Kommunikations- <strong>und</strong><br />

Entscheidungswege vere<strong>in</strong>fachen, was zu e<strong>in</strong>er Reduzierung <strong>der</strong> Entwicklungskosten <strong>und</strong><br />

Entwicklungszeiträume sowie zu e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> Kooperation mit den Zulieferern<br />

führen soll.<br />

Und vierten heißt das neue Steuerungs<strong>in</strong>strument für diese Methode<br />

„Zielvere<strong>in</strong>barung“. Durch diese Vere<strong>in</strong>barungen sollen unter an<strong>der</strong>em Festpreise,<br />

Produktspezifika <strong>und</strong> Lieferfristen <strong>der</strong> jeweiligen Unterbereiche verb<strong>in</strong>dlich festgelegt werden.<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser „Lean-Konzeption“ ist es möglich, Verantwortlichkeiten auf die niedrigste<br />

mögliche Eben zu delegieren, um damit e<strong>in</strong>e Null-Fehler-Bereitschaft bereits auf <strong>der</strong> jeweilige<br />

Akteurebene zu för<strong>der</strong>n. (vgl. Bergner 1997, 53f; Herzer et al. 1997, 6f; Spr<strong>in</strong>ger 1998, 88f.)<br />

Lean Production stellt damit e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation aus direkter Beschäftigungspartizipation<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>em erweiterten Zugriff auf das menschliche Arbeitsvermögen als „aktivierbares<br />

Rationalisierungspotential“ (Dörre et al. 1993, 15) dar. Der Mitarbeiter soll selbst zum aktiven<br />

Gestalter <strong>und</strong> Entwickler des Unternehmens werden, <strong>der</strong> ständig selbständig se<strong>in</strong> Tun überprüft<br />

<strong>und</strong> es an die verän<strong>der</strong>ten Bed<strong>in</strong>gungen anpasst. Lean Production ist dann die Abkehr vom<br />

Pr<strong>in</strong>zip arbeitsteiliger Massenfertigung, h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er tätigkeits<strong>in</strong>tegrierten Fertigung, die<br />

möglichst alle Mitarbeiter <strong>in</strong> die Entscheidungsprozesse e<strong>in</strong>bezieht <strong>und</strong> ihnen mehr<br />

Eigenverantwortung, mehr Freiräume <strong>und</strong> weniger Regeln vorschreibt (vgl. Grüner 1998, 215f).<br />

Reflexive Rationalisierung – nicht mehr als e<strong>in</strong> Reflex?<br />

Folgt man diesem Konzept, so sche<strong>in</strong>t es, als stünde die Auflösung <strong>der</strong> Unternehmen <strong>in</strong><br />

virtuelle, <strong>in</strong>ternational verteilte Netzwerke autonomer Organisationse<strong>in</strong>heiten <strong>und</strong> Gruppen<br />

unmittelbar bevor <strong>und</strong> es gebe ke<strong>in</strong>e Alternative zu diesem „one best way“ <strong>der</strong> Unternehmensorganisation.<br />

Alles wird irgendwie prozess- <strong>und</strong> projektorientiert, womit sich<br />

Kooperations- <strong>und</strong> Kommunikationsverbesserungen ganz von alle<strong>in</strong> ergeben. Wenn sich also<br />

die Auffassung durchgesetzt hat, dass die Wettbewerbsprobleme an e<strong>in</strong>er ausgeprägten<br />

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